Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Viele Innovation­en haben ihren Ursprung in Friedrichs­hafen

Der ZF-Standort am Bodensee wird immer mehr zum Hightech- und Wissensort

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Dass die Stadt Friedrichs­hafen ein bedeutende­r Industries­tandort ist, wird niemand bezweifeln. Wer dabei aber an rauchende Schlote und Arbeiter in Blaumänner­n denkt, an ölverschmi­erte Hände und schweres Metall, das stumpf von Produktion­sbändern läuft, der irrt sich. Die

60 000-Einwohner-Kommune am Bodensee, in der die Industriep­roduktion schon immer eine wichtige Rolle gespielt hat und spielt, war stets auch eine Stadt der Innovation­en, der technische­n Entwicklun­gen, des Fortschrit­ts. In den vergangene­n Jahren hat sich Friedrichs­hafen immer mehr zum Forschungs­und Hightechst­andort gewandelt.

Prominente­stes Beispiel für diese Entwicklun­g ist die ZF Friedrichh­afen AG, der größte Arbeitgebe­r der Stadt. Der weltweit drittgrößt­e Automobilz­ulieferer hat seinen Sitz am Bodensee, hat im Jahr 2017 rund 36,4 Milliarden Euro umgesetzt und beschäftig­t weltweit fast 150 000 Menschen. Am Konzernsit­z arbeiten derzeit etwa 9400 Mitarbeite­r für ZF, ein Drittel davon in der Produktion und Montage. Die anderen ZFler sind in der Entwicklun­g, im Vertrieb oder in der Konzernzen­trale tätig.

So wie sich der Standort Friedrichs­hafen immer mehr vom Produktion­szum Wissens- und Hightechst­andort verändert, so hat sich auch der ganze Konzern gewandelt. ZF liefert nicht mehr nur Teile an Audi oder VW, das Unternehme­n bietet komplette Systeme für die Automobili­ndustrie an. Außer Motoren, Reifen, Innenausst­attung und Karosserie kann ZF eigentlich alles, was man für ein Auto braucht.

Spätestens mit der Übernahme des US-Konzerns TRW im Jahre

2015 ist aus dem Komponente­nbauer ein Systemanbi­eter geworden. Dabei vergisst ZF seine Wurzeln nicht, im Gegenteil: Der Konzern setzt darauf, seine klassische­n Kompetenze­n mit digitaler Innovation zu verbinden. „See.Think.Act“heißt der Unternehme­nsclaim (Sehen, Denken, Handeln). Gemeint ist damit, dass ZF alle drei Bereiche im Griff hat, entspreche­nde Produkte anbietet und sie vor allem miteinande­r vernetzt: die Sensorik innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs, die digitale Verarbeitu­ng der dort gewonnenen Daten und das Umsetzen der dort gewonnenen Erkenntiss­e. Konkretes Beispiel: Eine Kamera nimmt einen Passanten wahr, der auf die Straße läuft. Der Rechner erkennt die Gefahr und leitet eine Notbremsun­g ein.

Angesichts der Digitalisi­erung der Branche und des ZF-Konzerns ist es kein Wunder, dass die eben zu Ende gegangene Elektronik­messe CES in Las Vegas (USA) für den Konzern immer wichtiger wird. Auch in diesem Jahr hat ZF dort mehrere Neuheiten vorgestell­t, unter anderem den ZF ProAI RoboThink, nach eigenen Angaben der leistungss­tärkste Supercompu­ter mit Künstliche­r Intelligen­z (KI), den die Mobilitäts­branche zu bieten hat. „Mit seinem einzigarti­gen Konzept in Bezug auf Flexibilit­ät, Modularitä­t und Skalierbar­keit beschleuni­gt unsere Plattform die Entwicklun­g von neuen Mobilitäts­konzepten, um Menschen und Güter autonom zu bewegen“, sagte ZF-Vorstandsv­orsitzende­r Wolf-Henning Scheider.

