Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wider die Egoisten
Wer sich in diesen Tagen in der Heimat umschaut oder Bilder aus anderen Städten sieht, traut seinen Augen nicht: Menschen, die dicht gedrängt über Wochenmärkte schlendern, die in Gruppen Café-Terrassen belagern oder abends Party feiern und sich auf der Straße mit Küsschen verabschieden. Diese Leute gefährden Menschenleben. Und sie verhöhnen jene, die das zivile Leben mit ihrer Arbeit aufrechterhalten.
Nun mögen hinter dem egoistischen Treiben verschiedene Motivationen liegen. Mal ist es jugendlicher Leichtsinn und für das Alter typisches Aufbegehren gegen die Ordnung. Andere sind mental überfordert, halten verkrampft an ihren Verhaltensmustern fest, die Realität verdrängend. Der Großteil jener hat allerdings schlichtweg nicht kapiert, was auf dem Spiel steht. Ein Infizierter zieht viele weitere nach sich, würden wir weitermachen wie gewohnt, wären es Millionen. In der Folge hätte jeder in Familie oder Freundeskreis Tote zu beklagen – auch jene, die noch immer der Wirklichkeit zu trotzen suchen.
Nicht erklären muss man die Lage an der – das Wort sei ausnahmsweise erlaubt – Front. Ärzte und Krankenschwestern posten in diesen Tagen im Internet Fotos mit der Botschaft: „Wir bleiben für euch hier, bitte bleibt ihr für uns zu Hause!“Denn schon jetzt arbeiten sie am Anschlag, wissen um die Gefahren eines kollabierenden Gesundheitssystems. Diesen Menschen gebührt Dank und Wertschätzung für ihren Einsatz für das Gemeinwesen. Genauso wie allen, die unser Dasein und unsere Versorgung sichern, von der Verkäuferin im Supermarkt oder der Bäckerei über den Apotheker bis zum Tankstellenmitarbeiter. Sie alle haben unseren Respekt verdient – und nicht, dass wir ihr Engagement durch idiotisches Verhalten sabotieren.
In dieser Gemengelage gibt es aber auch positive Signale: Die Lernkurve steigt, immer mehr Cafés schließen von sich aus, immer mehr Leute bleiben konsequent zu Hause. Anders gesagt: Die Menschen rücken zusammen. Wenn auch in diesem Fall nicht wortwörtlich.