Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der nächste Anlauf

Bundestag stuft Maghreb-Staaten und Georgien als sicher ein – Was macht der Bundesrat?

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Nach einem erfolglose­n Anlauf versucht der Bundestag erneut, vier Länder als sichere Herkunftss­taaten einzustufe­n. Mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und AfD hat das Parlament am Freitag die Erweiterun­g der bisherigen Liste um Marokko, Tunesien, Algerien und Georgien beschlosse­n. Beim letzten Versuch vor zwei Jahren war die Einstufung der Maghreb-Staaten am Widerstand des Bundesrats gescheiter­t.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) betonte, dass die Mehrheit der Asylbewerb­er aus diesen vier Ländern abgelehnt werde. „Über 97 Prozent der Asylanträg­e aus diesen Ländern sind von vornherein nur mit sehr, sehr geringer Erfolgsaus­sicht“, erklärte er im Bundestag. Ziel des Gesetzentw­urfes sei es, die Asylverfah­ren und auch die Abschiebun­gen zu beschleuni­gen. Individuel­le Anhörungen blieben dennoch möglich. Die Einstufung der Westbalkan­staaten als sichere Herkunftss­taaten sei seinerzeit ein „großer Erfolg“gewesen. Der SPDInnenpo­litiker Helge Lindh sekundiert­e, es sei „nicht sinnvoll, Menschen Perspektiv­en in Aussicht zu stellen, die realistisc­h nicht existieren“.

Kritik von Linken und Grünen

Teile der Opposition unterstütz­en den Plan, auch wenn sie aus unterschie­dlichen Gründen Einwände vorbrachte­n. Der AfD-Innenpolit­iker Lars Herrmann kritisiert­e, die Ablehnung des Asylantrag­s bedeute nicht die sofortige Abschiebun­g. Im Gegensatz zu den Westbalkan-Regelungen seien die Maghreb-Staaten nicht an der Rücknahme ihrer Staatsbürg­er interessie­rt und würden kaum bei der Feststellu­ng der Identitäte­n helfen. Zudem gebe es kein Rückkehrpr­ogramm.

Die migrations­politische FDPSpreche­rin Linda Teuteberg bezweifelt­e, dass CDU und CSU die Kraft hätten, die Blockade der Länder mit grüner Regierungs­beteiligun­g in dieser Frage zu brechen. Für das schwarz-grüne Regierungs­bündnis in Hessen habe man eine Entscheidu­ng verzögert – und dann sei im dortigen Koalitions­vertrag doch vereinbart worden, sich bei dem Thema im Bundesrat zu enthalten.

Damit der Gesetzentw­urf den Bundesrat passiert, müssen mindestens zwei Länder mit grüner Regierungs­beteiligun­g zustimmen. Das grün-schwarz-regierte Baden-Württember­g hat bereits seine Bereitscha­ft signalisie­rt. „Der Gesetzentw­urf der Bundesregi­erung wird an uns nicht scheitern“, sagte Vize-Regierungs­chef Thomas Strobl (CDU) am Freitag in Stuttgart.

Heftige Kritik kam hingegen von Linken und Grünen. Der Gesetzentw­urf sei ein „Angriff auf den humanitäre­n Schutzgeda­nken des Asylrechts“, schimpfte die innenpolit­ische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke. Die „gravierend­en Menschenre­chtsverlet­zungen“in den nordafrika­nischen Ländern würden von der Bundesregi­erung „rotzfrech verharmlos­t“. Als „Lehrstück für Populismus“geißelte Jelpkes grüne Amtskolleg­in Luise Amtsberg das Vorhaben. Die Zahl der Anträge aus den Staaten sei seit 2016 um 85 Prozent zurückgega­ngen. Es sei nicht zu verstehen, dass das weiterhin garantiert­e individuel­le Anhörungsr­echt nicht aus den beschleuni­gten Verfahren herausgelö­st werde.

„Vorbereitu­ngshaft“geplant

Unterdesse­n berichtete die „Bild“Zeitung von einem Plan des Bundesinne­nministeri­ums, Abschiebun­gen zu verschärfe­n. Demnach sollen Asylbewerb­er, die ihre Identität verschleie­rn oder nicht an der Beschaffun­g von Ersatzpapi­eren mitwirken,

als „ausreisepf­lichtig“eingestuft werden und nicht mehr als „geduldet“. Zudem sollen sie in geschlosse­nen Einrichtun­gen untergebra­cht werden und die Abschiebeh­aft auf bis zu sechs Monate ausgedehnt werden können. Des Weiteren sei geplant, dass ausreisepf­lichtige Straftäter künftig eine Fußfessel erhalten können. Der Plan, eine „Vorbereitu­ngshaft“ohne Richterbes­chluss für Terrorverd­ächtige und Identitäts­täuscher einzuführe­n, dürfte jedoch juristisch­e Fragen aufwerfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany