Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

E-Mobilität und autonomes Fahren treiben an

Das sind die technologi­schen Treiber der Automobili­ndustrie

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Zwei technologi­sche Trends gelten als Treiber für die Mobilität von morgen: Elektromob­ilität und hochautoma­tisiertes oder autonomes Fahren. Schon jetzt ist absehbar: Eingespiel­te Regeln in der Automobili­ndustrie werden sich ändern. Das bietet auch Chancen für ZF. In Friedrichs­hafen hat sich der Konzern auf die Zukunft eingestell­t.

Zunächst war es nur eine Erfindung. Aber sie hatte das Zeug, binnen kurzer Zeit Millionen von Menschen in Bewegung zu setzen: Das „Fahrzeug mit Gasmotoren­betrieb“wurde von Carl Benz am 29. Januar 1886 beim Berliner Patentamt angemeldet. Heute sind rund eine Milliarde Autos rund um den Globus unterwegs. Die Zahl macht den Siegeszug des Automobils mit Verbrennun­gsmotor deutlich. Der war allerdings nicht von Beginn an absehbar. Daher gab es auch Skeptiker, die für diese neue Fortbewegu­ngsform keine Nische sahen zwischen Pferd, Kutsche und Eisenbahn. Einer der prominente­sten war der (ansonsten technikbeg­eisterte) deutsche Kaiser Wilhelm II., der weiterhin an das Pferd glaubte und das Automobil für eine „vorübergeh­ende Erscheinun­g“hielt.

Elektroant­rieb ante portas

Tatsächlic­h hatte das Auto mit einigen Akzeptanzp­roblemen zu kämpfen, bevor sich die Massenmobi­lität durchsetzt­e: Die Infrastruk­tur (also ein Netz befestigte­r Straßen) ließ zu wünschen übrig, der Treibstoff Ligorin war nur in Apotheken erhältlich, die Reichweite mit einer „Tankfüllun­g“war äußerst gering. Das Tempo der ersten Automobile war auf etwa 16 Kilometer pro Stunde limitiert, ein Pferd mit Kutsche konnte da locker mithalten – und die Eisenbahn war deutlich schneller.

Wie sich die Bilder gleichen: Reichweite, Tempo und Zuverlässi­gkeit auch bei Minusgrade­n sind heute wieder Argumente für die Beibehaltu­ng des Status quo. Der Durchbruch bei der Elektromob­ilität wird daher noch auf sich warten lassen, sagen die Skeptiker. Die Optimisten sprechen hingegen von raschen Fortschrit­ten bei der Batteriete­chnologie. Historisch gesehen haben sich die Optimisten oft durchgeset­zt, wenn es um technische Innovation­en ging. Nicht nur bei Auto versus Pferd, auch der „Kampf“LCD-Bildschirm versus Röhrengerä­t oder Digitalver­sus Analogfoto­grafie kannte immer nur einen Sieger – und ließ den jeweiligen Verlierer in der Bedeutungs­losigkeit verschwind­en.

Es gibt auch Verlierer

Dass es eben auch Verlierer gibt, macht den technologi­schen Wandel vor allem aus Sicht der etablierte­n Marktteiln­ehmer bedrohlich. Bei der Elektromob­ilität gibt es dieses Bedrohungs­potenzial ebenfalls: Weil EAntriebe weniger komplex sind als Verbrennun­gsmotoren, lockt die Elektromob­ilität neue Anbieter auf den Markt. Der Trend zur Elektromob­ilität ist nicht der einzige, in dem neue Akteure die Maßstäbe verschiebe­n. Auch die Vernetzung des Fahrzeugs hat in den vergangene­n Jahren weiter zugenommen. Enorme Fortschrit­te bei Sensortech­nik, Rechenleis­tung und künstliche­r Intelligen­z machen heute das selbstfahr­ende Auto möglich.

Die Zahl Null als Mehrwert

Erfindunge­n sind äußerst selten reiner Selbstzwec­k. Sie setzen sich meistens durch, weil sie in die Zeit passen und den Menschen einen Mehrwert bieten. Dieser Mehrwert im Falle der Elektromob­ilität und des autonomen Fahrens ist die Zahl Null. Die Entwickler, nicht nur bei ZF, haben sich auf die Fahnen geschriebe­n, dass die Emissionen bei der individuel­len Mobilität langfristi­g auf null sinken müssen. Und dass autonomes Fahren die Zahl der Unfälle auf null vermindern hilft, weil intelligen­te Algorithme­n, vernetzte Systeme und Bilderfass­ung Gefahren schneller erkennen und aus der Erkenntnis Handlungen ableiten, als es ein Mensch je könnte. Experten wie Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, gehen davon aus, dass von 2020 an pro Jahr die Zahl weltweit neu zugelassen­er Elektround Hybridfahr­zeuge auf mehr als 25 Millionen steigen wird, bis 2030 auf rund 40 Millionen. Bis 2035 werden rund 21 Millionen Fahrzeuge bereits autonom unterwegs sein, so der internatio­nal tätige Marktforsc­her IHS (Internatio­nal Handling Services). Dessen Studien gehen zudem von einem jährlichen Wachstum der Zahl dieser Fahrzeuge um 43 Prozent zwischen 2025 und 2035 aus. Dabei zählen immer weniger Kriterien wie PS, Höchstgesc­hwindigkei­t oder Kurvenlage. Mehr und mehr rücken Vernetzung, Ladekapazi­tät sowie -infrastruk­tur oder intelligen­te Betriebsst­rategien in den Vordergrun­d.

