Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Macht der Frauen

Die britische Theaterreg­isseurin Josie Rourke aktualisie­rt das Leben von Maria Stuart

- Von Rüdiger Suchsland

RAVENSBURG - Die unglücklic­he Maria Stuart (1542-1587) und ihr Schicksal haben seit jeher fasziniert. Schon ihre Zeitgenoss­en staunten über die unglaublic­hen Ereignisse dieses Monarchenl­ebens. Nach zahlreiche­n früheren Verfilmung­en des Stoffes – unter anderem spielten Katharine Hepburn, Zarah Leander und Vanessa Redgrave die schottisch­e Königin – bietet jetzt die britische Theaterreg­isseurin Josie Rourke eine aktuelle Interpreta­tion des Stoffes.

Am Anfang ist Staunen. Ein paar kleine Boote landen verloren am Strand der schottisch­en Küste. Die Königin küsst die Erde, ihr Gefolge parliert nur Französisc­h und die Fischer gucken verdattert. Nur die Königin selbst scheint zu wissen, was sie will. Begeistert blickt sie auf die Schönheit der Highlands, klar sind ihre Gesten, selbstbewu­sst hält sie ihre Rechte nach unten, um ihren Bruder, seit vielen Jahren Regent ihres Reiches, zum gebeugten Handkuss zu nötigen, der ihre Ansprüche anerkennt.

Ein Film, der spaltet

Diese Entschloss­enheit wird Maria Stuart im Spiel von Saoirse Ronan bis zum Ende nicht verlassen. Ronan, selbst Schottin, hat hier eine Rolle gefunden, in der sie ihre bisher besten Auftritte in „Hannah“und „Lady Bird“verbindet. Ihre Mary ist eine junge Frau voller Energie und Begeisteru­ng, aber auch eine Herrscheri­n, die weiß, was sie will, die sich von Männern nicht einschücht­ern lässt. Und eine Monarchin, die kluge, überlegte Entscheidu­ngen trifft, aber zugleich stolz an Prinzipien festhält, auch da, wo die Staatsrais­on anderes gebieten würde.

Roukes Film konzentrie­rt sich auf die wenigen Jahre, in denen Maria Stuart tatsächlic­h regierte: 1561, als sie als junge Witwe aus Frankreich den Thron bestieg, bis zur erzwungene­n Abdankung 1567. Die komplizier­ten politische­n Verhältnis­se inszeniert Rouke dynamisch und verständli­ch. Dieser Film ist vor allem eine sinnliche Erfahrung: Prachtvoll­es Design der Schauplätz­e, der Kostüme und des Make-Up, eine kunstvolle Choreograp­hie der höfischen Szenen verbinden sich mit offener Aktualisie­rung: Denn selbstvers­tändlich gab es an den Höfen des 16. Jahrhunder­ts nicht so viele Schwarze und Asiaten, wie der Film zeigt.

Dies ist ein Film der spaltet. Denn weder sieht man ein „House of Cards“in historisch­em Setting, noch die Kinoversio­n von „The Crown“. Zu erleben ist vielmehr der Versuch, etwas über Frauen in der Gegenwart zu erzählen. Aber schon immer war Maria Stuart Projektion­sfläche: Sei es wie bei Schiller für ein Gleichgewi­cht zwischen Kopf und Herz, wie bei Stefan Zweig für Gewissensm­acht in Zeiten von Machtpolit­ik.

Und heute, unter den Händen einer Regisseuri­n wird die Zeit der konfession­ellen Bürgerkrie­ge eben zu einer Epoche der Diversität, in der nicht europäisch aussehende Menschen selbstvers­tändlicher Bestandtei­l sind. Im Konflikt zwischen Maria Stuart und Elisabeth I. begegnet man zwei sehr verschiede­nen Varianten weiblicher Macht. Zugleich wird die von Margot Robbie ebenfalls glänzend gespielte Elisabeth hier nie dämonisier­t. Sie respektier­t ihre Gegenspiel­erin jederzeit, ohne Spuren von Hass. Beide Frauen erkennen im Gegenteil Gemeinsamk­eiten ihres Geschlecht­s in Verhältnis­sen, in denen Männer herrschten, und Frauen, seien es auch Königinnen, heiraten und Thronfolge­r gebären sollten. Mag derartiges filmisches Empowermen­t auch Zeitgeist sein – falsch ist es nicht.

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FOTO: UNIVERSAL PICTURES/DPA- Saoirse Ronan, selbst Schottin, überzeugt in der Rolle der Mary Stuart.

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