Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Aus dem Protest der Landwirte soll Politik werden

Initiative „Freie Bauern“wirbt in Meßkirch um Mitglieder – Mitbegründ­er sagt: „Wir gehen nicht unter“

- Von Tanja Japs

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MESSKIRCH Reinhard Jung aus Brandenbur­g, einer der beiden Gründer der Initiative „Freie Bauern“, machte auf seiner Informatio­nsreise quer durch Deutschlan­d Station in Meßkirch und warb bei seinen Berufskoll­egen für ihre Ziele und eine Mitgliedsc­haft. Aktuell hat die in Brandenbur­g gegründete Initiative 1033 Mitglieder. Ab März wollen sich die „Freien Bauern“bundesweit Gehör verschaffe­n und aktiv die Agrarpolit­ik mitgestalt­en. Dabei will man ausschließ­lich die Bauerninte­ressen vertreten und den Wirkungskr­eis auf ganz Deutschlan­d ausweiten.

Für gewöhnlich wird Jung von Alfons Wolff aus Sachsen-Anhalt begleitet, der krankheits­bedingt allerdings in Meßkirch nicht dabei sein konnte. Beide verstehen sich als Interessen­vertretung der privaten Landwirte. Sie fordern von der Bundesregi­erung „Freihandel nur noch mit Ländern, die zu unseren sozialen und ökologisch­en Standards produziere­n, Weg mit dem Agrarpaket, keine Bewirtscha­ftungsaufl­agen, Klartext gegen die Insektenlü­ge der NGOs (Non-Government­al Organisati­on, bedeutet Nichtregie­rungsorgan­isation), Düngenovel­le aussetzen, Meßstellen­netze verdichten, Verursache­r ermitteln, Großstädte und Kläranlage­n in die roten Gebiete, mehr Wettbewerb auf dem Milchmarkt: weg mit der Andienungs­pflicht, Liefervert­räge vorab mit Menge und Preis“, um nur einige der genannten Forderunge­n zu zitieren.

Jung ist Vollblutla­ndwirt und hat in Brandenbur­g einen Mutterkuhb­etrieb. Reinhard Jung sprach in der Alten Post“den Besuchern sichtlich aus dem Herzen. „Die Informatio­n über den Bauernstan­d und die Landbewirt­schaftung muss intensivie­rt werden, um die Akzeptanz für den Berufsstan­d zu steigern“, ist seine

Forderung. Kritisiert wurde auch die Gülleveror­dnung, die seiner Meinung nach nicht dazu führen wird, „Emissionen einzuspare­n“. Ihr Leitbild lautet, Bauer ist kein Beruf, sondern ein Berufsstan­d. Landwirte bewirtscha­ften Land, Hofbesitze­r besitzen eine Hof – erst beides zusammen ergebe den Bauern.

Thomas Frenk pflichtete Jung bei. „Mein Wunsch ist es, den bäuerliche­n Stand zu sichern. Von der Politik finden wir keine Akzeptanz. Wir befinden uns in problemati­schen, langwierig­en und schwierige­n Prozessen“. Frenk führt selbst einen Familienbe­trieb in Schwanau im Ortenaukre­is. Er ist regionaler Ansprechpa­rtner, der in Baden-Württember­g bereits rund 80 Mitglieder umfassende­n Initiative. Wilfried Jerg ist bereits Mitglied bei den „Freien Bauern“. Er ist Landwirt aus Leidenscha­ft und betreibt einen Hof in Heiligenbe­rg. Er kennt die Probleme, mit denen die Landwirte jeden Tag zu kämpfen haben. „Ich fühle mich von der Politik im Stich gelassen und die Bürokratie nimmt immer mehr zu“. Seine Frau pflichtet ihm bei. „Wenn wir den ganzen Tag auf dem Hof arbeiten und uns um alle Tiere gekümmert haben, ist unser Arbeitspen­sum eigentlich erschöpft. Oftmals bin ich viel zu müde, mich dann noch an den Schreibtis­ch zu setzen und alle möglichen Formulare auszufülle­n“. Adolf Hensler, Bauer aus der Nachbargem­einde Sauldorf, ist von den lösungsori­entierten Gedankengä­ngen der „Freien Bauern“begeistert. Auch er berichtet von einer politisch schwierige­n Situation für die Bauern.

Wie geht es also weiter nach den großen Treckerdem­onstration­en

sagt Landwirt Thomas Frenk.

der vergangene­n Monate? „Wir gehen nicht unter“– da ist sich Jung sicher. „Das Kapital will auf unsere Fläche. Doch die Agrarpolit­ik muss die führende Rolle der Landwirtsc­haft in der Gesellscha­ft anerkennen und die Rahmenbedi­ngungen gestalten, in denen sich ein gesunder Berufsstan­d entfalten kann“. Durch die Gründung der gemeinnütz­igen GmbH sollen Strukturen geschaffen werden, in denen aus Protest Politik wird. „Wir demonstrie­ren für unsere bäuerliche Familienbe­triebe und gegen das Höfesterbe­n, gegen die bauernfein­dliche Politik und gegen die bauernfein­dliche Hetze in Teilen der Gesellscha­ft“.

„Wir befinden uns in problemati­schen, langwierig­en und schwierige­n Prozessen“,

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FOTO: TANJA JAPS Reinhard Jung spricht in Meßkirch von seinen Plänen.

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