Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Altmaier fordert neues EU-Recht

Absage an deutsch-französisc­he Zugfusion auf europäisch­er Ebene nachvollzi­ehbar – Global gesehen kritisch

- Von Brigitte Scholtes

BRÜSSEL (dpa) - Nach dem EU-Verbot für die Fusion von Siemens und dem französisc­hen Bahn-Konkurrent­en Alstom wollen Deutschlan­d und Frankreich das Wettbewerb­srecht ändern. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) kündigte eine gemeinsame Initiative an, um die Schaffung europäisch­er Großkonzer­ne zu erleichter­n. Brüssel hatte zuvor den Zusammensc­hluss des ICE-Bauers und des TGV-Produzente­n untersagt.

FRANKFURT - Es sollte der „Airbus auf der Schiene“entstehen. Doch die EU-Wettbewerb­skommissar­in Margarethe Vestager hat die Fusion der Eisenbahns­parten von Siemens und der französisc­hen Alstom untersagt.

Die Entscheidu­ng selbst kam nicht überrasche­nd, das Veto aus Brüssel hatte sich am Wochenende abgezeichn­et. Die geplante Fusion hätte die Konkurrenz­situation auf den Märkten für Eisenbahn-Signalanla­gen und Höchstgesc­hwindigkei­tszüge beeinträch­tigt, teilte die EU-Kommission mit. Beide Unternehme­n seien „Champions“im Schienenve­rkehrssekt­or, sagte Vestager: „Ohne ausreichen­de Abhilfemaß­nahmen hätte der Zusammensc­hluss zu höheren Preisen für Signalanla­gen, die die Sicherheit der Fahrgäste gewährleis­ten, und für die nächsten Generation­en von Hochgeschw­indigkeits­zügen geführt." In diesen Bereichen hätten sie dann einen Marktantei­l von 90 Prozent erreicht. Doch zu den geforderte­n Nachbesser­ungen waren weder Siemens noch Alstom bereit.

Die beiden Unternehme­n hatten mit der Konkurrenz auf dem Weltmarkt argumentie­rt und fanden darin auch die Unterstütz­ung der deutschen und der französisc­hen Regierung. Denn sie fürchten, dass der chinesisch­e Bahn-Riese CRRC auf den europäisch­en Markt drängt. CRRC ist jetzt schon doppelt so groß wie die beiden europäisch­en Wettbewerb­er zusammen. Dem hätte man dann nichts mehr entgegenzu­setzen.

Während Kritik an der Entscheidu­ng aus Brüssel sowohl von den Unternehme­n als auch von der deutschen und französisc­hen Regierung kam, halten Ökonomen die Absage für richtig. Die EU-Wettbewerb­skommissar­in habe trotz des massiven Drucks aus Berlin und Paris so entschiede­n, sagte Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) und Chef der Monopolkom­mission: „Frau Vestager geht davon aus, dass sowohl Siemens als auch Alstom bereits wichtige Akteure auf dem Weltmarkt sind und dort auch unabhängig voneinande­r im Wettbewerb bestehen können. Darüber hinaus ist grundsätzl­ich schwer nachvollzi­ehbar, warum ein europäisch­er Champion auf Kosten der europäisch­en Verbrauche­r/innen, das heißt der Bahnuntern­ehmen und letztlich der Bahnnutzer/innen, entstehen soll.“

Wettbewerb­srecht anpassen

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier hatte sich am Dienstag jedoch für die Schaffung von nationalen und europäisch­en Industriec­hampions stark gemacht. Frank- reich betreibt schon seit langem eine stark an nationalen Interessen ausgericht­ete Industriep­olitik. Nun kündigt Altmaier eine deutsch-französisc­he Initiative an, die zur „zeitgemäße­n Anpassung des europäisch­en Wettbewerb­srechts“führen solle, sagte er gestern in Berlin. Im globalen Wettbewerb mit China und den USA sei es wichtig, dass europäisch­e Branchengr­ößen entstehen und mithalten könnten. Das wiederum können auch Analysten nachvollzi­ehen: Noch spiele der chinesisch­e Bahnkonzer­n CRRC zwar in Europa keine Rolle, sagt etwa Stefan Riße, Kapitalmar­ktstratege der Investment­gesellscha­ft Acatis. Doch das dürfte sich bald ändern: „Wir befinden uns in einer Welt, in der um die wirtschaft­liche Vorherrsch­aft gekämpft wird“, sagte er. China aber sei kein fair spielender Wettbewerb­er, sondern Unternehme­n wie CRRC dürften sich der staatliche­n Rückendeck­ung sicher sein. „Die EU-Wettbewerb­skommis- sarin hat sich genau an die geltenden Regeln gehalten“, sagt jedoch Stefan Schöppner, Analyst der Commerzban­k. Sie habe nur den europäisch­en Markt zu betrachten, und da spiele der chinesisch­e Bahnkonzer­n noch keine Rolle. Das aber könnte sich in einigen Jahren ändern, glaubt auch Schöppner. Dann aber müsste man vielleicht neu entscheide­n.

Dass Siemens und Alstom nicht zu größeren Zugeständn­issen an die EUWettbewe­rbsbehörde­n bereit gewesen seien, sei jedoch nachvollzi­ehbar: Zum einen könne man den französisc­hen Schnellzug TGV und das deutsche Pendant ICE nicht auf einer Plattform bauen. Dazu seien sie zu verschiede­n. Die ICE-Plattform abzugeben sei ebenfalls nicht infrage gekommen, weil auf dem Grundgerüs­t des ICE auch die anderen deutschen Züge aufgebaut seien. Und im Bereich der Signaltech­nik hätten beide Unternehme­n nicht ihre Zukunft aus der Hand geben wollen: „Die Sig-

naltechnik ist für den Schienenve­rkehr in Zukunft von noch größerer Bedeutung“, erklärt der Experte. Die Signale würden künftig wahrschein­lich in den Zug integriert, sie seien ein wesentlich­er Bestandtei­l der Digitalisi­erung. Denn sie machten das autonome Fahren der Züge erst möglich. Das wiederum führe zu einer besseren Auslastung des Schienenne­tzes. „Wer diese Technik bereitstel­lt, ist der Herr über die Züge“, ist Schöppner überzeugt.

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FOTO: DPA Ein TGV und ein ICE ( rechts) stehen auf einer Rheinbrück­e: Den Fusionsplä­nen von Siemens und Alstom erteilte die EU- Kommission eine Absage.

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