Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Arbeitsagentur: Zugzwang bei Weiterbildungen
Maßnahmen für Arbeitslose erst spät abgesagt – Hintergrund ist die Sorge vor ausbleibenden Zahlungen
SIGMARINGEN/BALINGEN (mke) Seit etwa zwei Wochen wird das öffentliche Leben stark eingeschränkt, um die Menschen vor Covid-19 zu schützen. Doch dem hat sich die Agentur für Arbeit offenbar lange verwehrt. Die Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose fanden noch bis Dienstag statt. In ihren FAQ , dem Bereich, in dem häufige Fragen beantwortet werden, verkündete die Agentur sogar: „Ein Fernbleiben aus reiner Sorge um eine mögliche Ansteckung kann nicht als Entschuldigungsgrund anerkannt werden.“Ein Attest würde das Fernbleiben allerdings entschuldigen, hieß es weiter. Besagte FAQ verschwand allerdings am Mittwochmorgen von der Internetseite. Ob alle Maßnahmen inzwischen tatsächlich abgesagt sind, ist unklar, denn kann ein Anbieter keine Onlinealternativen einrichten, beginge er durch die Absage der Kurse Vertragsbruch, sagt Rolf Gehring, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Balingen, die auch für den Kreis Sigmaringen zuständig ist. Allerdings, betont Gehring, sei das „das Worst-Case-Szenario“.
Beklagt über die Anforderungen der Agentur für Arbeit hatte sich der Vater eines Maßnahmenteilnehmers. Ihm stieß besonders übel auf, dass sich die Mitarbeiter der Agentur inzwischen abgeschottet haben und keinen Kundenkontakt mehr zulassen, gleichzeitig aber von den Arbeitslosen und auch den Unterrichtenden verlangen, dass sie die Kurse weiterhin besuchen. „Alle Vorsichtsmaßnahmen des Ministeriums wurden missachtet“, sagt der Angehörige. Das Problem dahinter: Wer als Arbeitsloser nicht an den Weiterbildungen teilnimmt, muss mit Kürzungen seiner Leistungen rechnen. Und auch die Anbieter der Maßnahmen, die ihre Kurse absagen, bekommen kein Geld mehr von der Agentur. Gewissermaßen herrscht also Zugzwang.
Gehring rudert allerdings zurück. „Die Dinge sind im Fluss“, sagt er. Durch die Verordnung der Landesregierung Anfang der Woche, die Bildungsträgern den Betrieb vorerst verbietet, seien auch die
Maßnahmenträger gemeint. Das sei vorher nicht der Fall gewesen, weshalb die Agentur keinen Anlass gesehen habe, zu handeln. Jetzt sieht das anders aus: die Bundesagentur zwingt laut Gehring keinen Teilnehmer mehr, bei den Weiterbildungskursen anwesend zu sein. Es gebe jedoch Alternativen, beispielsweise Onlineseminare oder das kurzfristige Aussetzen, sodass die ausgefallenen Teile der Kurse nachgeholt werden müssen. In diesen Fällen würden die Maßnahmenanbieter auch weiterhin Geld bekommen.
Die Leistungen an die Arbeitslosen flössen so oder so weiter, wenn eine Maßnahme ausfällt, sagt Gehring. Er leugnet aber auch nicht, dass die Zahlungen an die Träger ausbleiben, wenn es keine Alternativen zu Präsenzveranstaltungen gibt, sagt aber gleichzeitig: „Die Träger sind in der Verantwortung.“Bezüglich der Zahlungen suche man gerade nach Lösungen. „Es sind verschiedene Szenarien möglich, noch steht aber nichts fest“, fügt er an.
Besonders zwei Anbieter dieser Maßnahmen fallen im Kreis Sigmaringen auf. Während der eine seine Seminare online weiteführt, war der andere am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme erreichbar.