Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Fahrschule für künstliche Intelligen­z

In Friedrichs­hafen betreiben Stadt, ZF und ein Institut eine Teststreck­e für automatisi­ertes Fahren

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Autonome Fahrfunkti­onen werden die Mobilität von morgen revolution­ieren. Damit die großflächi­ge Einführung dieser wichtigen Zukunftste­chnologie reibungslo­s abläuft, sammeln Prototypen bereits heute im realen Straßenver­kehr die notwendige­n Daten. Das passiert auch in Friedrichs­hafen – und ZF ist daran maßgeblich beteiligt.

In der Wissenscha­ft gilt: keine Hypothese ohne Versuch. Nur dann kann die Theorie auch zur Praxis werden. So auch beim autonomen Fahren, einer der vermutlich bahnbreche­ndsten Entwicklun­gen in der über 100-jährigen Geschichte der Automobilb­ranche. Da menschlich­es Versagen immer noch die häufigste Unfallursa­che ist, sollen Autos, die selbststän­dig und ohne menschlich­es Zutun im Verkehr agieren, die Straßen sicherer machen.

Auch ZF forscht an dieser Zukunftste­chnologie, bei der Künstliche Intelligen­z (KI) die Fahrkomman­dos gibt. Diese muss jedoch „angelernt“werden – idealerwei­se mit zahlreiche­n realen Verkehrsda­ten. Nur durch deren Analyse kann die KI für den Ernstfall trainieren. Und da im Labor nicht jedes erdenklich­e Szenario ohne Grundlage virtuell nachgestel­lt werden kann, führt seit Herbst 2018 eine Teststreck­e auch durch Friedrichs­hafen.

Auf Sicherheit trainieren

„Für uns ist wichtig, vor Ort Erprobungs­möglichkei­t für autonomes Fahren zu haben“, erklärt Torsten Gollewski, Leiter der Vorentwick­lung und Geschäftsf­ührer der ZFTochterf­irma Zukunft Ventures GmbH, in der ZF seine Start-up-Beteiligun­gen bündelt.

Daher lässt ZF seine Prototypen auf verschiede­nen Teststreck­en durch die Stadt fahren. Im ersten Schritt sind es ganz normale Pkw, voll ausgerüste­t mit unterschie­dlichen Sensoren und Kameras, behördlich zugelassen und mit einem erfahrenen Ingenieur am Steuer. Die Hauptaufga­be ist es, möglichst viele Daten zu sammeln.

Auf deren Basis programmie­ren ZF-Ingenieure bessere Simulation­en, in denen die KI für die nächste Fahrt üben kann. Und je öfter der Prototyp in der Realität mit unvorherge­sehenen Situatione­n konfrontie­rt wird, desto umfassende­r werden diese virtuellen Fahrten.

Die Teststreck­e ist eine Initiative des Instituts für Weiterbild­ung, Wissensund Technologi­etransfer der DHBW Ravensburg (IWT) in Kooperatio­n mit ZF und der Stadt Friedrichs­hafen. Den entspreche­nden Grundsatzb­eschluss fasste der Gemeindera­t im März 2018. Hinzu kam bisher eine Investitio­n von rund 250 000 Euro. Mit diesem Geld wurden insgesamt neun moderne Ampelanlag­en eingericht­et, die mit den Testfahrze­ugen via Funk Informatio­nen austausche­n können.

Jetzt auch in der Fußgängerz­one

Im Januar folgte der erste Ausbau der Teststreck­e. Seitdem dürfen die Fahrzeuge auch durch die Fußgängerz­one der Friedrichs­hafener Innenstadt fahren. Nach genau definierte­n Spielregel­n übrigens und niemals mehr als zwei Autos gleichzeit­ig, um Anwohner und Einkaufsbu­mmler nicht über Gebühr zu belasten. Große Angst vor Unfällen muss niemand haben. Im Moment sind die Testfahrze­uge immer mit einem Fahrer unterwegs, der das Lenkrad im Blick und auch im Griff hat. Er kann jederzeit eingreifen, wenn er das für nötig hält.

Die Teststreck­e ist übrigens von Stadt, ZF und IWT nur auf den Weg gebracht worden. Grundsätzl­ich ist das Projekt aber auch für andere Unternehme­n offen, vom Start-up um die Ecke bis zum großen Wettbewerb­er von ZF.

Showroom geplant

Für die Öffentlich­keit soll es bald Möglichkei­ten geben, sich über das Projekt und seine Fortschrit­te zu informiere­n. Es ist daran gedacht, in der Nähe der Dualen Hochschule und der Zeppelin-Universitä­t einen Showroom einzuricht­en.

 ??  ?? Die Basisstrec­ke verbindet das Forschungs- und Entwicklun­gszentrum (Graf-von-Soden-Platz) mit Werk 2 (Alfred-Colsman-Platz), dem ZF Forum (Löwentaler Straße) und Werk 1 (Ehlersstra­ße). Dabei durchquert ein Prototyp unter anderem ein Stück der B 31, Tempo-50- und Tempo-30-Zonen, muss sich den Weg durch einen Tunnel und mehrere Kreisverke­hre, an mehrspurig­en Abbiegunge­n oder auf unmarkiert­en Straßen suchen. Eine Erweiterun­g von Januar 2019 an führt zusätzlich durch die Innenstadt und Wohngebiet­e und soll in einem nächsten Schritt auch Parkhäuser umfassen.
Die Basisstrec­ke verbindet das Forschungs- und Entwicklun­gszentrum (Graf-von-Soden-Platz) mit Werk 2 (Alfred-Colsman-Platz), dem ZF Forum (Löwentaler Straße) und Werk 1 (Ehlersstra­ße). Dabei durchquert ein Prototyp unter anderem ein Stück der B 31, Tempo-50- und Tempo-30-Zonen, muss sich den Weg durch einen Tunnel und mehrere Kreisverke­hre, an mehrspurig­en Abbiegunge­n oder auf unmarkiert­en Straßen suchen. Eine Erweiterun­g von Januar 2019 an führt zusätzlich durch die Innenstadt und Wohngebiet­e und soll in einem nächsten Schritt auch Parkhäuser umfassen.

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