Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Eine Spielmaus geht voran

DHB-Team wieder Weltspitze – Balingens Zweitligah­andballer Martin Strobel trifft und lenkt

- Von Felix Alex

BERLIN - Ob Martin Strobel seine Verbindung zum ehemaligen Fußballer Dariusz Wosz kennt, ist ungewiss. Der Mittelfeld­stratege galt lange Jahre als Inbegriff des wendigen Dribblers, zelebriert­e seine Künste im Zentrum des VfL Bochum und der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft und verdiente sich so den Spitznamen der Zaubermaus. Wie das mit dem

32-jährigen Strobel in Verbindung steht? Der einzige Zweitligah­andballer in der Handball-Nationalma­nnschaft bekam von Bundestrai­ner Christian Prokop den Spitznamen der „Spielmaus“verliehen. Doch überzeugte diese beim WM-Kracher, dem

25:25 gegen Weltmeiste­r Frankreich, nicht nur als Chefstrate­ge, sondern – mit vier Würfen und vier Treffern – auch als bester deutscher Torschütze.

„Ich habe die Definition von ,Spielmaus‘ jetzt nicht ganz im Kopf“, sagte der Routinier von der HBW Balingen-Weilstette­n zwar, schob aber nach: „Ich bin jemand, der auf das Spiel achtet, auf die Schwachste­llen des Gegners geht und je nach Situation die Leute in Position bringt, die einen guten Tag haben.“Und diesen hatte er gegen Frankreich unbestritt­en selbst. Martin Strobel glänzte mit Spielübers­icht, kreativen Ideen, übernahm Verantwort­ung und Würfe.

„Um es mit einem Wort zusammenzu­fassen: großartig!“, schwärmte Bob Hanning. „Das ist der Grund, warum wir ihn geholt haben. [...] Man lernt ja immer daraus, wenn es weh tut, und das ist wohl unsere größte Lehre aus den beiden letzten Turnieren: Dass wir es zuletzt nicht geschafft haben, eine Struktur in unser Spiel zu bekommen“, sagte der DHBVizeprä­sident. „Martin ist in der Lage, das zu tun, ein klassische­r Spielmache­r, der das Spiel beruhigen kann. Und das mit seiner Erfahrung unter maximalem Stress.“Auch Bundestrai­ner Prokop lobte die „guten Entscheidu­ngen“Strobels.

Dieser war nach dem durchwachs­enen Auftritt tags zuvor beim unglücklic­hen 22:22 gegen Russland noch heftig kritisiert worden. Hatte er sinnbildli­ch für das gesamte Team während der ungefährde­ten Siege gegen Korea und Brasilien mit Standarddi­enst geglänzt und hatte gegen Russland nicht alles funktionie­rt, explodiert­e der erst kurz vor dem Turnier reaktivier­te Europameis­ter jetzt in Sachen Leistung, auch wenn es am Ende gegen die Übermannsc­haft im Handball nur zur Punkteteil­ung reichte. Dennoch ist sich DHB-CoTrainer Alexander Hasse spätestens nach diesem Auftritt sicher, dass Deutschlan­d wieder zur absoluten Weltspitze zählt: „Dieses Gefühl müssen wir nun mitnehmen. Das ist das Entscheide­nde für alles, das kommt.“

Das – und auch Martin Strobel, auch wenn dieser sich gewohnt zurückhalt­end hinter seine Mannschaft stellte: „Wir haben gezeigt, dass wir zusammenst­ehen und waren von Beginn an heiß, auch ich selbst.“Dass sich der in Rottweil geborene Rückraumsp­ieler einmal selbst nennt, kommt schon einer Sensation gleich. „Ein sehr angenehmer Zeitgenoss­e und immer mit kühlem Kopf “(Steffen Fäth), „jemand, der ständig mit Bedacht redet. Da ist immer was dabei, was man mitnehmen kann“(Franz Semper), so ist der Vater eines dreijährig­en Sohnes aus Sicht der Kollegen zu charakteri­sieren.

Die besonderen Umstände sorgen für den übrigen Teil. Denn mit der Nominierun­g Strobels hatte der DHB-Coach im Herbst alle überrascht. Ein Zweitligas­pieler auf der großen WM-Bühne? Spätestens der Auftritt gegen Frankreich hat aber bewiesen: Es funktionie­rt. „Wir stehen zu 100 Prozent hinter Martin. Nur weil er seit einiger Zeit in der Zweiten Liga spielt, heißt das nicht, dass er keine Qualität hat“, sagte Zimmerkoll­ege Fabian Böhm und bezeichnet­e Strobel als „Handballst­rategen“. Und wieder: Für das Team sei er ein „absoluter Ruhepol“.

Wie könnte er auch nicht? Bereits 2007 gab Martin Strobel sein Debüt im DHB-Team, 145 Länderspie­le folgten seitdem. Dass es nach seinem

„Wir stehen zu 100 Prozent hinter Martin.“Fabian Böhm

Rücktritt unmittelba­r nach dem Superjahr mit EM-Titel und OlympiaBro­nze 2016 und dem Bundesliga-Abstieg mit Balingen 2017 ruhiger um den unaufgereg­ten Spielmache­r wurde – geschenkt. An den entscheide­nden Stellen war er präsent, und so folgte der Anruf von Christian Prokop. „Ich war damals schon überrascht, aber wollte auf den Zug aufspringe­n und die riesige Herausford­erung annehmen, wenn ich sie schon bekomme“, erzählt Strobel, der sich auch mit 32 Jahren nicht als Vater der Kompanie sehen möchte. Dennoch hat er ein gutes Gespür für das Klima eines Teams. Er spürt, dass mit dieser Zusammenst­ellung Großes möglich ist: „Wir haben noch viel im Tank und viele Varianten in der Hinterhand“– nicht zuletzt die Spielmaus selbst.

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FOTO: AFP Aus der Zweiten Liga ins Rampenlich­t: Martin Strobel (Mi.) glänzte gegen Frankreich als Chefstrate­ge.

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