Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Vom Gemeindechef zum Krisenmanager
Die Rolle der Bürgermeister hat sich durch die aktuelle Situation verändert - Vier Rathauschefs berichten
INZIGKOFEN - Normalerweise sind sie für die Bürger die Gemeindechefs, die im Hintergrund agieren und bei Veranstaltungen ihre Kommune vertreten. Durch den Coronavirus hat sich aber die Rolle der Bürgermeister verändert; sie organisieren gerade das Gemeindeleben und versuchen, die angeordneten Maßnahmen von Land und Bund umzusetzen. Einige Bürgermeister wie in Inzigkofen und Bingen gehen sogar noch einen Schritt weiter und wenden sich in einem Appell im Amtsblatt an ihre Bürger (siehe Infokasten).
„Das ist das Gebot der Stunde“, sagt Bernd Gombold über den Hintergrund des Appells. Es sei wichtig, dass die Bürger die verordneten Maßnahmen einhalten – die meisten könne er über das Amtsblatt Inzigkofens erreichen, „und zwar diejenigen, die nicht ständig online unterwegs sind“, sagt der Bürgermeister.
Dieser Appell und die vielen anderen, die momentan auf die Bevölkerung einprasseln, scheinen in Inzigkofen Wirkung zu zeigen. „Es herrscht eine gespenstische Stille draußen, das Dorf ist ruhig wie im Dornröschenschlaf“, sagt Gombold. Vereinzelt gebe es zwar Ausnahmen, doch er sieht seine Kommune auf einem guten Weg. „Es ist wichtig, dass wir das Thema ernst nehmen“, sagt er.
Doch nicht nur für die Bürger ist die Situation eine andere, sondern auch für ihn als Schultes. „Erstmals muss ich ad hoc Dinge entscheiden“, sagt er. Die Lage verändere sich von jetzt auf gleich. Gombold eile von Telefonkonferenz zu Bürgermeisterrunden, kläre ab, wie welche Gemeinde die Situation handhabt, um einheitliche Regeln zu finden. „Der Teufel steckt in Details“, sagt er. Trotzdem kratzt das scheinbar nicht an seinem Nervenkostüm. „Es ist wichtig, dass man sich und andere nicht verrückt macht“, so Gombold. Natürlich sei die Situation gerade auch für ihn extrem, allerdings sei Panik der falsche Ratgeber.
Als Ratgeber muss wiederum aktuell die Gemeindeverwaltung in
Sigmaringendorf herhalten. „Wir sind der Anlaufpunkt für die Bürger“, sagt Schultes Philip Schwaiger. Viele Menschen seien stark verunsichert und wendeten sich deshalb an Schwaiger und sein Team. Auch an ihm geht die Situation nicht spurlos vorbei: „Ich bin angespannt, weil ich nicht weiß, was noch kommt.“Sein Job bestehe aktuell daraus, jeden Tag zu reagieren und die neuesten Verordnungen
umzusetzen. „Es kam letzte Woche ja Schlag auf Schlag“, sagt er. Seine Rolle als Bürgermeister habe sich entsprechend verändert, sagt er: „Sie geht weg vom GrüßGott-Onkel hin zum Krisenmanager.“Dennoch fühle er sich für alles, was noch kommt, gewappnet – und zeigt sich stolz auf seine Gemeinde: „Hier herrscht eine große Hilfsbereitschaft, darüber bin ich froh.“
Bingens Bürgermeister Jochen Fetzer sorgt sich wiederum um seine Rathausmitarbeiter. „Eine Mitarbeiterin ist nach einem Urlaub in Österreich jetzt vorerst zuhause“, sagt er. Das Rathaus bleibe geschlossen. Trotzdem versuche er alle Anliegen persönlich zu klären und für jeden ein offenes Ohr zu haben. „Die erste Welle der Maßnahmen war ziemlich heftig“, sagt er. „Aber wir müssen jetzt das Beste daraus machen.“
Von einer „neuen Aufgabe“spricht auch der Krauchenwieser Bürgermeister Jochen Spieß. Bei ihm in der Gemeinde lief die Information an Kindergärten, Schulen und die Absprache mit dem Pfarrer reibungslos ab. „Natürlich ist es eine neue Erfahrung, aber man stellt sich dem“, sagt er.