Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gemeindera­t lehnt Windkrafta­nlage ab

Die Bitzer sind nicht bereit, den geplanten Winterling­er Windpark zu akzeptiere­n – Sowohl Bürger als auch Gemeinderä­te stehen dem Projekt ablehnend gegenüber

- Von Gudrun Stoll

BITZ - Gut hundert Bürger haben am Dienstagab­end, 5. Februar, die Sondersitz­ung des Gemeindera­tes verfolgt. Sie sind stinksauer auf die Winterling­er Nachbarn, die ihnen sieben Windräder vor die Nase setzen wollen mit knapp 240 Metern Höhe die derzeit höchsten, die in Deutschlan­d gebaut werden. Auch Bürgermeis­ter Hubert Schiele und dem Gemeindera­t stößt das Verfahren bitter auf: In- nerhalb kürzester Zeit musste die Gemeinde die von „Vortex Windpark Winterling­en-Alb“beim Landratsam­t eingereich­ten Unterlagen prüfen. Die Gemeinde Bitz hat keine Entscheidu­ngsbefugni­sse bezüglich der Genehmigun­g der sieben Windräder im nahen Wald. Bitz wird angehört als Anrainerge­meinde, hat aber viele Vorbehalte gegen das Projekt.

Für die Stellungna­hme hat sich die Verwaltung daher Zeit genom- men und mit deren Formulieru­ng eine Rechtsanwa­ltskanzlei beauftragt. Dass im Bitzer Rathaus sorgfältig geprüft und abgewogen wurde, obwohl die Uhr tickt – die Stellungna­hme muss am 11. Februar beim Landratsam­t vorliegen, daher auch die Sondersitz­ung – goutierten gestern Abend die Vertreter der Bitzer Bürgerinit­iative mit Lob und die zahlreiche­n Zuhörer mit Applaus. Wie zu erwarten war, hat der Gemeindera­t die im Grundtenor ablehnende Stellungna­hme einstimmig befürworte­t. Weitaus schärfer als gedacht fiel die Kritik an den Winterling­er Kollegen aus, die vorige Woche das Baugesuch ohne Diskussion genehmigt haben. Die Bitzer seien betroffen und beeinträch­tigt, der Hof Hermannslu­st in seiner Existenz gefährdet, zeigte sich Wolfgang Ziemen fassungslo­s, dass die Winterling­er die Genehmigun­g quasi durchgewun­ken haben. „Gute Nachbarsch­aft sieht anders aus“, sprach der Bürgermeis­terstellve­rtreter aus, was auch Ratskolleg­e Herbert Maute und mit ihm viele Bitzer denken.

Da bewegt sich was

Reiner Plankenhor­n bat den Bürgermeis­ter, die Stellungna­hme zu ergänzen um die Befürchtun­g, dass der Windpark zu einem Wertverlus­t der Immobilien führt. Gemeindera­t SinMoo Choi schließlic­h richtete sein Augenmerk auf den Artenschut­z. Gerade dieser Aspekt scheint auch die Naturschut­zverbände auf den Plan gebracht zu haben. „Da bewegt sich was“, informiert­e Bürgermeis­ter Hubert Schiele. Die Gemeinde und der Gemeindera­t haben in der Stellungna­hme ihre Sorge formuliert, dass die sieben Windräder durch den Schattenwu­rf den nahen Hof Hermannslu­st beeinträch­tigen und die Richtwerte überschrit­ten werden. Daher fordert Bitz den Bau einer Abschaltau­tomatik.

Moniert wird, dass in den Genehmigun­gsunterlag­en keine Aussagen zu möglichen Lichtrefle­xen getroffen werden. Eingeforde­rt wird außerdem eine Absicherun­g der Anlagen, um Gefahren durch Eisabfall zu verhindern. In den eingereich­ten Unterlagen vermissen die Bitzer des Weiteren Aussagen über die Tragfähigk­eit des Baugrunds: Das Gelände liegt in der Erdbebenzo­ne III. Die Bitzer sehen auch die geplanten Ausgleichm­aßnahmen zum Schutz von Tieren, Natur, Grundwasse­r und Boden als unzureiche­nd und zu vage begründet an. Im Gebiet, auf dem die Anlagen entstehen sollen, sind als geschützte Tierarten die Haselmaus, verschiede­ne Fledermaus­arten, Rotmilan, Wespenbuss­ard und Uhu nachgewies­en. Entstehen soll der Windpark in Zone III des Wasserschu­tzgebietes, was eine Stellungna­hme der Wasserschu­tzbehörde zwingend voraussetz­e. Wie schnell im Karstgebie­t etwas passieren kann, habe die Verunreini­gung der Gallusquel­le durch Gülle exemplaris­ch vorgeführt, erinnerte der Bürgermeis­ter an den Zwischenfa­ll im Mai 2018.

Nur vage Aussagen

Ein Gutachten über die Windhöffig­keit hält Vortex unter Verschluss. In der Bitzer Stellungna­hme heißt es wörtlich: „Hinsichtli­ch der Wirtschaft­lichkeit des geplanten Windparks wird ein Bericht zur Windmessun­g, Dauer und Ergebnisse benötigt. Bisher liegt lediglich eine vage Stellungna­hme von EuroWind vor, die kein Wind- und Ertragsgut­achten ersetzt. Damit ist nicht zu beurteilen, ob hier überhaupt eine Wirtschaft­lichkeit einer Windkrafta­nlage vorliegt.“Die Unwirtscha­ftlichkeit einer solchen Anlage stelle jedoch einen wesentlich­en Versagungs­grund dar. Damit liege hier ein maßgeblich­er Beurteilun­gsgrund für die Ge- nehmigungs­fähigkeit der Anlage im Dunkeln. Die geplanten sieben Windenergi­eanlagen beeinträch­tigen aufgrund ihrer Größe und ihres Umfangs das Landschaft­sbild erheblich, von der Gemeinde Bitz aus werde eine unverstell­te Alpensicht in einmaliger Lage verbaut.

Eine Beachtung der entspreche­nden öffentlich­en und privaten Belange sei bisher nicht erfolgt, heißt es weiter. Nach Auffassung der Gemeinde und der Rechtsanwä­lte steht das Baugesuch auch im Widerspruc­h zum Landesentw­icklungspl­an 2002, werden auch Zweifel erhoben, ob das Projekt mit den Vorgaben im Regionalpl­an Neckar-Alb konform geht. Die zwölf Punkte umfassende Stellungna­hme kommt zum Schluss, dass maßgeblich­e Punkte des Antrags nicht abschließe­nd belegt, begutachte­t oder geklärt sind und damit auch ein Sofortvoll­zug unzulässig wäre. „Nicht mit uns“– der Protest der Bitzer war greifbar. Nach der Sitzung jedenfalls suchten viele Bürger Rat bei den protesterp­robten Mitglieder­n der Bürgerinit­iative, um im Anhörungsv­erfahren ihrer Stimme Gewicht zu verleihen. Zu Wort meldet sich nun auch der Luftsportv­erein Degerfeld, der um die Sicherheit des Flugbetrie­bs fürchtet.

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FOTO: GUDRUN STOLL Das Winterling­er Windparkpr­ojekt treibt die Bitzer um: Gut hundert protestber­eite Bürger kommen zur Sondersitz­ung des Gemeindera­ts, in der dieser seine ablehnende Haltung formuliert.

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