Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ein eigener Elektromotor treibt den Caravan an
Hymer, Dethleffs und Carthago stellen auf der Freizeitmesse CMT in Stuttgart ihre neuen Fahrzeuge vor
Rekorde und außergewöhnliches Wachstum, dazu mehr als rosige Aussichten für das laufende Jahr: Die Stimmung innerhalb der deutschen Caravaningbranche könnte auf der noch bis zum morgigen Sonntag laufenden Stuttgarter Freizeitmesse CMT kaum besser sein. Zahlreiche dort vorgestellte Neuheiten sollen den Trend zu Wohnmobil und Caravan weiter befeuern.
71 186 Freizeitfahrzeuge wurden
2018 in Deutschland neu zugelassen, knapp 47 000 Reisemobile und mehr als 24 000 Wohnwagen. Das, erklärt Hermann Pfaff, der Präsident des Caravaning Industrie Verbandes, auf der CMT, entspricht einem Anstieg von 12,5 Prozent und einer Verdoppelung innerhalb der letzten zehn Jahre. Für 2019 erwartet er das „sechste Rekordjahr in Folge“mit geschätzten 77 000 Neuzulassungen. Der Umsatz kletterte gleichzeitig auf den neuen Bestwert von 11,2 Milliarden Euro. Eine Entwicklung, die ebenfalls vom Export getragen wurde, auch wenn sich dort die Absatzzahlen nur um 7,3 Prozent nach oben bewegten.
An Ideen, um diesen ungebremsten Aufschwung fortführen zu können, mangelt es der Branche in Stuttgart jedenfalls nicht. Dabei muss es ja nicht gleich das Wohnmobil-Cabrio (ab 128 520 Euro) der Firma Skydancer sein. Oder Iridium, das erste serienmäßige Elektro-Reisemobil, das mit einer Akkuladung rund 300 Kilometer weit schnurren soll und ab 169 000 Euro erhältlich ist. Spielt doch die vermeintliche Dieselproblematik – obwohl nahezu alle Wohnmobile mit einem Selbstzünder unterwegs sind – offenbar keine größere Rolle bei den Kunden, wie die heimischen Hersteller Dethleffs (Isny), Hymer (Bad Waldsee) und Carthago (Aulendorf) unisono auf der CMT versichern.
Dessen ungeachtet beschäftigen sich die – in Kooperation mit dem Friedrichshafener Autozulieferer ZF – mit dem Thema Elektromobilität und stellen in Stuttgart die Studie „e.home coco“vor: einen kleinen Caravan, der mit Hochleistungsbatterien, zwei Naben-Elektromotoren und einer intelligenten Steuerungselektronik ausgestattet wurde. Die Vorteile dieses
Dethleffs-Ingenieure
angetriebenen Wohnwagens: Die Anhängelast des Zugfahrzeugs kann erheblich reduziert werden, sodass am Ende gar ein Elektroauto den Caravan ans Urlaubsziel ziehen kann. Gleichzeitig soll das System – ähnlich einem ESP – das gefürchtete Aufschaukeln verhindern und das autonome Rangieren auf dem Campingplatz ermöglichen. Daheim soll „e.home coco“dann auch noch als Stromspeicher der Photovoltaikanlage fungieren.
Auf dem Sprinter aufgebaut
Keine Zukunftsmusik sind hingegen die anderen Neuheiten bei Dethleffs. Mit dem kompakten Teilintegrierten Globeline, der in der Länge knapp unter sieben Meter misst und in der 3,5-Tonnen-Klasse rollt, baut der Isnyer Hersteller erstmals auf dem Mercedes Sprinter auf – und profitiert damit nicht nur von hoher Konnektivität und Heckantrieb, sondern auch von den umfangreichen Hilfssystemen, die vom aktiven Bremsüber Spurhalte-, Verkehrszeichenund Seitenwindassistenten bis hin zum Abstandstempomaten reichen. Und bei den Caravans hat es Zuwachs in der „Erfolgsbaureihe c’go“gegeben, so Marketingleiter Helge Vester: Zwei Hubbett-Grundrisse im c’go up schaffen sechs oder sieben Schlafplätze bei einer Gesamtlänge von 6,83 oder 7,57 Metern.
wichtigste Innovation in Stuttgart ist ebenfalls im Caravanbereich zu finden. Eriba – so heißt die Caravansparte der Bad Waldseer – präsentiert dort den Touring 820, „das neue Flaggschiff “, wie Geschäftsbereichsleiter Rudi Fimpel sagt. Die Baureihe mit der typischen, aerodynamisch runden Formgebung wird seit über 60 Jahren durchgängig produziert und gilt als die erfolgreichste des Unternehmens.
