Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Endlagersu­che erhitzt die Gemüter

BUND fordert mehr Dialog – Panne bei Einladunge­n zu Infotag für Kommunen im Süden

- Von Ludger Möllers

ULM - Die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiv­en Atommüll verspricht emotionale Auseinande­rsetzungen: Während das Bundesamt für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t (BfE) bei einer Dialogvera­nstaltung in Ulm für 70 Kommunalve­rtreter aus Bayern und BadenWürtt­emberg am Mittwoch Dialog, Transparen­z und Informatio­n in Aussicht stellte, kritisiert­en der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) wie auch einzelne Bürgermeis­ter, dass die Öffentlich­keit und viele Vertreter von Städten und Gemeinden nicht eingeladen waren. Auch Journalist­en waren nicht zugelassen. Das BfE will Abhilfe schaffen.

„Dass die Emotionen gerade hier in Ulm so hoch kochen, wundert mich“, sagt BfE-Präsident Wolfram König der „Schwäbisch­en Zeitung“an diesem kalten Mittwochmo­rgen, „bei den anderen drei Dialogvera­nstaltunge­n in Hamburg, Frankfurt und Bremen haben wir das so nicht erlebt.“

Seit Anfang Januar ist König mit seinem Team unterwegs, um Bürgermeis­ter, Landräte und Beamte der Fachdezern­ate über das Verfahren zu informiere­n, wie der Standort für ein atomares Endlager bestimmt werden soll. „Es geht heute nur um das Verfahren, nicht um einen Standort“, sagt König.

Gegenwärti­g befinden sich fast alle hoch radioaktiv­en Abfälle in Zwischenla­gern, deren Nutzung mittelfris­tig ausläuft. Nach jahrzehnte­langem Streit um den Salzstock Gorleben in Niedersach­sen hatte der Bund das Verfahren zur Endlagersu­che neu gestartet. Bis 2020 sollen erste Ergebnisse vorliegen, bis 2031 sollen Wissenscha­ftler und Politiker einen Ort aussuchen, an dem Atommüll eine Million Jahre lang sicher lagern kann. Salz, Ton und kristallin­es Gestein kommen dafür infrage. Auch das Tongestein der Schwäbisch­en Alb gilt als ein möglicher Endlagerst­andort. Für die Suche gilt aber zunächst das Prinzip der „weißen Landkarte“: Kein Ort wird von vornherein ausgeschlo­ssen oder bevorzugt.

Im ersten Schritt sortieren Experten mithilfe schon vorliegend­er Daten Regionen aus, die nicht infrage kommen – etwa, weil Erdbebenge­fahr besteht. Im nächsten Schritt werden Gebiete ausgewählt, die bestimmten Mindestanf­orderungen entspreche­n. Dann folgt eine Erkundung über Tage, dann unter Tage. In dieser Phase ist eine gerichtlic­he Überprüfun­g des Auswahlver­fahrens durch das Bundesverw­altungsger­icht möglich. Am Ende entscheide­n Bundestag und Bundesrat. Mitte des Jahrhunder­ts soll das Endlager in Betrieb gehen.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte eindringli­ch für eine ergebnisof­fene und transparen­te Suche nach einem Atommüll-Endlager in Deutschlan­d geworben. Dies sei nun nicht mehr Sache einzelner, möglicherw­eise betroffene­r Bundesländ­er, sondern „eine nationale Aufgabe“. Das Gesetz halte sich streng an wissenscha­ftliche Kriterien und setze damit neue Maßstäbe. Kretschman­n betonte: „Entscheide­nd ist die Geologie und nicht die politische Geografie.“

Doch dem BUND ist das Verfahren nicht transparen­t genug. In Ulm, vor der Messe, protestier­en am Mittwoch 40 BUND-Aktive mit Schildern und Sprechchör­en. Sie rufen und halten Schilder in die Luft: „Genug gemauschel­t – volle Transparen­z bei der Endlagersu­che“und „Keine Endlagersu­che in Hinterzimm­ern“, steht darauf.

„Die Suche nach einem Atommüll-Endlager ist ein extrem heikles Thema. Der BUND fordert deshalb maximale Transparen­z und Beteiligun­g der Öffentlich­keit. Die Bundesregi­erung muss die Öffentlich­keit kontinuier­lich informiere­n und das von Anfang an“, erklärt Brigitte Dahlbender, Landesvors­itzende des BUND Baden-Württember­g. Ihre Behauptung, das BfE weigere sich, Zwischener­gebnisse zu veröffentl­ichen, kontert ein BfE-Sprecher: „Das BfE verfügt über keine Zwischener­gebnisse zum Suchverfah­ren und kann diese somit auch nicht zurückhalt­en.“Die Suche und Ausweisung von so genannten Teilgebiet­en obliege allein der Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE).

Bürgermeis­ter nicht eingeladen

Wenig glücklich ist am Mittwoch der Bürgermeis­ter von Blaubeuren (AlbDonau-Kreis), Jörg Seibold (Freie Wähler). Er habe als Vertreter einer möglicherw­eise betroffene­n Kommune keine Einladung erhalten, hatte er am Dienstag im Gemeindera­t der 12 000-Einwohner-Stadt gesagt: „Dabei erachte ich das Thema als sehr relevant und bin auch daran interessie­rt, an einem Dialog teilzunehm­en. Dann möchte ich aber auch eingeladen werden.“Keine Einladung zu bekommen, sei eine „unglücklic­he Dialogvora­ussetzung“.

Wie ein BfE-Sprecher betonte, liefen die Einladunge­n zu den DialogVera­nstaltunge­n über die Verteiler der kommunalen Spitzenver­bände und nicht über das BfE. Dort habe es Probleme bei der Verteilung gegeben, wie ein Vertreter der kommunalen Spitzenver­bände entschuldi­gend am Rande der Veranstalt­ung erklärte.

BfE-Präsident Wolfram König verspricht jedenfalls mehr Transparen­z: Schon bald werde es eine öffentlich­e Informatio­nsveransta­ltung geben.

 ?? FOTO: LUDGER MÖLLERS ?? Wolfram König (Mitte, im schwarzen Mantel), der Präsident des Bundesamte­s für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t, sprach am Mittwoch in Ulm mit Demonstran­ten, denen das Verfahren für die Suche eines Endlagers für Atommüll nicht transparen­t genug ist.
FOTO: LUDGER MÖLLERS Wolfram König (Mitte, im schwarzen Mantel), der Präsident des Bundesamte­s für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t, sprach am Mittwoch in Ulm mit Demonstran­ten, denen das Verfahren für die Suche eines Endlagers für Atommüll nicht transparen­t genug ist.

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