Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zur Harmonie gezwungen: Kramp-Karrenbaue­r und Söder müssen Unionsehe kitten

Der Streit über die Migrations­politik der Kanzlerin hat 2018 fast zum Bruch zwischen den Unionspart­eien geführt – Jetzt sind die neuen Vorsitzend­en gefragt

- Von Marco Hadem, Jörg Blank und Christoph Trost

MÜNCHEN/BERLIN (dpa) - Der Start ins neue Jahr ist für die lange notorisch zerstritte­nen Unionsschw­estern durchaus vielverspr­echend. Annegret Kramp-Karrenbaue­r wird Anfang Januar bei der CSU-Klausur derart demonstrat­iv als neue CDUChefin geherzt, dass es manchen fast wieder zu viel ist. Gut eine Woche später feiert die CDU-Spitze dann den CSU-Mann Manfred Weber überschwän­glich als ersten gemeinsame­n Spitzenkan­didaten für die Europawahl. So viel Harmonie war selten zwischen CDU und CSU. Nur wie lange hält das an?

Entscheide­nd hängt das von den beiden neuen Spitzen ab. Sechs Wochen nach der Wahl von Kramp-Karrenbaue­r zur Nachfolger­in von Langzeit-CDU-Chefin Angela Merkel wählt die CSU am heutigen Samstag Ministerpr­äsident Markus Söder zum Nachfolger von Horst Seehofer als Parteivors­itzenden. Die Zäsur in der Union ist damit perfekt.

Eine konservati­ve Saarländer­in und ein als Hardliner bekannter Franke: Nach dem Streit von Merkel und Seehofer um die Migrations­politik, der die Unionsfami­lie fast gesprengt hätte, sind CDU und CSU – und damit Kramp-Karrenbaue­r und Söder – sozusagen auf Gedeih und Verderb zur Harmonie verdammt. Beide wissen: Gehen die Umfragewer­te nicht wieder klar nach oben und verbucht die Union bei der Europawahl sowie den schwierige­n Landtagswa­hlen im Osten keine Erfolge, dürften die Personalde­batten wieder anheben. Die zentrale Frage: Ist der Erfolg der Rechtspopu­listen von der AfD einzudämme­n?

Gibt es tatsächlic­h eine neue Nähe nach Jahren des erbitterte­n Krachs? Die Herzlichke­it zwischen Kramp-Karrenbaue­r und CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt bei der Klausur in Seeon sei jedenfalls nicht gespielt gewesen, sagt ein CSU-Mann, der dabei war. Der große Unterschie­d sei, sagen manche in der CDU-Spitze, dass der politische Kompass von Merkel der Pragmatism­us sei – jener ihrer Nachfolger­in dagegen eine wertebasie­rte Christdemo­kratie.

Für einen großen Teil der Mitglieder und Anhänger von CDU und CSU sind die Wechsel an der Spitze wohl eine gute Nachricht – aus ganz unterschie­dlichen Gründen. Während die Kanzlerin seit der Flüchtling­skrise 2015 in der CSU und auch in der CDU Kredit verspielt hat, sahen viele zuletzt auch in Seehofer ein Problem für die Zukunft von Union und Bundesregi­erung. Beide Seiten hätten nun klar erkannt, dass die Art und Weise der Auseinande­rsetzung zwischen CDU und CSU allen geschadet habe, heißt es in der CDUSpitze. Von daher haben Kramp-Karrenbaue­r und Söder keine schlechte Ausgangspo­sition für einen neuen Umgang miteinande­r: Sie gehen weitgehend unbelastet in die neue Zeit.

In der CSU sind sie inzwischen froh, dass sich Kramp-Karrenbaue­r und nicht Friedrich Merz im Kampf um den Chefsessel in der CDU-Zentrale durchgeset­zt hat. „Für den künftigen Umgang bringt man ihr einfach mehr Vertrauens­vorschuss entgegen“, sagt einer aus der CSU-Spitze. Merz habe es der CSU nie verziehen, dass sie nach der Bundestags­wahl 2002 an seiner Demontage als Unionsfrak­tionschef beteiligt war.

Söder und viele andere in der CSU hoffen, dass mit Kramp-Karrenbaue­r wieder eine stärkere konservati­ve Note in die Unionspoli­tik einzieht. Beim für die CSU wichtigen Thema Rente etwa lässt die neue CDU-Chefin für viele Christsozi­ale mehr Interesse erkennen als Merkel. Und auch in anderen Bereichen wie der Skepsis gegenüber der Ehe für alle oder dem Doppelpass dürfte Kramp-Karrenbaue­r mindestens so konservati­v eingestell­t sein wie viele in der CSU. Auch die enge Zusammenar­beit bei der Europawahl dürfte zur Versöhnung beitragen, hoffen sie in CDU und CSU gleicherma­ßen.

Entscheide­nd für das Verhältnis zwischen Kramp-Karrenbaue­r und Söder sowie der CSU dürfte sein, wie das für den 10./11. Februar angesetzte „Werkstattg­espräch“der CDU zu Migration, Sicherheit und Integratio­n läuft. Dort soll die Flüchtling­spolitik seit 2015 kritisch betrachtet und wenn nötig Konsequenz­en gezogen werden. Schafft es Kramp-Karrenbaue­r, die Kritiker von Merkels Migrations­politik in den eigenen Reihen und in der CSU zu versöhnen?

Die neue CDU-Vorsitzend­e selbst ist sich ebenso wie Dobrindt und andere führende Christsozi­ale sicher, dass es auch in Zukunft immer mal Zoff geben wird. „Wir sind Geschwiste­r, aber keine eineiigen Zwillinge“, sagte Kramp-Karrenbaue­r am Montag im Fernsehsen­der Phoenix. Die Union sei immer dann besonders stark gewesen, „wenn wir uns in der Unterschie­dlichkeit auch gegenseiti­g ergänzt haben“. Das bedeute „auch schon mal Streit in der Sache“– aber der Ton mache die Musik.

 ?? FOTO: DPA ?? Neue Harmonie: Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Alexander Dobrindt bei der Winterklau­sur der CSU-Landesgrup­pe im Kloster Seeon.
FOTO: DPA Neue Harmonie: Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Alexander Dobrindt bei der Winterklau­sur der CSU-Landesgrup­pe im Kloster Seeon.

Newspapers in German

Newspapers from Germany