Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Aufholjagd ohne Robbéry
Bayern startet Freitag in Hoffenheim – Julian Nagelsmann geht gewohnt selbstbewusst in die Rückrunde
SINSHEIM/MÜNCHEN (SID/dpa) Eine Viertelstunde lang wartete Julian Nagelsmann die Sponsoren-Präsentation eines Entsorgungsunternehmens ab – dann machte der Erfolgstrainer klar, dass er keinen „Restmüll“bei der TSG Hoffenheim hinterlassen will. „Es ist schon wichtig, sich nicht vorher zu ergeben, wenn der rote Bus einfährt. Meine Motivation ist sehr groß. Ich habe dem Club viel zu verdanken. Es geht für mich darum, den perfekten Abschied zu schaffen“, sagte Nagelsmann vor dem Rückrundenauftakt am Freitag gegen Bayern München (20.30 Uhr/ZDF und Eurosport-Player): „Es ist auch für mein Ego wichtig, dass das gute Bild von mir bestehen bleibt.“
Mit der Partie gegen den Rekordmeister, bei der Nagelsmann zum 100. Mal in der Bundesliga an der Seitenlinie steht, beginnt sein persönlicher Countdown. Exakt 120 Tage nach dem Duell mit den Bayern wird der 31-Jährige, der im Sommer zum Ligarivalen RB Leipzig wechselt, zum letzten Mal auf der TSG-Bank sitzen. „Natürlich wird das Wechselthema immer größer werden – aber an mangelnden Erfolgen wird es nicht liegen“, sagte der Coach selbstbewusst. „Wenn wir in der Rückrunde die Siegquote aus dem Vorjahr wiederholen, haben wir eine gute Chance, unter die ersten Vier zu kommen.“Das wünscht sich auch Mäzen Dietmar Hopp. „Es wäre es mein Traum, dass wir uns erneut für die Champions League qualifizieren“, sagte der Milliardär, der die Latte für den Nagelsmann-Nachfolger vorsorglich niedriger legt: „Ich denke, dass es für uns als Club realistisch ist, im Schnitt unter die ersten Acht zu kommen.“Wer dieses Ziel auf der Trainerbank verfolgen wird, steht noch nicht offiziell fest. Nach wie vor gilt Marco Rose (RB Salzburg) als Favorit.
Auch finanziell geht es in Hoffenheim, das sich nach sechs Monaten Pause auf das Comeback von U21-Europameister Nadiem Amiri freut, weiter aufwärts. Die Namensrechte an der Rhein-Neckar-Arena wurden für fünf Jahre und geschätzte 22,5 Millionen Euro an den Entsorgungsdienstleister „PreZero“verkauft. Das Unternehmen aus Neckarsulm löst den bisherigen Namenssponsor „Wirsol“ab. Der Energiedienstleister hatte siebeneinhalb Jahre die Namensrechte gehalten. PreZero ist die Marke eines Tochterunternehmens der SchwarzGruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören.
Bayern geht mit einer klaren Zielsetzung ins erste Spiel der Rückrunde. „Wir brauchen ein gutes Ergebnis, wir müssen und wollen sechs Punkte auf Dortmund aufholen, deswegen ist das Spiel in Hoffenheim sehr wichtig“, sagte Trainer Niko Kovac. Zugleich betonte er: „Der 18. Spieltag wird kei- ne Vorentscheidung bringen.“Tatsächlich haben Bayern (in Hoffenheim, gegen Stuttgart, in Leverkusen) und Dortmund (in Leipzig, gegen Hannover, in Frankfurt) ein ähnlich schweres Auftaktprogramm – wer auswärts zuerst stolpert, für den könnte es schwierig werden.
Erfreut ist Kovac darüber, dass Kingsley Coman wieder zur Verfügung steht. Dessen monatelanger Ausfall in der Vorrunde habe „uns sehr getroffen“, sagte der Trainer und behauptete: „Mit Coman hätten wir nicht sechs Punkte weniger, sondern vielleicht sogar Vorsprung.“
Hoffnungen auf Einsätze kann sich in der Rückrunde der junge Kanadier Alphonso Davies machen. Der Winterneuzugang sei sehr viel weiter als etwa die Spieler der zweiten Mannschaft, „wenn er umsetzt, was wir im Training sehen, dann wird er viele, viele Spiele machen“, sagte Kovac. Offenbar entschieden hat sich Kovac bei der Wahl seiner Innenverteidiger. „Es wird immer klarer“, sagte er: „Derjenige, den ich draußen lasse, wird es nicht verstehen.“Niklas Süle dürfte erste Wahl sein, um den zweiten Platz streiten sich Jérôme Boateng und Mats Hummels. Verzichten muss Kovac auf die angeschlagenen oder verletzten Franck Ribéry, Arjen Robben und Corentin Tolisso.
„Die, die nicht James heißen, wollen auch spielen.“Bayern-Trainer Niko Kovac
James Rodríguez, mit dem Kovac ein eher verbesserungswürdiges Verhältnis pflegt und der in der Vorrunde oft nur Reservist war, darf wieder hoffen: „Er spielt natürlich um seine Zukunft, das ist ja klar. Jeder, der einen Arbeitsvertrag haben möchte in einem Club, muss Topleistungen bringen.“James wolle mehr Einsatzzeit, jetzt liege es an ihm, das Trainerteam zu überzeugen. „Wir sind ein großer Club mit großen Fußballern. James ist ein großer Fußballer, der den Anspruch hat zu spielen. Aber die, die nicht James heißen, wollen auch spielen.“
Die Bayern, die weiterhin um das
18-jährige Talent Callum HudsonOdoi vom FC Chelsea buhlen, haben noch nicht entschieden, ob sie beim von Real Madrid ausgeliehenen Kolumbianer die 42 Millionen Euro teure Kaufoption ziehen. „Natürlich“habe James signalisiert, dass er bleiben wolle, sagte Kovac. In der Hinrunde hatte der WM-Torschützenkönig von
2014 häufig das Nachsehen gegen Thomas Müller, nur fünfmal stand er in der Startelf.