Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Landwirte fürchten Betriebssterben
Bürokratischer Aufwand steigt durch neue Verordnungen – Betroffene äußern Bedenken
HETTINGEN - Zwei neue Verordnungen verpflichten zahlreiche Landwirte in Baden-Württemberg dazu, ihr Düngeverhalten und weitere Daten zu erfassen und auf Anforderung der Behörden vorzulegen. Betroffene kritisieren den damit verbundenen Aufwand und die Kosten, kommen um die neuen Vorgaben aber nicht herum. Ihre Befürchtung: Sollte die Menge an Auflagen weiter zunehmen, droht weiteren landwirtschaftlichen Betrieben das Aus.
Um Details der neuen Verordnungen zu erläutern und mögliche Missverständnisse auszuräumen, bietet das Landratsamt Sigmaringen zurzeit Informationsveranstaltungen für Landwirte an. Im Januar standen Behördenvertreter bereits Rede und Antwort in Heudorf (Meßkirch), Hohentengen und Aach-Linz (Pfullendorf). Am Dienstag informierte Pflanzenbau-Experte Hans-Peter Eller rund 40 Zuhörer im Schützenhaus in Hettingen. „Im Landkreis gibt es etwa 1400 landwirtschaftliche Betriebe“, sagt er. „Unser Ziel ist es, möglichst viele dieser Landwirte zu erreichen und ihnen dabei zu helfen, die Vorgaben einzuhalten.“Je mehr die Landwirte richtig machten, desto weniger Ärger drohe bei möglichen Kontrollen. Und so sollen dabei am Ende alle Beteiligten profitieren.
Ein wichtiger Punkt für die Landwirte ist die sogenannte Stoffstrombilanz. Diese gibt Aufschluss darüber, wie Betriebe mit stickstoff- und phosphathaltigen Nährstoffen umgehen. Die Einführung der entsprechenden Verordnung soll dafür sorgen, dass die Landwirte zum Beispiel effizient Dünger, Futter und Pflanzenhilfsmittel einsetzen. Oberstes Ziel ist es, die Gewässer vor zu viel Nitrat durch Dünger zu schützen. Ob Betriebe schon jetzt oder erst ab 2023 eine Stoffstrombilanz erstellen müssen, hängt unter anderem von ihrer Größe ab und davon, ob und wie viele Tiere sie halten.
Beratungspflicht bei Verstößen
Neu ist außerdem die Pflicht für viele landwirtschaftliche Betriebe, vor der ersten Düngung im Frühjahr eine Düngebedarfsberechnung zu erstellen – für jede einzelne Kultur einschließlich Grünland und Feldfutter. Mithilfe einer entsprechenden Software müssen die Landwirte zahlreiche Daten erfassen, darunter den Anteil von Stickstoff, Ammoniumstickstoff und Phosphat in ihren Düngemitteln. „Wenn sie zu viel Phosphat einsetzen, könnte das für viele Betroffene zum Problem werden“, sagt Hans-Peter Eller. Wer die Grenzwerte nicht einhalte, müsse sich beraten lassen. Zeige auch das keine Erfolge, drohe eine Geldstrafe. Bei der Düngeverordnung zeige die Erfahrung, dass gewisse Angaben oft fehlten oder falsch sind. „Bewusste Verstöße gibt es hingegen eher selten.“
Dass sie bestimmte Daten erfassen und auf Verlangen vorzeigen müssen, ist für viele Landwirte grundsätzlich nichts Neues. „Die geforderten Angaben müssen wir aber immer detaillierter aufschlüsseln“, sagt einer von ihnen am Rande der Informationsveranstaltung in Hettingen. „Die Erfassung macht viel Arbeit und ist sehr komplex – da können schnell Fehler passieren“, sagt auch Siegfried Flöß, Nebenerwerbslandwirt aus Inneringen. Zwar könne die Datenerfassung auch an einen externen Dienstleister vergeben werden, doch das koste schließlich wieder Geld. „Geld, das der Landwirt dann erst wieder verdienen muss.“
Ottmar Pfister, Landwirt aus Bingen bei Sigmaringen, sieht die Datenerfassung grundsätzlich gelassen. „Vieles mussten wir auch bislang schon dokumentieren – zum Beispiel bei der Teilnahme an bestimmten Förderprogrammen“, sagt er. Allerdings bezweifle er, dass die Erfassung der Daten auch tatsächlich den gewünschten Erfolg bringe. „Jeder Landwirt muss doch eigentlich jetzt schon wissen, wie viel Dünger er einsetzt. Sonst würde er ja mehr oder weniger blind durch die Gegend fahren“, sagt Pfister. „Ich bin skeptisch, ob die Gesamtbilanz durch die Auswertung der Daten deutlich besser wird.“
Ärger über schlechtes Image
Grundsätzlich kritisieren die Landwirte, dass der bürokratische Aufwand ständig steigt, während sie mit ihrem Image zunehmend zu kämpfen haben. „Der eine oder andere wird früher oder später sagen: Das tue ich mir nicht mehr an“, sagt Siegfried Flöß. Gehe es um die Nitrat-Belastung der Gewässer, die FeinstaubBelastung der Luft oder Aspekte der Tierhaltung, würden Landwirte auch noch an den Pranger gestellt.
„Viele von uns stellen sich dabei die Frage: Wo fängt denn Massentierhaltung an?“, sagt Siegfried Flöß. Er und seine Kollegen würden sich wünschen, dass ihre Arbeit endlich wieder die Anerkennung bekommt, die sie verdient – ganz unabhängig von allen Daten und Verordnungen.