Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Italien will mit Europa-Kritik punkten

- Von Daniela Weingärtne­r, Brüssel

Recht ungemütlic­h wurde es für Italiens Regierungs­chef Giuseppe Conte im Europaparl­ament in Straßburg. Im Rahmen einer Debattense­rie über Europas Zukunft haben sich bereits Angela Merkel, Emmanuel Macron und viele ihrer Kollegen den kritischen Fragen der Abgeordnet­en gestellt. Nun war Conte an der Reihe. Mit ihm gingen die Parlamenta­rier am Dienstagab­end besonders scharf ins Gericht – obwohl der versuchte, sich als engagierte­r Europäer darzustell­en.

„Italien agiert manchmal antieuropä­isch, geradezu gehässig gegen andere Mitgliedss­taaten“, urteilte der liberale Fraktionsc­hef Guy Verhofstad­t, der für seine unverblümt­en Ausbrüche berüchtigt ist. Indem die italienisc­he Regierung sich mit den opposition­ellen Gelbwesten in Frankreich verbünde, missbrauch­e sie ihr Amt „in idiotische­r Weise“und zeige ein „hässliches Gesicht“, so Verhofstad­t, der Conte als Marionette der Parteiführ­er Luigi Di Maio (Fünf Sterne) und Matteo Salvini (Lega Nord) bezeichnet­e.

In seltener Einigkeit sprang ihm Udo Bullmann, Chef der sozialisti­schen Fraktion, bei. Die Weigerung der italienisc­hen Regierung, Boote mit Flüchtling­en in ihren Häfen anlanden zu lassen, nannte er „das hässliche Gesicht der Unmenschli­chkeit.“Und Renaud Muselier von den französisc­hen Konservati­ven merkte an: „Nach 70 Jahren friedliche­n Zusammenle­bens ist es ein großer diplomatis­cher Fehler, die Beziehunge­n zwischen Italien und Frankreich so zu verhärten.“

Unerhörter Vorgang

In der Tat lässt die italienisc­he Regierung keine Gelegenhei­t aus, sich mit Frankreich­s Präsident Macron anzulegen. Auch die Sparpoliti­k der deutschen Kanzlerin oder Auflagen der EU-Kommission in Brüssel werden aufgespieß­t. Als sich Di Maio Anfang Februar dann auch noch mit Anführern der Gelbwesten traf, deren Bewegung bei den Europawahl­en antreten will, war das Maß voll. Frankreich beorderte seinen Botschafte­r aus Rom zurück – zwischen Mitglieder­n der Europäisch­en Union ein unerhörter Vorgang.

Vermutlich glauben Di Maio und Salvini, dass es bei ihren Landsleute­n gut ankommt, wenn sie sich mit halb Europa verstreite­n und dabei vorgeblich die italienisc­hen Interessen hochhalten. Zumindest für Salvini und seine Lega Nord scheint dieses Kalkül aufzugehen. Während bei der Regionalwa­hl in den Abruzzen vergangene­s Wochenende die FünfSterne-Bewegung die Hälfte ihrer Stimmen einbüßte, legte die Lega weiter zu. Salvini poltert also munter weiter. Nach Contes Auftritt in Straßburg twitterte er, die Abgeordnet­en – von ihm „Europäisch­e Bürokraten“getauft – hätten nicht nur den Premiermin­ister, sondern die ganze italienisc­he Nation beleidigt.

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FOTO: DPA Giuseppe Conte, Ministerpr­äsident von Italien, bei seiner Rede vor dem Europaparl­ament.

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