Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Silphie-Veranstaltung muss bewacht werden
Security-Mitarbeiter und zwei Polizisten sind beim Informationsabend vor Ort
PFULLENDORF – Zwei Männer eines Security-Dienstes und zeitweise auch zwei Polizisten haben einen Informationsabend der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit dem Thema „Durchwachsene Silphie, die Wunderpflanze aus Nordamerika?“im Haus Linzgau bewacht.
Der Grund, so Alfred Kaltenbach von der AbL am Ende der Veranstaltung mit knapp 100 Teilnehmern: Nach einem kritischen Interview, das seine AbL-Kollegin Anneliese Schmeh vom Hagenweilerhof in Lippertsreute Anfang Februar der „Schwäbischen Zeitung“zur „Silphie“gegeben hatte, war ein Brief von einem Rechtsanwalt aus Berlin gekommen, der die beiden Organisatoren abmahnte und vor weiteren derartigen Aussagen warnte. „Es hat den Touch, als würde man uns unter Druck setzen und mundtot machen wollen“, sagte Kaltenbach, der einen landwirtschaftlichen Betrieb im Pfullendorfer Ortsteil Kleinstadelhofen betreibt. Und: „Wir lassen uns nicht einschüchtern.“Er und seine Mitstreiter sind bekennende Gegner des Milch- und Energieparks Hahnennest, der die Silphie als Energiepflanze verwendet. Davon war aber in der Veranstaltung nicht die Rede.
Indes, es kam anders. Auch weil die Hauptreferentin des Abends, Kerstin Stolzenburg vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg in Karlsruhe, in ihrem mehr als einstündigen Referat nicht kritisierte, sondern regelrecht die Werbetrommel für die Silphie rührte. Die Agrarwissenschaftlerin, die in ihrem Institut den Bereich „nachwachsende Rohstoffe“betreut, legte eigene Forschungsergebnisse aus zwei Jahrzehnten und Ergebnisse anderer „seriöser Institute“vor und verhalf, so sagte Anneliese Schmeh später, ihren Zuhörern „mit einer geballten Ladung Fachwissen“zu einigen neuen Erkenntnissen.
Pflanze kam im 17. Jahrhundert nach Europa
Darunter auch, dass die faserige Silphie außer in der Landwirtschaft auch noch als Baumaterial, bei der Papierproduktion oder als Heilpflanze Verwendung findet. Detailliert ging Stolzenburg auf die Pflanze, die bereits im 17. Jahrhundert aus Nordamerika nach Europa kam und im ersten Jahr nach der Aussaat keinen Ertrag bringt, ein. Ein Korbblütler, der eine Wuchshöhe von 1,80 bis 3,50 Meter erreicht, von Mitte Juli bis Ende September gelb blüht, nach der ersten Aussaat je nach Standort über zehn Jahre genutzt werden kann und hervorragende Eigenschaften als Energiepflanze hat. „Sie eignet sich sehr gut als Substratbiomasse.“
Außerdem wird die Silphie, so Stolzenburg, gern von Insekten aufgesucht und liefert reichlich Nektar und Pollen für einen „hochwertigen, wohlschmeckenden Honig“. Eine unkontrollierte Verbreitung nach der Aussaat sei nicht zu erwarten, denn „die Silphie wächst nicht wild“. Die Fachleute seien sich aber einig, dass im Umfeld von fünf bis zehn Metern vereinzelt Pflanzen vorkommen können. Ihre Büschelwurzel könne im Boden verrotten, erhöhe die Humusproduktion, vermindere die Erosionsgefahr und fördere Bodenlebewesen, erklärte Stolzenburg. Außerdem sei die Silphie relativ gut in der Bindung von Stickstoff und als Greening Pflanze anerkannt. Keinerlei Gefahr sah die Referentin hinsichtlich großer Monokulturen mit der Silphie, denn im Gegensatz zu Mais, der aktuell deutschlandweit auf einer Million Hektar Grund angebaut werde, wachse die Silphie nur auf maximal 3000 Hektar. „Die Silphie wird die Maisfläche in keiner Weise ersetzen“, sagte Stolzenburg, auch weil die Methanerträge gegenüber dem Mais etwas geringer seien und der Flächenbedarf 1,2- bis 2,2fach höher sei als beim Mais.
Imker warnt eindringlich vor Monokulturen
Der zweite Referent des Abends, Willi Dauwalter aus Owingen, betrachtete die Silphie aus der Sicht des Imkers. Er sah in der Silphie, so lange sie kleinflächig angepflanzt wird, keine Bedrohung für die Bienen, warnte aber eindringlich vor Monokulturen, die, so befürchtete er, auch den Einsatz von Pestiziden zur Folge hätten. „Wir brauchen eine vielfache Pollen- und Nektarproduktion und keine Massentracht, wir brauchen einheimische Pflanzen, die für alle unsere Insekten passen“, warb er für das Aussäen von Blühmischungen. „Monokulturen sind eine einseitige Ernährung für die Insekten und Bienen.“In der anschließenden Diskussion waren unterschiedliche Meinungen zu hören. Konventionelle Landwirte meldeten sich ebenso zu Wort wie Biolandwirte, Umweltschützer, Imker oder Biogasproduzenten. Andere berichteten von eigenen Erfahrungen mit der Silphie und ihrem Wurzelwerk nach dem Umbruch: „Mit dem Pflug durch, das war kein Problem.“Der Aufwand bei Blühmischungen sei sehr hoch, war zu hören, oder auch, dass der Mais ebenso wenig ein Insektizid erfordere, wie die Silphie. „Wir Biogaser sind bereit, die Pflanzenvielfalt zu machen“, sagte der Betreiber einer Biogasanlage. Und letzten Endes erklärte ein Landwirt noch mit Nachdruck, dass die Landwirtschaft zu vielem bereit sei, dass sie aber auch auf den Ertrag angewiesen sei. Ein Gedanke, der auch Kaltenbach beschäftigt: „Wir sind in einer neuen Zeit angekommen, in der einiges durcheinander ist. Was sollen wir unseren Jungen noch raten?“.