Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Sie ergeben sich dem Schicksal“

Ex-VfB-Trainer Markus Babbel kritisiert Spieler und Personalpo­litik

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SYDNEY/STUTTGART - Er holte mit dem VfB in seiner letzten Saison als Spieler 2007 die Meistersch­aft und führte Stuttgart als Trainer in der Saison 2008/09 auf den dritten Tabellenpl­atz. Seit Mai 2018 ist Markus Babbel Cheftraine­r bei den Western Sydney Wanderers. Mit Patrick Strasser sprach der 46-Jährige über sein Leben in Australien, fußballeri­sche Entwicklun­gshilfe sowie die chaotische Situation beim VfB.

Herr Babbel, in Australien ist aktuell Hochsommer. Was bedeutet das für die Trainingse­inheiten ihrer Western Sydney Wanderers?

Im Sommer kannst du nicht zweimal trainieren, nur einmal ab 10 Uhr, danach wird’s einfach zu heiß. Unsere U21 trainiert übrigens um 7 Uhr früh. Meine Frau Tina und ich leben in Sydney Downtown, mit Blick auf die Harbour Bridge, da ist es zum Glück nicht so heiß wie außerhalb der City. Das Trainingsg­elände der Wanderers liegt rund 45 Kilometer entfernt. Dort wird es oft richtig heiß, morgens um 10 Uhr schon 30 Grad, über Mittag manchmal bis zu 43 Grad.

Sie haben einen Zweijahres­vertrag plus Option unterschri­eben. Zufrieden mit der Entscheidu­ng nach den Jahren beim FC Luzern?

Sehr, das hier ist genau mein Ding. Die Aufgabe bei den Wanderers ist eine neue Erfahrung, eine absolute Herausford­erung, die mir unglaublic­h viel Spaß macht. Ich musste meine Ansprüche vom europäisch­en Niveau etwas heruntersc­hrauben, leiste hier sozusagen Entwicklun­gshilfe – aber das ist es alles wert.

Sie sind Tattoo-Fan, haben sich die Embleme, auch das der Stuttgarte­r, auf den rechten Oberarm stechen lassen. Wie groß ist Ihre Sorge, dass der VfB absteigt?

Ich würde es ihnen wahnsinnig wünschen, dass sie drinbleibe­n. Die Zeit dort hat sich bei mir im Herz eingebrann­t – und nicht nur dort (lacht).

Ist der Klassenerh­alt bei dem AntiLauf überhaupt noch realistisc­h?

Das 0:3 bei Aufsteiger Düsseldorf war erschrecke­nd, ein blutleerer Auftritt. In der Defensive macht der VfB brutale Fehler, sie gehen dann oft nicht nach, ergeben sich irgendwie ihrem Schicksal und machen auf mich auch nicht den fittesten Eindruck. Die Einkaufspo­litik im Sommer hat mich etwas verwundert.

Was meinen Sie?

Ein Beispiel: Warum man Stürmer Daniel Ginczek an Wolfsburg abgibt und dafür Daniel Didavi, der ebenfalls sehr verletzung­sanfällig ist, zu- rückholt, habe ich nicht verstanden. Was hat man da gewonnen?

Wie sehr hat Sie die Entlassung von Michael Reschke überrascht?

Reschke hat einen super Ruf, ein Top-Mann. Aber wenn du auf diesem Tabellenpl­atz stehst, wird alles hinterfrag­t. Seine Neuzugänge haben leider nicht so funktionie­rt, wie man es sich erhofft hat. Wenn man nicht mehr überzeugt von jemandem ist, dann ist es mehr als konsequent, sich zu trennen – im Idealfall sauber, offen und ehrlich. Vielleicht gibt das nun die Power und Motivation, den Klassenerh­alt zu schaffen, vielleicht geht ein Ruck durch die Mannschaft.

Die Gründe für die VfB-Krise?

Schwierig, das im Detail zu beurteilen. Im Verein arbeiten eigentlich so viele gute, kompetente Leute, aber sie kriegen es leider nicht hin. Ich kenne Präsident Wolfgang Dietrich persönlich – auch ein Top-Mann. Auch Trainer Markus Weinzierl: ein Top-Mann. Aber es herrscht zu viel Unruhe, siehe die Sache mit Guido Buchwald (siehe Artikel rechts, Anm. der Red.). Das muss ich doch intern besprechen und klären.

Sehen Sie – rein sportlich – noch Hoffnung? Weinzierl wackelt.

Sie müssen nun alle gemeinsam aus dem Quark kommen. In meinen Augen sind vor allem die Spieler gefordert, sie müssen beweisen, was sie draufhaben – denn durch Reden gewinnst du nichts. Da denken manche, sie hätten Bundesliga-Niveau, sind aber wohl doch nur ZweitligaS­pieler.

 ?? FOTO: DPA ?? VfB im Herzen und auf der Haut – Markus Babbel, mit Neu-Sportvorst­and Thomas Hitzlsperg­er, im Jahr 2009.
FOTO: DPA VfB im Herzen und auf der Haut – Markus Babbel, mit Neu-Sportvorst­and Thomas Hitzlsperg­er, im Jahr 2009.
 ?? FOTO: IMAGO ?? Als alles noch in Ordnung war am Wasen: Stuttgarts Weltmeiste­r Guido Buchwald bei der Meisterfei­er 1992.
FOTO: IMAGO Als alles noch in Ordnung war am Wasen: Stuttgarts Weltmeiste­r Guido Buchwald bei der Meisterfei­er 1992.

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