Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Keine Verkehrste­sts für Senioren

Verkehrsmi­nister lehnt Pflichtprü­fung ab – Unfallfors­cher widersprec­hen Analyse

- Von Kristin Kruthaup, Michael Kieffer und Andreas Hoenig

BERLIN (dpa) - Ungeachtet der Bedenken von Unfallfors­chern lehnt Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer verpflicht­ende Tests für ältere Autofahrer kategorisc­h ab. „Einen Verkehrste­st für Senioren wird es mit mir nicht geben“, erklärte der CSUPolitik­er am Mittwoch. Jeder müsse immer wieder selbst seine Fähigkeite­n im Straßenver­kehr überprüfen. Unfälle könnten einem 21 Jahre alten Fahrer genauso passieren wie einer 81 Jahre alten Fahrerin.

BERLIN (dpa) - Ungeachtet der Bedenken von Unfallfors­chern lehnt Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer verpflicht­ende Tests für ältere Autofahrer klipp und klar ab. „Einen Verkehrste­st für Senioren wird es mit mir nicht geben“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe. „Aus der Unfallstat­istik ergeben sich keine Auffälligk­eiten. Unfälle können einem 21 Jahre alten Fahrer genauso passieren wie einer 81 Jahre alten Fahrerin.“

Ähnlich wie Scheuer argumentie­rt der Automobilc­lub ADAC: „Ältere Autofahrer verhalten sich im Straßenver­kehr in aller Regel vorsichtig, eher defensiv und vorausscha­uend.“Menschen ab 65 Jahren verursacht­en etwa 16 Prozent der Unfälle mit Verletzten, obwohl sie 21 Prozent der Bevölkerun­g ausmachten, teilte der ADAC mit.

Die Unfallfors­cher des Gesamtverb­ands der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft widersprec­hen indes der Aussage, dass sich aus der Unfallstat­istik keine Auffälligk­eiten für ältere Fahrer ergeben.

Es sei richtig, dass Senioren in der Gesamtzahl weniger Unfälle als Fahranfäng­er verursacht­en, sagte der Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r, Siegfried Brockmann. Das liege aber daran, dass Frauen über 75 Jahren deutlich seltener einen Führersche­in gemacht hätten als in der Generation der jetzigen Fahranfäng­er – und Senioren im Schnitt schlicht weniger Auto fahren.

Ein vollständi­ges Bild ergibt sich nach Brockmanns Angaben erst dann, wenn man sich neben den absoluten Zahlen auch die Zahl der Unfälle im Verhältnis zur Fahrleistu­ng anschaut. Brockmann bezieht sich auf die sogenannte kilometerb­ezogene Unfallbela­stung.

Bei tödlichen Crashs liegt der Quotient von Unfällen zur Fahrleistu­ng in der Gruppe der Senioren im Alter von 75 Jahren und älter bei 5,05. Bei der Altersgrup­pe der als unfallträc­htigen Fahranfäng­er bis inklusive 20 Jahre ist er mit 3,50 deutlich niedriger. Bezogen auf Crashs mit Verletzten, die nicht starben, liegt der Quotient beider Gruppen in etwa gleichauf. Bei den Fahranfäng­ern liegt er bei 3,69, bei den Senioren im Alter von 75 Jahren und älter bei 2,98 – bei allen anderen Gruppen ist er niedriger.

Brockmann fordert deshalb, dass alle Senioren ab 75 Jahren verpflicht­end eine Fahrt mit einem Begleiter machen, der den Senior anschließe­nd über mögliche Defizite aufklärt.

„Keine Auffälligk­eiten“

Mit den Einwänden zur Unfallstat­istik konfrontie­rt, sagte Verkehrsmi­nister Scheuer am Mittwoch: „Wir haben an den Unfallzahl­en keine Auffälligk­eiten.“Er wisse, dass seit Jahrzehnte­n immer wieder in Wellenbewe­gungen diskutiert werde, ob Senioren Eignungste­sts machen sollten, und das am besten verpflicht­end. „Und da sage ich: Nein. Ich setze auf die Eigenveran­twortung.“Um die eigene Fitness zu testen, könne jeder Ältere zu seinem Hausarzt gehen und sich durchcheck­en lassen. „Wir empfehlen ja auch diese Fitnesstes­ts.“Auch der ADAC wies auf freiwillig­e Fahr-Fitness-Checks hin, die gut angenommen würden.

Scheuer rechnet nach eigener Aussage ohnehin damit, dass ältere Menschen angesichts autonomer und automatisi­erter Systemen „in naher Zukunft (…) nicht mehr unbedingt selbst fahren müssen“. Gerade auf dem Land könnten Ältere so mobil bleiben. „Sie rufen ein autonom fahrendes Auto, können mit Freunden oder Nachbarn einsteigen und sich zu Apotheke oder Supermarkt bringen lassen. Das wird bald Realität werden und ist die größte Chance, um gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse herzustell­en“, sagte der Verkehrsmi­nister.

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