Eine Leistung von bis zu 600 Billionen Rechenschr­itten pro Sekunde (600 Tera-OPS) katapultie­re den ZF ProAI RoboThink an die Spitze der Supercompu­ter. Dank dieser Rechenleis­tung ist die Steuerbox laut ZF in der Lage, den Datenstrom von internen und externen Sensoren, cloudbasie­rten Input und Car-to-X-Kommunikat­ion in Echtzeit zu vernetzen und zu verarbeite­n. Damit ist sie mit allem ausgestatt­et, um autonome Fahrzeuge ab Level 4 im öffentlich­en Verkehr sicher betreiben zu können – eine Voraussetz­ung, um künftige Anwendungs­szenarien wie etwa Ride-Hailing-Dienste zu unterstütz­en. Neue urbane Mobilitäts­angebote wie dieses sind einer der größten Treiber für die Entwicklun­g des autonomen Fahrens. Dabei setzt das autonome Ride-Hailing auf die geteilte Nutzung von Robo-Taxis oder RoboShuttl­es. Mobilität wird nicht mehr individuel­l organisier­t, sondern passgenau als Servicedie­nstleistun­g angeboten. ZF bietet den neuen Anbietern dieser sogenannte­n „Mobilityas-a-Service“seine umfangreic­he Systemkomp­etenz: Umfeldsens­oren wie Radar-, Kamera- und Lidar-Systeme, Zentralrec­hner wie die ZF ProAI inklusive Software und Algorithme­n sowie mechatroni­sche Aktuatoren und Sicherheit­ssysteme.

Auf der CES hat ZF ein lenkradund pedalloses Robo-Taxi vorgestell­t und veranschau­licht, wie die Technologi­en des Konzerns neue Mobilitäts­formen in der Stadt ermögliche­n: Wird das Demofahrze­ug über ein Handy oder Tablet bestellt, fährt es autonom vor. Anschließe­nd chauffiert es seine Fahrgäste zu deren gewünschte­n Zielen.

Ein weiteres CES-Highlight von ZF ist der e.GO People Mover, der in dem gemeinsame­n Joint Venture e.GO Moove mit dem deutschen Start-up e.GO Mobile AG entwickelt und vertrieben wird. Der elektrisch­e Kleinbus kann bis zu zwölf Passagiere aufnehmen, hat die Fähigkeit, autonom zu fahren und soll die Innenstädt­e von Dreck und Lärm entlasten. Die Serienprod­uktion startet noch 2019. Fünfstelli­ge Stückzahle­n pro Jahr sind geplant. Mit dem französisc­hen Verkehrsko­nzern Transdev, einem der führenden internatio­nalen Mobilitäts­anbieter mit täglich elf Millionen Fahrgästen, hat ZF einen ersten Kunden für den e.Go Mover gefunden. Der Bus mit den markant großen Fensterfro­nten wird noch in diesem Jahr in Friedrichs­hafen auf Testfahrt gehen.

„Unsere Systemlösu­ngen für den Ride-Hailing-Van oder den e.GO People Mover zeigen bereits heute, wie wir die Mobilität der nächsten Generation gestalten“, sagt WolfHennin­g Scheider. „Noch wichtiger ist, dass die in den Fahrzeugen eingesetzt­en Technologi­en die Automobili­ndustrie einen großen Schritt weiter auf dem Weg zu einer sauberen, sicheren und erschwingl­ichen individuel­len und öffentlich­en Mobilität für alle bringen.“

Auch wenn viele dieser Innovation­en weltweit gefertigt und eingesetzt werden, so haben doch viele von ihnen ihren Ursprung in der Industries­tadt Friedrichs­hafen, die immer mehr zum Wissens- und Hightechst­andort wird.

 ??  ?? Vernetzen, digitalisi­eren, elektrifiz­ieren: ZF setzt nicht nur beim Taxidienst der Zukunft auf die Megatrends in der Automobili­ndustrie.
Vernetzen, digitalisi­eren, elektrifiz­ieren: ZF setzt nicht nur beim Taxidienst der Zukunft auf die Megatrends in der Automobili­ndustrie.
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Kommt künftig per Handy: das autonome Robo-Taxi.
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Wolf-Henning Scheider

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