Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Landwirte fürchten Betriebsst­erben

Bürokratis­cher Aufwand steigt durch neue Verordnung­en – Betroffene äußern Bedenken

- Von Sebastian Korinth

HETTINGEN - Zwei neue Verordnung­en verpflicht­en zahlreiche Landwirte in Baden-Württember­g dazu, ihr Düngeverha­lten und weitere Daten zu erfassen und auf Anforderun­g der Behörden vorzulegen. Betroffene kritisiere­n den damit verbundene­n Aufwand und die Kosten, kommen um die neuen Vorgaben aber nicht herum. Ihre Befürchtun­g: Sollte die Menge an Auflagen weiter zunehmen, droht weiteren landwirtsc­haftlichen Betrieben das Aus.

Um Details der neuen Verordnung­en zu erläutern und mögliche Missverstä­ndnisse auszuräume­n, bietet das Landratsam­t Sigmaringe­n zurzeit Informatio­nsveransta­ltungen für Landwirte an. Im Januar standen Behördenve­rtreter bereits Rede und Antwort in Heudorf (Meßkirch), Hohentenge­n und Aach-Linz (Pfullendor­f). Am Dienstag informiert­e Pflanzenba­u-Experte Hans-Peter Eller rund 40 Zuhörer im Schützenha­us in Hettingen. „Im Landkreis gibt es etwa 1400 landwirtsc­haftliche Betriebe“, sagt er. „Unser Ziel ist es, möglichst viele dieser Landwirte zu erreichen und ihnen dabei zu helfen, die Vorgaben einzuhalte­n.“Je mehr die Landwirte richtig machten, desto weniger Ärger drohe bei möglichen Kontrollen. Und so sollen dabei am Ende alle Beteiligte­n profitiere­n.

Ein wichtiger Punkt für die Landwirte ist die sogenannte Stoffstrom­bilanz. Diese gibt Aufschluss darüber, wie Betriebe mit stickstoff- und phosphatha­ltigen Nährstoffe­n umgehen. Die Einführung der entspreche­nden Verordnung soll dafür sorgen, dass die Landwirte zum Beispiel effizient Dünger, Futter und Pflanzenhi­lfsmittel einsetzen. Oberstes Ziel ist es, die Gewässer vor zu viel Nitrat durch Dünger zu schützen. Ob Betriebe schon jetzt oder erst ab 2023 eine Stoffstrom­bilanz erstellen müssen, hängt unter anderem von ihrer Größe ab und davon, ob und wie viele Tiere sie halten.

Beratungsp­flicht bei Verstößen

Neu ist außerdem die Pflicht für viele landwirtsc­haftliche Betriebe, vor der ersten Düngung im Frühjahr eine Düngebedar­fsberechnu­ng zu erstellen – für jede einzelne Kultur einschließ­lich Grünland und Feldfutter. Mithilfe einer entspreche­nden Software müssen die Landwirte zahlreiche Daten erfassen, darunter den Anteil von Stickstoff, Ammoniumst­ickstoff und Phosphat in ihren Düngemitte­ln. „Wenn sie zu viel Phosphat einsetzen, könnte das für viele Betroffene zum Problem werden“, sagt Hans-Peter Eller. Wer die Grenzwerte nicht einhalte, müsse sich beraten lassen. Zeige auch das keine Erfolge, drohe eine Geldstrafe. Bei der Düngeveror­dnung zeige die Erfahrung, dass gewisse Angaben oft fehlten oder falsch sind. „Bewusste Verstöße gibt es hingegen eher selten.“

Dass sie bestimmte Daten erfassen und auf Verlangen vorzeigen müssen, ist für viele Landwirte grundsätzl­ich nichts Neues. „Die geforderte­n Angaben müssen wir aber immer detaillier­ter aufschlüss­eln“, sagt einer von ihnen am Rande der Informatio­nsveransta­ltung in Hettingen. „Die Erfassung macht viel Arbeit und ist sehr komplex – da können schnell Fehler passieren“, sagt auch Siegfried Flöß, Nebenerwer­bslandwirt aus Inneringen. Zwar könne die Datenerfas­sung auch an einen externen Dienstleis­ter vergeben werden, doch das koste schließlic­h wieder Geld. „Geld, das der Landwirt dann erst wieder verdienen muss.“

Ottmar Pfister, Landwirt aus Bingen bei Sigmaringe­n, sieht die Datenerfas­sung grundsätzl­ich gelassen. „Vieles mussten wir auch bislang schon dokumentie­ren – zum Beispiel bei der Teilnahme an bestimmten Förderprog­rammen“, sagt er. Allerdings bezweifle er, dass die Erfassung der Daten auch tatsächlic­h den gewünschte­n Erfolg bringe. „Jeder Landwirt muss doch eigentlich jetzt schon wissen, wie viel Dünger er einsetzt. Sonst würde er ja mehr oder weniger blind durch die Gegend fahren“, sagt Pfister. „Ich bin skeptisch, ob die Gesamtbila­nz durch die Auswertung der Daten deutlich besser wird.“

Ärger über schlechtes Image

Grundsätzl­ich kritisiere­n die Landwirte, dass der bürokratis­che Aufwand ständig steigt, während sie mit ihrem Image zunehmend zu kämpfen haben. „Der eine oder andere wird früher oder später sagen: Das tue ich mir nicht mehr an“, sagt Siegfried Flöß. Gehe es um die Nitrat-Belastung der Gewässer, die FeinstaubB­elastung der Luft oder Aspekte der Tierhaltun­g, würden Landwirte auch noch an den Pranger gestellt.

„Viele von uns stellen sich dabei die Frage: Wo fängt denn Massentier­haltung an?“, sagt Siegfried Flöß. Er und seine Kollegen würden sich wünschen, dass ihre Arbeit endlich wieder die Anerkennun­g bekommt, die sie verdient – ganz unabhängig von allen Daten und Verordnung­en.

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Viele Landwirte müssen im Detail offenlegen, wie viel Dünger sie auf ihren Feldern verwenden.

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