Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der nächste Anlauf
Bundestag stuft Maghreb-Staaten und Georgien als sicher ein – Was macht der Bundesrat?
BERLIN - Nach einem erfolglosen Anlauf versucht der Bundestag erneut, vier Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und AfD hat das Parlament am Freitag die Erweiterung der bisherigen Liste um Marokko, Tunesien, Algerien und Georgien beschlossen. Beim letzten Versuch vor zwei Jahren war die Einstufung der Maghreb-Staaten am Widerstand des Bundesrats gescheitert.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte, dass die Mehrheit der Asylbewerber aus diesen vier Ländern abgelehnt werde. „Über 97 Prozent der Asylanträge aus diesen Ländern sind von vornherein nur mit sehr, sehr geringer Erfolgsaussicht“, erklärte er im Bundestag. Ziel des Gesetzentwurfes sei es, die Asylverfahren und auch die Abschiebungen zu beschleunigen. Individuelle Anhörungen blieben dennoch möglich. Die Einstufung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten sei seinerzeit ein „großer Erfolg“gewesen. Der SPDInnenpolitiker Helge Lindh sekundierte, es sei „nicht sinnvoll, Menschen Perspektiven in Aussicht zu stellen, die realistisch nicht existieren“.
Kritik von Linken und Grünen
Teile der Opposition unterstützen den Plan, auch wenn sie aus unterschiedlichen Gründen Einwände vorbrachten. Der AfD-Innenpolitiker Lars Herrmann kritisierte, die Ablehnung des Asylantrags bedeute nicht die sofortige Abschiebung. Im Gegensatz zu den Westbalkan-Regelungen seien die Maghreb-Staaten nicht an der Rücknahme ihrer Staatsbürger interessiert und würden kaum bei der Feststellung der Identitäten helfen. Zudem gebe es kein Rückkehrprogramm.
Die migrationspolitische FDPSprecherin Linda Teuteberg bezweifelte, dass CDU und CSU die Kraft hätten, die Blockade der Länder mit grüner Regierungsbeteiligung in dieser Frage zu brechen. Für das schwarz-grüne Regierungsbündnis in Hessen habe man eine Entscheidung verzögert – und dann sei im dortigen Koalitionsvertrag doch vereinbart worden, sich bei dem Thema im Bundesrat zu enthalten.
Damit der Gesetzentwurf den Bundesrat passiert, müssen mindestens zwei Länder mit grüner Regierungsbeteiligung zustimmen. Das grün-schwarz-regierte Baden-Württemberg hat bereits seine Bereitschaft signalisiert. „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird an uns nicht scheitern“, sagte Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) am Freitag in Stuttgart.
Heftige Kritik kam hingegen von Linken und Grünen. Der Gesetzentwurf sei ein „Angriff auf den humanitären Schutzgedanken des Asylrechts“, schimpfte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke. Die „gravierenden Menschenrechtsverletzungen“in den nordafrikanischen Ländern würden von der Bundesregierung „rotzfrech verharmlost“. Als „Lehrstück für Populismus“geißelte Jelpkes grüne Amtskollegin Luise Amtsberg das Vorhaben. Die Zahl der Anträge aus den Staaten sei seit 2016 um 85 Prozent zurückgegangen. Es sei nicht zu verstehen, dass das weiterhin garantierte individuelle Anhörungsrecht nicht aus den beschleunigten Verfahren herausgelöst werde.
„Vorbereitungshaft“geplant
Unterdessen berichtete die „Bild“Zeitung von einem Plan des Bundesinnenministeriums, Abschiebungen zu verschärfen. Demnach sollen Asylbewerber, die ihre Identität verschleiern oder nicht an der Beschaffung von Ersatzpapieren mitwirken,
als „ausreisepflichtig“eingestuft werden und nicht mehr als „geduldet“. Zudem sollen sie in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden und die Abschiebehaft auf bis zu sechs Monate ausgedehnt werden können. Des Weiteren sei geplant, dass ausreisepflichtige Straftäter künftig eine Fußfessel erhalten können. Der Plan, eine „Vorbereitungshaft“ohne Richterbeschluss für Terrorverdächtige und Identitätstäuscher einzuführen, dürfte jedoch juristische Fragen aufwerfen.