Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Andreas Nahles stellt ihren Plan für eine Hartz-IV-Reform vor
Die SPD-Fraktionschefin will Arbeitslosen länger mehr Geld zahlen – Union, FDP und Wirtschaftsvertreter kritisieren das
BERLIN (dpa) - SPD-Chefin Andrea Nahles will die von Kanzler Gerhard Schröder eingeführte Hartz-IV-Reform überwinden und Arbeitslosen mehr Geld zahlen. „Wir wollen Hartz IV hinter uns lassen und ein neues Bürgergeld schaffen“, sagte Nahles am Mittwoch bei einem Besuch in Eisenach. Sie will, dass älteren Arbeitslosen bis zu 33 Monate das Arbeitslosengeld I gezahlt werden soll, sie will mehr Qualifizierungsangebote und weniger Strafen. Bürger, die lange gearbeitet haben, würden heute nach einem Jahr so behandelt wie Menschen, die nicht gearbeitet haben, kritisiert Nahles. Aus der Union kam klare Ablehnung: Damit würden die Erfolge in der Arbeitsmarktpolitik aufs Spiel gesetzt.
„Wer 58 Jahre alt ist, kann heute 24 Monate lang Arbeitslosengeld I be- ziehen. Wir wollen den Bezugszeitraum auf bis zu 33 Monate verlängern“, sagte Nahles dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). In Einzelfällen könne die Bezugsdauer sogar auf drei Jahre steigen. Das ALG I ist weit höher als der Regelsatz für Hartz IV – es orientiert sich am letzten Arbeitslohn.
Das Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich oft Hartz IV genannt, wurde 2005 unter Schröder eingeführt. Dabei wurde die Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe zusammengelegt, um Milliarden zu sparen. Viele in der SPD sehen in den Reformen der damaligen rot-grünen Regierung einen Grund für den Vertrauensverlust der Partei. Langjährige Beitragszahler fallen dadurch viel schneller als früher auf das Hartz-IVNiveau.
Zugleich wird in der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und dem Druck, sich schneller um eine neue Arbeit zu bemühen („Fördern und Fordern“), ein Grundstein für die gute Arbeitsmarktentwicklung seither gesehen.
Nahles will statt Hartz IV ein neues Bürgergeld als zentrale Stütze schaffen. Damit könnte der Absturz auf das Niveau der Grundsicherung – der Hartz-IV-Satz beträgt 424 Euro im Monat – gerade bei älteren Bürgern weit nach hinten verschoben werden. Es würde aber auch Milliarden kosten.
Blume befürchtet „Sanierungsfall“
Scharf war die Kritik bei Union, FDP und Wirtschaft. „Das Programm von Frau Nahles würde Deutschland zum Sanierungsfall machen“, sagte CSUGeneralsekretär Markus Blume in München. „Die Erfolge am Arbeitsmarkt, die Hartz IV erreicht hat, dürfen nicht gefährdet werden“, betonte Blume. „Es ist falsch, am Grundsatz des Förderns und Forderns zu rütteln. Die SPD sollte konstruktiv den Koalitionsvertrag umsetzen, anstatt jeden Tag neue unausgegorene Vorschläge durch die Medien zu jagen“, sagte Blume. Auch der CDU-Wirtschaftsflügel lehnte die Vorschläge klar ab.
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte, verlängerte Warteschleifen verfestigten Arbeitslosigkeit. Er sei allerdings offen für eine Vereinfachung der Grundsicherung. Nahles schlägt eine zentrale Anlaufstelle vor. Der Chef des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Ulrich Walwei, verwies auf zahlreiche Studien, die belegte, dass eine Verlängerung der Bezugsdauer auch zu einer Verlängerung der Arbeitslosigkeit führe. Er sagte: „Alles, was die Gefahr längerer Arbeitslosigkeit erhöht, geht da in die falsche Richtung.“