Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Das Stubaital treibt’s gerne auf die Spitze
Vor dem Gletscher, auf dem schon Sir Edmund Hillary trainierte, baut sich ein prächtiges Panorama auf
Kalter Wind umtost den 3200 Meter hohen Gipfel. Der Blick von hier ist atemberaubend. Über unzählige Bergspitzen reicht die Sicht. Die Aussichtsplattform Top of Tyrol klebt waghalsig auf der Bergkuppe, steht sogar ein Stück darüber hinaus und ist eines der Aushängeschilder des Stubaitals und des dazugehörigen Skigebiets auf dem Stubaier Gletscher. Vom Zuckerhütl über die italienischen Dolomiten bis zum nebenan gelegenen Ötztal und dem Skigebiet Sölden baut sich das Panorama vor dem Betrachter auf. Vor dem Wind geschützt stehen Touristen in Skikleidung hinter den Scheiben der Bergstation ein paar Meter unterhalb der Plattform und versuchen, die Gebirgszüge anhand der Schautafeln zuzuordnen. Mutige nehmen wenig später die Treppe nach unten zur Skipiste, für die anderen gibt es einen kleinen, dafür aber weniger steilen, Umweg seitlich aus der Liftstation hinaus und hinein in ein Skigebiet, das Schneesicherheit und eine Skisaison von Oktober bis Juni verspricht.
Weltcup-Ort der Freestyler
Die Luft hier oben ist dünn, die Wintersportler atmen schwer, während sie ihr Sportgerät aus der Bergstation tragen. Ein kurzer Ziehweg um den Gipfel der Schaufelspitze führt zum kleinen Restaurant Jochdohle. Es ist das höchste Restaurant Österreichs. Bei Sonnenschein kann man von dort aus den waghalsigen Freestylefahrern zusehen, die sich im Snowpark Stubai Zoo von den meterhohen Rampen stürzen. Bereits zum zweiten Mal hat dort der Skizirkus des Freeski World Cups Halt gemacht. Weniger Wagemutige kehren dem Spektakel bald den Rücken und fahren die Pisten auf der anderen Seite der Schaufelspitze hinunter.
Die Schaufelspitze, die diesen Namen ihrer prägnanten Form zu verdanken hat, diente in den 1950er-Jahren dem neuseeländischen Entdecker Sir Edmund Hillary als Trainingsort. Er bezwang gemeinsam mit dem nepalesischen Sherpa Tenzing Norgay 1953 als erster Mensch den Mount Everest, den König der Seven Summits, der sieben höchsten Gipfel der Welt. Auch das Stubaital hat sieben Superlative, die Seven Summits Stubaital. Das sind sieben Gipfel, die eine Geschichte erzählen oder markant die Landschaft prägen. Darunter ist die von Goethe als Hochaltar Tirols bezeichnete Serles und der Elfer, der Hausberg von Neustift, an dem es sich im Winter vorzüglich Rodeln lässt. In der Hauptsaison sind die Naturrodelbahnen sogar mehrmals in der Woche mit Flutlicht ausgeleuchtet.
Das Stubaital hat sich die Familienfreundlichkeit auf die Fahnen geschrieben. Mehrfach ist es vom ADAC zum familienfreundlichsten Skigebiet der Alpen gekürt worden. Auf überdachten Zauberteppichen fahren Kinder am stürmischen Gletscher windgeschützt nach oben. In den Kinderskischulen wimmelt es von kleinen Skifahrern mit bunten Helmen. Konzentriert üben sie auf der flachen Piste ihre Schwünge. Selbst einen Funpark für die Kleinen gibt es. Überhaupt ist das Angebot für Familien groß: So fahren Kinder bis zehn Jahre umsonst im ganzen Skigebiet, wenn ein zahlendes Elternteil dabei ist. Die breiten Pisten, mal steiler mal flacher, bieten Anfängern wie Fortgeschrittenen ausgiebig Platz und lassen weite Schwünge zu.
Überall entsteht Neues
Echte Stubaier findet man auf den Pisten aber selten. „Im Sommer Baggerfahrer, im Winter Skilehrer“, sagt ein Sprichwort über die Menschen der Region. Und es gilt sinnbildlich für das gesamte Tal mit seinen vier Skigebieten. Überall entsteht Neues: Häuser, Lifte, Wanderwege. Besonders sichtbar ist das auch am Stubaier Gletscher. Erst 1973 ging die erste Seilbahn des Skigebiets in Betrieb, seitdem wurde der Gletscher nach und nach für den Wintersport erschlossen. Gewachsene Strukturen gibt es mangels sommerlicher Bewirtschaftung auf dem Gletscher nicht. Das erklärt auch die moderne Effizienz, mit der das Skigebiet glänzt. Die Seilbahnen sind schnell, teils beheizt und lange Wartezeiten sind ob der Größe des Skigebiets selten.
Stimmung unterm Schirm
Nach einem anstrengenden Skitag ist im Stubaital noch lange nicht Schluss. „Wir sehen uns unter dem Schirm“, rufen sich die Skifahrer vor der letzten Abfahrt zu. Gemeint ist damit die Bar am Parkplatz der Talstation Mutterbergalm. Unter einem riesigen Schirm feiern dort Hunderte Skifahrer ausgelassen zu einschlägiger Partymusik. Im Laufe des späten Nachmittags finden sich immer mehr Feierwütige ein, und die Kälte, die mit der Dunkelheit über ihnen hereinbricht, wird einfach weggetanzt. Um acht ist die Party jedoch beendet. Shuttlebusse bringen die Gäste zurück in ihre Hotels. Still liegt sie nun da, die Mutterbergalm. Oben, auf den Pisten des Gletschers, sind geisterhaft die Scheinwerfer der Pistenbullis zu sehen.