„Der 820 stellt diese Baureihe in Sachen Größe, Design und Funktion nun auf ein neues Level“, so Fimpel. Mit 8,48 Metern Aufbaulänge misst er fast drei Meter mehr als die bisher größten Touring-Modelle. Im Innenraum bietet er zudem eine Stehhöhe von über zwei Metern. Der auf einer Doppelachse ruhende Caravan schraubt das zulässige Gesamtgewicht auf bis zu 2800 Kilogramm. Besonders prägnant wirken die üppigen Fensterfronten in Bug und Heck, die eher runde Möblierung erinnert an den modernen Yachtbau, und die hohen Polster sind serienmäßig mit Leder bezogen. Zu den technischen Innovationen zählen unter anderem die Hubstützanlage mit automatischer
Hymers
Nivellierung sowie die Smarthome-Steuerung.
Bei den Reisemobilen verstärkt Hymer die Zusammenarbeit mit Mercedes: Zwei neue Grundrisse der B-Klasse Modern Comfort sind in Stuttgart zu sehen, die den SprinterTriebkopf mit dem eigenen SLC Chassis kombinieren. Und auch der Teilintegrierte ML-T baut neuerdings auf dem Sprinter auf und ist – für einen Aufpreis von über 11 000 Euro – auch als Allradler verfügbar. Dann gibt’s 8,5 Zentimeter mehr Bodenfreiheit und eine Optik, die fast schon an einen robusten Geländewagen denken lässt. „Der Wohnmobilist will eben individuell und frei sein in der Natur“, sagt Produktmanager Sebastian Beller dazu.
Ausgeprägter Wunsch nach Luxus
Diesen Anspruch dürften auch die Kunden von erheben – gepaart mit einem stark ausgeprägten Wunsch nach Luxus. Dem will der Premiumhersteller gern nachkommen, wie Geschäftsführer Bernd Wuschack auf der CMT betont. Über den noblen Mercedes Sprinter – neben Fiat Ducato und Iveco Daily – wird auch in Aulendorf nachgedacht. „Der passt natürlich perfekt zu unserem Image“, sagt Wuschack.
Carthago
Das gilt nicht minder für den chic c-line, den Bestseller von Carthago, der innen und außen komplett erneuert wurde. Besonders auffällig ist dabei die Bus-Optik im Heckbereich. Die Länge der Reisemobile kann so um 13 Zentimeter schrumpfen, was entweder der Handlichkeit beim Fahren oder – bei unveränderten Außenmaßen – dem Platz im Innenraum zugutekommt. Größere Betten, Kleiderschränke oder üppigere Duschen sind die Folge. Drei elegante Interieurlinien sollen garantieren, dass auch verwöhnte Kunden auf ihre Kosten kommen. Gleichzeitig sorgt ein neuer AL-KO Tiefrahmen, dessen Höhe 44 Millimeter niedriger liegt, für mehr Stauraum. Das Modellprogramm des c-line umfasst nun 15 Integrierte (6,85 bis 8,65 Meter) sowie drei Teilintegrierte (7,34 bis 7,43 Meter).
Weitergekommen ist Carthago auch beim Thema Leichtbau. Die Fliegengewichte c-compactline und c-tourer haben bis zu 40 Kilo verloren, die nun für die Reise zugeladen werden können. „Ein schwieriger Prozess, in der Premiumklasse Gewicht einzusparen, ohne auf Qualität zu verzichten“, sagt Wuschack. Aber das Problem haben ja nicht nur Wohnmobilbauer.