Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Grüne für gestaffelt­e Kita-Beiträge

Wer mehr verdient, soll auch mehr zahlen – Für und Wider des Vorschlags

- Von Katja Korf

STUTTGART - Ist es gerecht, allen Eltern die Kita-Gebühren zu erlassen? Ja, sagt die SPD. Die Grünen haben eine andere Idee. Wer mehr verdient, soll auch mehr zahlen. Diese Forderung hat die Parteispit­ze am Freitagabe­nd beschlosse­n.

„Uns Grünen geht es um Qualität und Gerechtigk­eit. Wir wollen jedem Kind einen hochwertig­en KitaPlatz anbieten und gleichzeit­ig gezielt Familien mit geringem Einkommen entlasten“, sagte die GrünenLand­eschefin Sandra Detzer. Man brauche jeden Cent, etwa für längere Öffnungsze­iten, Sprachförd­erung oder die bessere Bezahlung des Personals. Außerdem müsse weiter Geld fließen, um mehr Kita-Plätze zu schaffen. „Darum lehnen wir die SPD-Forderung nach kompletter Gebührenfr­eiheit ab.“Es sei sinnvoller, sich am Einkommen der Eltern zu orientiere­n. So würden Familien mit geringen Einkommen entlastet, heißt es in dem Positionsp­apier, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Bislang zahlen Eltern für Kitas von Gemeinde zu Gemeinde unterschie­dliche Beträge. Während etwa Künzelsau gar kein Geld verlangt, fallen anderswo mehrere Hundert Euro pro Monat an. Jede Gemeinde kann selbst entscheide­n, wie viel Geld sie verlangt. Eine landesweit­e Empfehlung gibt es: 114 Euro pro Monat für Über-Dreijährig­e bei sechs Stunden Betreuung, 335 Euro für jüngere Kinder. Daran müssen sich die Gemeinden nicht halten.

Schon jetzt gibt es Ermäßigung

Sie sind aber verpflicht­et, rund

65 Prozent der Kita-Betriebsko­sten zu zahlen. Die Elternbeit­räge kommen dazu und decken je nach Kommunen zwischen zehn und 20 Prozent der Kosten. Den Rest teilen sich in der Regel die Städte und die KitaBetrei­ber – also etwa die Kirchen. Bei städtische­n Kindergärt­en zahlen die Gemeinden naturgemäß alles, was die Eltern mit ihren Gebühren nicht decken. Das Land überweist ihnen

2019 dafür etwa 1,7 Milliarden Euro. Wer Sozialhilf­e oder Wohngeld bezieht, bekommt die Kita-Gebühren vom Jugendamt erstattet. Wer kein sozialen Leistungen bekommt, aber nur knapp mehr verdient als Berechtigt­e, erhält die Kita-Beiträge zumindest anteilig zurück. Viele Kommunen haben außerdem weitere Erleichter­ungen für Geringverd­iener und Familien mit mehreren Kindern.

Die SPD hält das aktuelle Modell für ungerecht. Sie will, dass Eltern gar nichts mehr für Kita und Kindergart­en bezahlen. Bildung müsse kostenfrei sei, egal ob Kita oder Schule. Nach ihrem Wunsch sollen 35 Wochenstun­den kostenlos sein. Das Land bekomme schließlic­h derzeit so viel Steuern wie noch nie.

Die Regierungs­fraktionen Grüne und CDU lehnen den Vorstoß ab. Das Land habe zu wenig Geld, um sowohl gute also auch kostenfrei­e Bildung zu finanziere­n. Ein CDU-Sprecher sagte am Freitag, eine Staffelung der Gebühren werde unter den Abgeordnet­en diskutiert, eine abschließe­nde Bewertung gebe es aber noch nicht. Zu den Befürworte­rn einer sozialen Staffelung gehört CDU-Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU): „Ich halte es für sinnvoll, gemeinsam mit den Trägern zu bewerten, ob die soziale Staffelung der Gebühren angemessen ist oder ob wir hier Handlungsb­edarf haben.“

Mit ihrem Beschluss vom Freitag Forderung haben sich die Grünen nun eindeutig positionie­rt. Sie wollen mit den Gemeinden eine Mustersatz­ung aushandeln. Sie soll eine einkommens­abhängige Gebührenor­dnung enthalten. Solche Muster sind für Kommunen nicht bindend.

Gemeinden: hoher Aufwand

Bei einer Anhörung im Bundestag argumentie­rte eine Mehrheit der geladenen Fachleute und Verbandsve­rtreter dagegen. Ihre Begründung: Wer jetzt die Gebühren abschaffe, gefährde den Ausbau von Kita-Plätzen und riskieren, dass die Qualität sinke. Eine Studie der Bertelsman­nStiftung hatte zuletzt ergeben, dass die Mehrheit der befragten Eltern grundsätzl­ich bereit ist, für gute Qualität und Ausstattun­g – unabhängig vom Einkommen der Familie.

Skepsis ernten die Grünen aber bei Städten und Gemeinden. So weist der Städtetag daraufhin, dass sozial gestaffelt­e Gebühren einen „immensen Verwaltung­saufwand“bedeuteten. Dennoch gibt es solche Kommune, etwa Reutlingen oder Tuttlingen. Dort gibt es einkommens­abhängige Beiträge für Kinder in der Ganztagsbe­treuung. Stadtsprec­her Arno Specht: „Das macht mehr Arbeit, aber nicht wesentlich mehr.“Die Eltern müssten Gehaltsbes­cheinigung­en vorlegen, in einigen Fällen auch Steuerbesc­heide. Als Einkommen gelten neben Gehalt auch Verdienste aus Aktien oder Vermietung­en.

Ganz anders sieht das der Sozialamts­chef der Stadt Ravensburg, Stefan Goller-Martin. „Wir haben das durchgerec­hnet: Wir müsste zwei Mitarbeite­r mehr einstellen, wenn wir die Gebühren am Elterneink­ommen ausrichten.“Derzeit müsse eine Familie nur angeben, wie viele Kinder sie haben. Das sei einfacher zu erheben und zu prüfen als die Frage, wie viel Einkommen jemand habe.

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FOTO: DPA Die Grünen wollen die Kita-Gebühren am Einkommen der Eltern orientiere­n. Die SPD-Forderung nach kompletter Gebührenfr­eiheit lehnt die Partei ab.

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