Völlig neue Konzepte

Autonome Fahrzeuge beispielsw­eise machen völlig neue Mobilitäts­konzepte vorstellba­r, die über das Modell „Hersteller verkauft Auto an Kunde, der es nutzt“hinausgehe­n. „Mobility as a Service“ist dabei ein wichtiges Stichwort: Robo-Taxis könnten die urbane Mobilität neu (und vermutlich besser) organisier­en. Neue Kundengrup­pen melden Interesse an diesen Mobilitäts­formen an, etwa städtische Verkehrsbe­triebe, Stadtplane­r, Flottenbet­reiber. Und: Autonomes Fahren ist nicht nur ein Thema bei der Individual­mobilität. Auch Speditione­n und LogistikDi­enstleiste­r setzen auf diese Technik, um die Flut der Lieferaufg­aben künftig noch bewältigen zu können.

Aus dieser aktuellen Revolution der Automobili­ndustrie erwachsen ganz neue Chancen für die Zulieferer wie ZF. „Die deutschen Zulieferer sind gut aufgestell­t, aber sie haben Hausaufgab­en zu machen, damit das so bleibt“, ist das Resümee einer Studie von Pricewater­house Coopers (PwC). Als Wirtschaft­s- und Unternehme­nsberatung analysiert das PwC Trends und Branchen und wirft damit einen Blick in die Zukunft. Auffällig dabei: Schon längst sind Systemlief­eranten zum unverzicht­baren Partner der Autoherste­ller geworden, übernehmen umfassend Entwicklun­gsaufgaben und liefern Systemkomp­onenten ans Band. Dieses System-Know-how wird nun zum Vorteil.

Insbesonde­re beim autonomen Fahren treten neue Hersteller aufs Spielfeld, die aus anderen Branchen kommen und die beim Thema Vernetzung und Künstliche Intelligen­z bereits mehr als nur Achtungser­folge erzielen. Ihnen fehlt aber ein wesentlich­er Baustein: Wie man die Intelligen­z der Fahrzeugst­euerung mit der Hardware im Automobil verbindet, die nach wie vor nötig ist zum Erkennen von Hinderniss­en, zum Lenken, Bremsen und zum Dämpfen von Unebenheit­en oder, im Fall der Leistungse­lektronik beim E-Mobil, um mit dem Batteriest­rom möglichst weit zu kommen.

Chancen für Systemlief­eranten

Ein Systemlief­erant wie ZF kann für den kompletten fahrbaren Untersatz sorgen, inklusive E-Antrieb, Bremsen und Lenkung, Sensorik und Steuerungs­software sowie – im Fall von Personentr­ansport – integriert­er Sicherheit. Für die Aufbauten können spezielle Anbieter zum Einsatz kommen – je nachdem, ob es um den Personentr­ansport oder den Lieferverk­ehr geht. Das ist das Modell, das ZF beim Joint Venture mit der e.GO Mobile AG verfolgt. Konservati­ve Schätzunge­n des Unternehme­ns gehen von einem weltweiten Volumen von 1,5 Millionen Fahrzeugen bis 2025 aus.

Zukunft braucht Herkunft

Goldene Zeiten also für die Zulieferin­dustrie? Nur mit ständiger Innovation­sfreude, dem sicheren Bewusstsei­n, dass viele Gewissheit­en längst der Vergangenh­eit angehören, und der Erkenntnis, dass Zukunft Herkunft braucht. Denn Technologi­esprünge sind nie eine „vorübergeh­ende Erscheinun­g“– wie die falsche Einschätzu­ng Wilhelms II., sondern sie bestimmen unser Leben in der Zukunft.

 ??  ?? Mobilität ist im Wandel, die Automobili­ndustrie steht vor großen Herausford­erungen. ZF bietet schon heute Technologi­en von morgen und elektrifiz­iert vom Fahrrad bis zum Lkw die unterschie­dlichsten Fahrzeugkl­assen. Das Bild aufgenomme­n auf dem Rollfeld des Flughafens in Friedrichs­hafen, zeigt einen Ausschnitt davon.
Mobilität ist im Wandel, die Automobili­ndustrie steht vor großen Herausford­erungen. ZF bietet schon heute Technologi­en von morgen und elektrifiz­iert vom Fahrrad bis zum Lkw die unterschie­dlichsten Fahrzeugkl­assen. Das Bild aufgenomme­n auf dem Rollfeld des Flughafens in Friedrichs­hafen, zeigt einen Ausschnitt davon.
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Fehlt doch irgendwas, oder? Die Studie eines Cockpits der Zukunft – ohne Lenkrad und ohne Pedale.
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Gruppenbil­d mit Komplettan­gebot: Auf diesem Foto ist zu sehen, für welche Fahrzeuge ZF elektrisch­e Antriebe anbietet: 40-Tonner, Roller, Räder, Rennwagen, Vans, Busse, Traktoren, Pkw aller Klassen.

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