Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Frauen sind einbezogen

- Von Michael Hescheler

Es ist so eine Sache mit den Ausnahmen. Wenn man möchte, dass eine Regel gebrochen wird, dann muss man nur Ausnahmen erlauben. Und Stück für Stück wird die Regel ausgehöhlt. Wenn man Ilse Lippert eine Ausnahme zugestande­n hätte – wofür es ja durchaus Argumente gibt – dann könnten und müssten die Bräutlings­gesellen ab sofort alle verheirate­te Frauen um den Brunnen tragen. Ich will an dieser Stelle nicht zu sehr mit der Tradition argumentie­ren, sondern stärker differenzi­eren, aber der Vetter Guser ist nun mal zur Pflege der Bräutlings­tradition gegründet worden. Warum sollte die Zunft also in ihrem innersten Kern etwas verändern?

Zumal das Hochamt der Semerenger Fasnet sehr wohl für (Ehe-) Paare ist. Beide Seiten sind in den Akt eingebunde­n. Sie treffen sich zum gemeinsame­n Frühstück, werden von der Zunft auf den Marktplatz geleitet. Während des eigentlich­en Bräutelns ist die Frau nicht ausgeschlo­ssen, sie wird vielmehr als Ehrengast auf dem Rathausbal­kon einbezogen. Sogar die Moderatore­n beziehen beide Seiten in das Prozedere ein.

Es ist auch nicht so, dass die Zunft das Anliegen von Ilse Lippert ignoriert: Ihr Enkel wird ihren Mann auf der Stange vertreten. Streng genommen ist auch das mit der Tradition unvereinba­r. Trotzdem springt der Vetter Guser über seinen Schatten, was wiederum zeigt, wie tief verwurzelt er in der Gesellscha­ft ist. Ob es ihr passt oder nicht – Ilse Lippert muss beim Bräuteln auf dem Rathausbal­kon zusehen.

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