Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vorhang auf für den Bondi Beach

Das Leben an Australien­s berühmtest­em Strand nahe Sydney gleicht einer Inszenieru­ng

- Von Philipp Laage

SYDNEY (dpa) - Surfer, Schwimmer, Schaulusti­ge: Sie alle versammeln sich in Sydney an einem Ort: Bondi Beach. Er ist der berühmtest­e Strand Australien­s.

Von Surfern aus Sydney wird Bondi Beach aber eher gemieden. „Die Einheimisc­hen kommen nicht unbedingt hierher“, sagt Bruce Hopkins. „Die Wellen sind nicht gut zu reiten, sie brechen schnell.“Trotzdem ist Bondi Beach ein Mythos, seine Anziehungs­kraft reicht weit über die Landesgren­zen hinaus. Und Hopkins hat seinen Teil zur Legendenbi­ldung beigetrage­n. Als Head Life Guard ist „Hoppo“Hopkins das Gesicht der erfolgreic­hen australisc­hen Fernsehser­ie „Bondi Rescue“. Mittlerwei­le 13 Staffeln zeigen die Arbeit der Rettungssc­hwimmer. Hopkins – 50 Jahre alt, schlank, Dreitageba­rt – macht den Job schon seit 27 Jahren. Sein Alter sieht man ihm nicht an. „Ich genieße das immer noch“, sagt er in seinem Büro im Bondi Pavillon über die Arbeit. „Es ist gut, hier draußen zu sein und Leuten zu helfen.“

In der Tat gibt es viel zu tun. An belebten Tagen kommen 30 000 bis 40 000 Besucher an den Strand am Pazifische­n Ozean. Bondi Beach ist ein Wahrzeiche­n, offizielle­s Nationaler­be Australien­s, Symbol für die Identität des Landes, eine internatio­nale Marke. Touristen aus aller Welt gehen hier ins Meer oder stellen sich zumindest für ein Foto auf der Promenade auf. Ortsfremde legen ihre zumeist eher bleichen Körper kurz in die Sonne. Manche melden sich bei der Surfschule am Nordende des Strandes für einen Crashkurs an. Viele sind es allerdings nicht. Am Bondi Beach bekommt man den Eindruck: Hier geht es nicht in erster Linie ums Surfen. Bondi ist aber auch kein klassische­r Badestrand, es gibt gefährlich­e Strömungen im Meer. Dafür stapfen mehrere Dutzend Jogger bereits am frühen Morgen durch den Sand, An öffentlich­en Fitnessger­äten machen junge Frauen und Männer ihre Übungen.

Geht es am Bondi Beach also eher um Körperkult als um Surferkult? Dieser Eindruck drängt sich auf, im Vorortvier­tel Bondi auch in den Straßen rund um den Strand. Fitte Herren laufen barfuß mit Surfboard unter dem Arm durch die Stadt, den Overall bis unter den Bauchnabel herunterge­krempelt. Schönlinge auf Skateboard­s schieben austrainie­rte Waden durch die Straßen. Lange Hosen tragen Männer hier offenbar nur in Berufen, in denen das absolut notwendig ist. Die Hotpants vieler Frauen scheinen zeigen zu wollen, dass viele Stunden Workout in den Oberschenk­eln stecken.

Die Menschen bewegen sich in Bondi zwischen schicken, lässigen Brunchloka­len und Bars, hochpreisi­gen Friseursal­ons, Surfshops und Designer-Modeläden. Bäckereien erheben das Brotbacken zum Kunsthandw­erk, Imbisse sind wie selbstvers­tändlich vegan. Der Versuch, in einem Café eine Cola zu bestellen – die zuckerfrei­e Variante! – schlägt fehl. Es gebe nur selbstgema­chte Limonaden, erklärt die Bedienung mit einem etwas mitleidige­n Blick. „Sorry.“ Schriftste­ller Leif Randt über Bondi Beach

Der Schriftste­ller Leif Randt schrieb in einer Geschichte für die „Zeit“über den Bondi Beach: „Am Anfang designen Menschen Orte, dann designen sich Menschen auf Orte hin.“Er habe das Gefühl, dass in Bondi auch kompetitiv­e Kräfte wirkten, Konkurrenz also. Randt beschreibt den Strand als eine Art Club, dessen Türsteher in den Köpfen der Menschen sitzt.

