Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bitter für eine Frau
Ilse Lippert darf nicht auf die Stange. Für ein diamantenes Hochzeitspaar aus Sigmaringen bedeutet die Einzelfall-Entscheidung der Zunft: Lieber keiner von beiden als eine Frau. Das ist bitter. Dabei umfasst die Tradition des historischen Bräutelns ja nicht nur die Männer, sondern es ist das Bräutlingspaar, das gemeinsam zum Brauch eingeladen wird. Logisch, denn ohne den weiblichen Gegenpart gäbe es ja keine Vermählung und somit wiederum keine Tradition des Bräutelns (das Wort leitet sich ja auch vom Wort „Braut“ab).
Hätte eine einzige Ausnahme die Tradition direkt „verwässert“? Wenn ja, mit welcher Konsequenz? Und: Mit welchem Recht darf man an jedem Aspekt eines Brauchs festhalten? All das sind Fragen, mit denen sich die Zunft sicher beschäftigt hat. Ganz früher wurden die Bräutlinge in die Donau oder den Brunnen geworfen – diesen Brauch hat man ebenso aufgeweicht wie die Tatsache, dass immer wieder neue Gruppen und Figuren das Gesicht der Zunft verändern. Ein Verein – er lebt, und lässt sich nicht unter der Patina vergangener Zeiten konservieren. Zugute halten muss man den Verantwortlichen, dass mit dem Bräuteln des 15jährigen Enkels quasi auch eine Ausnahme von der Regel gemacht werden soll.
Für den Einzelfall Lippert ist das eine entgegenkommende, versöhnliche Geste. Traditionalisten müssten sich aber konsequenterweise nun fragen: Wieso einen unverheirateten Minderjährigen auf die Stange lassen – und nicht gleich eine Frau?