Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
In der Spur
Vor der Nordischen Ski-WM in Seefeld dem deutschen Team ganz nahe
Von der Seefelder Loipe hat der Wintersportler einen guten Blick auf die Schanzen. Dies ist der Moment, in dem die Beine trotz der heftigen Anstiege plötzlich nicht mehr schmerzen. Denn man ist einfach nur noch froh, dem deutschen Kombinierer Eric Frenzel und seinen Teamkollegen ausschließlich in der Loipe folgen zu müssen – und auf jegliche Sprungversuche verzichten zu können. Von 19. Februar bis 3. März findet in Seefeld in Tirol die Nordische Ski-WM statt. Dies ist ein Versuch, dem deutschen Team ganz nahe zu kommen und auf dessen Spuren zu wandeln.
Natürlich bucht der Deutsche Skiverband (DSV) für seine Sportler nicht blind irgendein Hotel im Internet. Jeder weiß, wie wichtig die Unterkunft ist. Die Athleten müssen sich wohlfühlen, Zimmer, Essen Infrastruktur und Umgebung sollten zu ihren Bedürfnissen passen. Seit gut 30 Jahren ziehen regelmäßig deutsche Wintersportler deshalb im Aktivhotel „Zum Gourmet“ein, wenn in Seefeld Wettkampf oder Trainingslager ist. „Als Seefeld den Zuschlag für die WM bekam, hat sich das deutsche Team sofort gemeldet und das komplette Haus reserviert“, erzählt Inhaber Mario Saurer.
Eine Suite namens Eric Frenzel
Einer der ersten sportlichen Gäste im heutigen Hotel war Mitte der 1980er-Jahre Hermann Weinbuch, damals selbst Weltmeister der Kombinierer, heute Bundestrainer. „Als Hermann kam, waren wir noch kein richtiges Hotel, hatten nur ein paar Gästezimmer.“Maurer erinnert sich, wie Weinbuch und seine Mannschaftskollegen eigenhändig die Skier wachsen mussten. Mittlerweile rückt der DSV mit einem großen Betreuerstab samt Sicherheitspersonal an. Die Sportler sind heute Stars. Nach Eric Frenzel ist sogar eine eigene Suite benannt, die er während der WM wieder beziehen wird. „Eric hat so viele Wettbewerbe in Seefeld gewonnen, dass wir gar nicht mehr wussten, was wir ihm schenken sollen. Also haben wir ihm die Suite gewidmet“, sagt Maurer.
Unser Wettkampftag startet mit einem ordentlichen Frühstück. Wir laden den Teller voll und können sicher sein, dass wir an diesem Punkt noch mit den Profis mithalten können. Kai Bracht, Sprungtrainer der Deutschen Kombinierer, hat uns vorab erklärt, dass seine Jungs gerne deftig mit Käse, Marmelade, Ei und Brot in den Tag starten. Zwei Stunden später beginnen wir unsere Aufwärmrunde am romantischen Seekirchl in Seefeld in Richtung Stadion. Alles flach, wir fühlen uns locker und beschwingt – bis die Zehn-KilometerWettkampf-Loipe der Kombinierer ansteht. Der einzige Gegner ist die Uhr, und das Ziel lautet: ohne Pausenstopps durchkommen und eine halbwegs ordentliche Zeit hinlegen. Bald geht es nur noch ums Durchhalten, die Uhr ist wurscht. Trotz Schneckentempo steigt der Pulsmesser bergaufwärts in den roten Bereich. Die Energiespeicher sind schnell leer. Am Ende kann von einem Sprint, wie er im Fernsehen oft zu sehen ist, nicht die Rede sein. Man schleppt sich Richtung Ziel und plumpst hinter der Linie wie ein nasser Sack in den Schnee. Obwohl es sofort einen Regenerationsshake gibt, fehlen Kraft und Motivation fürs Auslaufen. Wir beherzigen den Rat von Trainer Bracht, sogleich in trockene Kleidung zu schlüpfen und fahren ins Hotel zurück. Dort startet der angenehme Teil des Wettkampftages. Die deutschen Profis haben ihre eigenen Physiotherapeuten dabei, wir sind mit einer normalen Sportmassage und einer Runde Sauna vollauf zufrieden. Beim Abendessen erklärte Bracht, dass Sportler darauf achten müssen, ausgewogen zu essen. Suppe, Salate, Eiweiße und Kohlenhydrate stehen deshalb hauptsächlich auf dem Menüplan. Energiespeicher auffüllen und ab ins Bett.
