Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Im Zen-Kloster ist alles Meditation
Das Kloster Eihei-Ji ist in Japan berühmt. Hier lebte und lehrte im 13. Jahrhundert Dogen Zenji, ein berühmter Meister des ZenBuddhismus. Und hier, zur Wiege des Zen-Buddhismus, kommen gerne auch Besucher aus dem Westen her, um die Meditationspraxis Zazen („stilles Dasitzen“) zu erlernen und zwar so, wie das Westler eben gerne so machen: übers Wochenende.
„Wer da hingeht“, erklärte mir einer der Mönche in Bukkoku-Ji, dem Kloster, in dem ich 2001 zwei Monate als Laienschüler verbrachte, lachend „wer da hingeht übers Wochenende, wird aber nicht mit dem Kyosaku geschlagen.“Der Kyosaku ist ein langer Holzstock mit einem flachen Ende und im Zen-Kloster ein wichtiges Instrument der Meditation.
Während der 40 Minuten langen Meditationsperioden, in denen Mönche und Schüler still dasitzen und sich ihrer Achtsamkeitspraxis widmen, kann es vorkommen, dass der Geist des einen oder anderen auf und davon wandert oder schlichtweg vor Müdigkeit einschläft. Merkt das der Aufsicht führende Mönch, stellt er sich hinter den schlummernd Meditierenden oder krumm Dasitzenden, legt ihm das flache Ende des Kyosakus auf die Schulter – damit dieser sich aufrecht hinsetzt und die Schultern lockert – und dann gibt es einen satten Hieb auf die Schultermuskulatur: Zunächst ein dumpfer Schmerz, dann strömt Blut in die Schultern und in den Kopf und es wird überall warm. Wunderbar, nun kann es frohen Mutes und wachen Geistes weitergehen mit dem stillen Dasitzen.
Der Kyosaku, der Holzstock, ist keineswegs eine Strafe. Er ist ein Hilfsmittel. Tatsächlich bitten die meisten Meditierenden im ZenKloster den diensthabenden Kyosaku-Mönch aus eigener Motivation darum, ihnen einen Hieb zu verpassen. Dazu müssen sie lediglich die Hände falten, wenn er in der Nähe ist, damit er dem Wunsch entspricht. Aber die Touristen in Eihei-Ji, die viel Geld für Kurse ausgeben, um die Zen-Meditation zu erlernen, die werden offensichtlich nicht geschlagen. „Die wollen, dass die Touristen wiederkommen“, sagte der Mönch, der DoShin hieß und für die Blumen in den Zeremonienräumen des Klosters zuständig war.
Meditation hat in einem ZenKloster nichts mit Wellness oder Entspannung zu tun, sondern mit spiritueller Praxis. Und das gilt nicht nur für die fünf täglichen Einheiten Zazen (während der sieben Meditationswochen, genannt Sesshin, sind es elf Einheiten täglich). Sondern auch für jede andere Tätigkeit, sei es Frühsport, Putzdienst, Küchendienst, Feldarbeit oder gar die Latrinen zu entleeren und mit großen Plastikkübeln – gehängt an Bambusstangen auf den Schultern – als Dünger auf die Felder zu tragen.
Im Zen-Buddhismus ist alles Meditation. Und egal, was du zu tun hast, es gibt nur eine Regel: Schenke dem, was du tust, deine vollumfängliche Aufmerksamkeit.