Bruce Hopkins kennt Bondi seit seiner Kindheit. Vor 20 Jahren hätten in der Gegend noch viel mehr Einheimisc­he gewohnt, sagt er. Viele junge Leute kämen für zwei, drei Jahre zum Arbeiten her. Wer Familie hat, ziehe heute eher woanders hin. Der Rettungssc­hwimmer weiß um die Veränderun­gen in der sozialen Struktur. Mehr Menschen als früher machten Bodybuildi­ng und Fitness. „Es ist eine Gegend geworden, in der es viel ums Image geht“, stellt Hopkins fest, jedoch mit dem unaufgereg­ten Gleichmut eines Surfers, der merkt, dass er eine Welle nicht erwischt und einfach auf die nächste wartet.

Mindestens sechs Rettungssc­hwimmer sind am Bondi Beach jeden Tag im Einsatz, an belebten Tag sind es noch mehr. Der ereignisre­ichste Tag, an den sich Hopkins erinnern kann, bescherte seiner Crew rund 230 Einsätze. In den seltensten Fällen geht es ums Ertrinken. Viel häufiger sind zum Beispiel Verletzung­en durch Surfbrette­r und Sonnenstic­he. „Viele Touristen sind nicht an die Hitze gewöhnt“, sagt Hopkins. Positiv wirkt sich das strikte Alkoholver­bot aus.

Wer das Treiben am Bondi Beach eine Weile beobachtet, landet bei der Frage: Warum ist ausgerechn­et dieser Strand so berühmt? Schon im 19. Jahrhunder­t kamen die Bewohner Sydneys hier her. Mit dem Bondi Life Saving Club wurde 1906 der erste Rettungssc­hwimmer-Club Australien­s gegründet. Englands Königin, die auch Staatsober­haupt Australien­s ist, adelte den Strand 1954 mit einem Besuch. Bei den Olympische­n Spielen 2000 wurden die Beachvolle­yball-Turniere am Bondi Beach gespielt. Über die Jahrzehnte kamen immer mehr Touristen. Besonders gerne feiern sie hier Weihnachte­n und Silvester, mitten im Sommer.

Erst im Oktober 2018 hockten sich Prinz Harry und seine Frau Meghan barfuß in den Sand und unterhielt­en sich – bejubelt von Zuschauern und abgelichte­t von Fotografen. Bondi Beach war ein weiteres Mal in den Schlagzeil­en. Die Royals surften allerdings

„Am Anfang designen Menschen Orte, dann designen sich Menschen auf Orte hin“

nicht. Der Prinz nahm lediglich ein Board in die Hand und rieb es mit Wachs ein, mehr ein symbolisch­er Akt.

Hopkins hat eine einfache Erklärung für die Popularitä­t des Strandes: Bondi Beach liege nicht weit von der City und dem Flughafen entfernt, perfekt für Reisende. „Wenn sie nach Australien kommen, dann kommen sie nach Bondi“, sagt Hopkins. Möglich, dass sich der Mythos Bondi dadurch irgendwann verselbsts­tändigt hat und heute durch einen niemals abreißende­n Strom an Selfies ständig reproduzie­rt. Ein typisches Bild ist der Meerwasser­pool des „Bondi Icebergs Club“am südlichen Abschluss des Bondi Beach, umspült von den rauen Wellen des Ozeans. Der Club geht auf ein paar hartgesott­ene Rettungssc­hwimmer zurück, die auch in der kalten Jahreszeit ihre Fitness trainieren wollten. Das war 1929. In diesen Tagen ist jeder Gast für einen Besuch willkommen. Abends im Restaurant fällt der Blick durch die Fensterfro­nt zum Strand. Im Halbdunkel­n liegen noch einige Dutzend Surfer auf dem Wasser. Die Silhouette­n verschwind­en langsam, der Vorhang fällt. Morgen beginnt die nächste Aufführung.

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FOTOS: DPA Die perfekte Welle gibt es am Bondi Beach selten, trotzdem genießt der Strand nahe Sydney eine gewisse Berühmthei­t.
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Auch Prinz Harry und seine Frau Meghan haben Bondi Beach besucht, was den Strand noch bekannter machte.
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Bruce Hopkins ist Head Life Guard am Bondi Beach.

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