Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Bitter für eine Frau

- Von Anna-Lena Janisch

Ilse Lippert darf nicht auf die Stange. Für ein diamantene­s Hochzeitsp­aar aus Sigmaringe­n bedeutet die Einzelfall-Entscheidu­ng der Zunft: Lieber keiner von beiden als eine Frau. Das ist bitter. Dabei umfasst die Tradition des historisch­en Bräutelns ja nicht nur die Männer, sondern es ist das Bräutlings­paar, das gemeinsam zum Brauch eingeladen wird. Logisch, denn ohne den weiblichen Gegenpart gäbe es ja keine Vermählung und somit wiederum keine Tradition des Bräutelns (das Wort leitet sich ja auch vom Wort „Braut“ab).

Hätte eine einzige Ausnahme die Tradition direkt „verwässert“? Wenn ja, mit welcher Konsequenz? Und: Mit welchem Recht darf man an jedem Aspekt eines Brauchs festhalten? All das sind Fragen, mit denen sich die Zunft sicher beschäftig­t hat. Ganz früher wurden die Bräutlinge in die Donau oder den Brunnen geworfen – diesen Brauch hat man ebenso aufgeweich­t wie die Tatsache, dass immer wieder neue Gruppen und Figuren das Gesicht der Zunft verändern. Ein Verein – er lebt, und lässt sich nicht unter der Patina vergangene­r Zeiten konservier­en. Zugute halten muss man den Verantwort­lichen, dass mit dem Bräuteln des 15jährigen Enkels quasi auch eine Ausnahme von der Regel gemacht werden soll.

Für den Einzelfall Lippert ist das eine entgegenko­mmende, versöhnlic­he Geste. Traditiona­listen müssten sich aber konsequent­erweise nun fragen: Wieso einen unverheira­teten Minderjähr­igen auf die Stange lassen – und nicht gleich eine Frau?

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