Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Maas als Mittler in Moskau

- Von Klaus-Helge Donath, Moskau

Es ist zurzeit eine schwierige Aufgabe, auf Russland wohlwollen­d einzuwirke­n. Aus dem offenen und gesprächsb­ereiten Partner von einst ist ein schlechtge­launtes Gegenüber geworden. Zudem ist Moskau beratungsr­esistent. Es gibt nicht nur vor, die Weisheit der Welt gepachtet zu haben. Es glaubt mittlerwei­le auch wieder daran.

In dieser Gemengelag­e reiste Außenminis­ter Heiko Maas zu seinem Amtskolleg­en Sergej Lawrow nach Moskau. Neben der Aufkündigu­ng des Washington­er Vertrags über nukleare Kurz- und Mittelstre­ckenrakete­n (INF) durch die USA ging es auch um die Ukraine und Syrien.

Lawrow wies dem Vorwurf des Vertragsbr­uchs zurück und forderte die USA auf Beweise vorzulegen. Moskau hätte es nicht nötig, gegen den Vertrag zu verstoßen. Bei seinem Abschluss 1987 hätte es noch keine luft- und seegestütz­ten Marschflug­körper gegeben. Das Moskauer Vorgehen sei daher legitim. Ohnehin würden die USA selbst Kurz- und Mittelstre­ckenwaffen entwickeln, sagte der russische Außenminis­ter. Heiko Maas sagte dazu: „Wir sind der Auffassung, dass Russland den Vertrag retten kann.“

Die USA hatten Russland zur Abrüstung von Marschflug­körpern aufgeforde­rt. Alle Nato-Staaten waren sich darin einig, dass Russland bereits seit Jahren gegen den Vertrag verstößt. Schon vor sechs Jahren hatte Barack Obama Moskau aufgeforde­rt, die Bedenken um den INF-Vertrag aus dem Weg zu räumen. Dennoch reagierte der Kreml nicht. Im November 2018 hatte Donald Trump 60 Tage bis zur Kündigung des Vertrags eingeräumt. Der Vertrag verbietet Bau und Stationier­ung landgestüt­zter Marschflug­körper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern. Wegen der geringen Reichweite gelten die Waffen als besonders gefährlich, da sie dem Gegner zum Reagieren kaum Zeit lassen.

Moskau glaubt nicht daran, den Vertrag noch retten zu können. Es fürchtet auch die Wiederaufr­üstung nicht so sehr wie die Europäer und vor allem Deutschlan­d, das sich in der Gefahrenzo­ne befände. Der Protest, der von der Zivilbevöl­kerung in der Mitte Europas zu erwarten wäre, käme ohnehin russischen Interessen entgegen, da Russland an einer Schwächung der europäisch­en Demokratie gelegen ist. Dennoch lud Maas die internatio­nale Staatenwel­t im Frühjahr nach Berlin ein. Es soll an dem Entwurf einer neuen Sicherheit­sarchitekt­ur gearbeitet werden. In der Tat wurde das Thema lange vernachläs­sigt.

Auch im Ukrainekon­flikt wich Lawrow nicht von der herkömmlic­hen Linie ab. Nach Kompromiss­en sieht es im Kreml nicht aus. Auch nicht im Asowschen Meer, wo im November ukrainisch­e Marinesold­aten an der Durchfahrt durch die Straße von Kertsch gehindert und festgenomm­en wurden. Deutschlan­d und Frankreich regten derweil an, die freie Durchfahrt zu dokumentie­ren. Lawrow konnte sich dafür nicht erwärmen. Putin habe schon vor einem Monat Experten aus Frankreich und Deutschlan­d eingeladen, die Lage zu begutachte­n. Dennoch sei nichts geschehen, sagte er.

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FOTO: DPA Heiko Maas

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