Seefeld wirbt mit einem Langlaufnetz von 260 Kilometern. Es gibt Loipen für Nachtschwärmer und Hundehalter und ein weltweit einzigartiges Rettungssystem für Verletzte. Die beiden Schleifen, auf denen die WM-Läufe stattfinden, sind so breit wie Autobahnen. Die längere, blaue Runde misst fünf Kilometer, führt gen Süden Richtung Seewaldalm. Auf der gegenüberliegenden Seite loipeln die Langläufer auf 3,75 Kilometern durch den rot ausgeschilderten Kirchwald. Man darf sich von den Farben nicht irritieren lassen, sie sagen nichts über die Schwierigkeit aus. Es handelt sich um international gültige WM-Vorgaben, in denen auch Streckenlängen und Anspruch definiert sind. So müssen zum Beispiel zwingend Anstiege der Kategorie A mit mindestens 30 Höhenmetern am Stück angelegt sein. „Auf den WM-Loipen gibt es keine flachen Abschnitte. Es geht nur rauf oder runter“, erklärt Peter Schwandl, der die WM mitorganisiert hat. Er und seine Mitstreiter haben Trassen verlegt, ungünstige Loipen dicht gemacht und neue Spuren durch den Wald gezogen. Eine breite Brücke über die Bundesstraße ersetzt die alten, engen Unterführungen. Einige schwierige Anstiege lassen sich umfahren. „Touristen-Varianten“, nennt Schwandl die Alternativen und verspricht: „Von der WM profitieren am meisten unsere normalen Gäste.“
Seefeld zählt zu den berühmtesten Langlauf-Destinationen im Alpenraum. Bereits in den 1960er-Jahren legte die Region ein Loipennetz an, das heute den Hauptort mit den umliegenden Gemeinden Leutasch, Scharnitz, Mösern und Buchen verknüpft. Als 1964 und 1976 in Innsbruck die Olympischen Winterspiele gastierten, fanden die nordischen Wettbewerbe in Seefeld statt. 1985 war der Ort auf dem Tiroler Hochplateau an der Grenze zum bayerischen Mittenwald bereits Austragungsort für die Nordische Ski-WM. Walter Frenes hat alle drei Veranstaltungen als Tourismus-Chef erlebt und erinnert sich an erste Versuche: „Wir haben ein Snowmobil in Kanada gekauft und einen Mann mit Skiern drangehängt.“Später wurde der lebende Loipenspurer durch Bleiplatten ersetzt, und irgendwann gab es ein Spurgerät.
Werbung fürs Skiwandern
Damals versuchten die Seefelder, einen Volkssport mit sanftem Image zu etablieren. „Wir haben es Skiwandern getauft, weil Langlauf im TV zu brutal rüberkam. Die Fernsehzuschauer haben nur gesehen, wie die Sportler erschöpft im Ziel zusammenbrachen.“In den Jahren zwischen den beiden Olympischen Spielen von Innsbruck tourte Frenes durch die Alpen, um Mitstreiter zu gewinnen. In der Schweiz rannte er offene Türen ein, die benachbarten Bayern waren zurückhaltender. „Vielleicht war es gut für uns, weil heute viele Deutsche an Garmisch und Mittenwald vorbeifahren und zu uns zum Langlaufen kommen.“