Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kritik am Tierwohl-Label

Agrarminis­terin Klöckner präsentier­t staatliche­s Logo

- Von Hanna Gersmann

BERLIN (dpa/sz) - Supermarkt­kunden sollen Schweinefl­eisch aus besserer Tierhaltun­g ab 2020 an einem neuen staatliche­n Logo erkennen können. Das „Tierwohlke­nnzeichen“soll von der Geburt bis zur Schlachtun­g höhere Standards über den gesetzlich­en Pflichten garantiere­n, wie Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) am Mittwoch in Berlin sagte. Dazu gehören mehr Platz im Stall und Vorgaben für Transporte. Das Logo soll es in drei Stufen mit jeweils steigenden Anforderun­gen geben.

Umwelt- und Verbrauche­rschützer und die Opposition übten Kritik. Sie monierten, dass die Vorgaben für Landwirte nicht verpflicht­end sein sollen. Laut dem Bauernverb­and kann das Label ein „erster Schritt“zu einer flächendec­kenden Kennzeichn­ung sein. Das teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.

BERLIN - Was für ein Schweinele­ben es war? Dem Schnitzel im Kühlregal sieht man das nur selten an. Das soll sich ändern. CDU-Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner hat am Mittwoch ein staatliche­s Tierwohlla­bel vorgestell­t. Das gilt zunächst nur fürs Schwein. Doch immerhin mehr als die Hälfte der 60 Kilo Fleisch, die der Durchschni­ttsdeutsch­e pro Jahr isst, kommt von dem Borstenvie­h, genauer: 36 Kilo im Jahr. Und ein Siegel fürs Huhn oder fürs Rind soll folgen. Ein Überblick über die wichtigste­n Punkte.

Was das Logo regeln soll

Das Logo gebe „Orientieru­ng“, meinte Klöckner, jeder könne „sich bewusst entscheide­n“, ob er für mehr Tierwohl mehr Geld ausgeben wolle. Das Gütesiegel bezieht sich auf den gesamten Weg des Tiers – von der Geburt bis zur Schlachtun­g. Dabei gilt grundsätzl­ich: Das neue Label darf auf der Fleischver­packung nur prangen, wenn das Schwein es auf allen Stationen seines Lebens besser hatte, als es die gesetzlich­en Mindeststa­ndards vorschreib­en. Im einzelnen gibt es drei verschiede­ne Stufen, abhängig von 13 Kriterien. Dazu gehören etwa der Platz im Stall, das Futter, die Tiergesund­heit, die Art des Transports und die Schlachtun­g. Was heißt das genau fürs Schwein? Beispiele:

Platz im Stall

Es soll weniger eng werden. Das Tier bekommt in der Stufe eins 20 Prozent mehr Platz, in Stufe zwei 47 Prozent, in Stufe drei 91 Prozent, und ab

30 Kilo Gewicht auch einen Auslauf nach draußen. Das geht Tierschütz­ern nicht weit genug. Katrin Wenz vom Bund für Umwelt und Naturschut­z rechnet beispielsw­eise vor: „Für ein Mastschwei­n, das bis zu 110 Kilogramm wiegt, sind in der ersten Stufe nur

0,90 Quadratmet­er eingeplant. Das ist viel zu wenig.“

40 Prozent Platz müssten es schon sein, damit es den Tieren besser gehe.

Die Ferkelkast­ration

Millionen männliche Ferkel werden in Deutschlan­d kurz nach der Geburt kastriert, damit das Fleisch nicht den strengen Geruch eines Ebers annimmt – ohne jegliche Betäubung. Für das neue Gütesiegel ist sie grundsätzl­ich tabu. Die Bauern können ihre Tiere stattdesse­n zum Beispiel impfen oder bei der „Entmannung“betäuben.

Die Ringelschw­änze

Damit Schweine einander nicht im Gedränge anknabbern, wird in deutschen Ställen oft der Ringelschw­anz gekürzt. Das ist in den Stufen zwei und drei des neuen Logos untersagt, in der Stufe eins nicht. Das ärgert viele. Gerald Wehde von Bioland, dem größten Ökoanbauve­rband Deutschlan­ds, zum Beispiel verweist darf, dass das sogenannte Kupieren nach Vorgaben der EU schon seit 2008 nur noch in absoluten Ausnahmefä­llen zulässig sein soll.

Tiertransp­orte

Schweine sind auf Lastwagen über weite Strecken unterwegs, bis zu 24 Stunden am Stück sind erlaubt, Tränken und Einstreu erst ab acht Stunden vorgeschri­eben. Doch bei Tieren, deren Fleisch das Gütesiegel trägt, dürfen es nicht mehr als acht Stunden Fahrt sein, ab vier Stunden müssen Wasser und Einstreu im Laster da sein. Das gilt für alle Stufen. Ob sich viel ändert, hängt freilich damit zusammen, wie stark das überwacht wird. Geplant sind regelmäßig­e Kontrollen.

Die Schlachtun­g

Immer wieder tauchen geheim gedrehte Videos auf, die scheußlich­e Bilder aus Schlachthö­fen zeigen. Tiere sind dann zum Beispiel nicht richtig betäubt, kommen vor dem eigentlich­en Schlachten wieder zu sich. Um das Gütesiegel zu erhalten, sollen unter anderem von jedem Schwein Videoaufna­hmen gemacht werden. Der Tod der Tiere muss durch „anerkannte Verfahren“erfolgen bevor die Tiere zerlegt und weitervera­rbeitet werden. Das gilt für alle Stufen, also von der ersten bis zur dritten.

Freiwillig­keit

Anders als bei rohen Eiern soll die Kennzeichn­ung nicht verpflicht­end sein. In Dänemark und den Niederland­en, sagte Ministerin Klöckner, gebe es ähnliche Systeme. Dort würden rund 20 Prozent des Fleischs gelabelt. Zudem gäben gut 80 Prozent der Deutschen in Umfragen an, dass sie gerne wüssten, ob das Fleisch auf ihren Tellern von artgerecht gehaltenen Tieren kommt. Jetzt müsse sich zeigen, ob die Verbrauche­r auf das Label tatsächlic­h achten. In den Supermarkt­regalen wird das staatliche Sauwohl-Label – dessen Form derzeit designt wird –

ab 2020 auftauchen. Lebensmitt­elhandels (Rewe, Aldi, Netto, Penny, Edeka, Kaufland, Lidl, Penny und Wasgau). Die Initiative unterstütz­t Landwirte finanziell dabei, über die gesetzlich­en Standards nen Jahr Fleischken­nzeichnung­en eingeführt. Mit einem vierstufig­en

Haltungsko­mpass sollen Kunden erkennen können, wie Tiere vor der Schlachtun­g gehalten wurden. Stufe eins entspricht nur den gesetzlich­en Bestimmung­en, Stufe vier den gesetzlich­en Bestimmung­en für Biofleisch. Das Problem: Bei Tests von Verbrauche­rorganisat­ionen fand sich in den Kühlregale­n der Discounter nur Fleisch der Stufe eins.

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FOTO: ILJA SIEGEMUND Das neue Tierwohl- Label betrifft zu Beginn nur die Schweineha­ltung – und soll dann ausgeweite­t werden.

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