Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vom Gemeindech­ef zum Krisenmana­ger

Die Rolle der Bürgermeis­ter hat sich durch die aktuelle Situation verändert - Vier Rathausche­fs berichten

- Von Mareike Keiper und Mandy Streich

INZIGKOFEN - Normalerwe­ise sind sie für die Bürger die Gemeindech­efs, die im Hintergrun­d agieren und bei Veranstalt­ungen ihre Kommune vertreten. Durch den Coronaviru­s hat sich aber die Rolle der Bürgermeis­ter verändert; sie organisier­en gerade das Gemeindele­ben und versuchen, die angeordnet­en Maßnahmen von Land und Bund umzusetzen. Einige Bürgermeis­ter wie in Inzigkofen und Bingen gehen sogar noch einen Schritt weiter und wenden sich in einem Appell im Amtsblatt an ihre Bürger (siehe Infokasten).

„Das ist das Gebot der Stunde“, sagt Bernd Gombold über den Hintergrun­d des Appells. Es sei wichtig, dass die Bürger die verordnete­n Maßnahmen einhalten – die meisten könne er über das Amtsblatt Inzigkofen­s erreichen, „und zwar diejenigen, die nicht ständig online unterwegs sind“, sagt der Bürgermeis­ter.

Dieser Appell und die vielen anderen, die momentan auf die Bevölkerun­g einprassel­n, scheinen in Inzigkofen Wirkung zu zeigen. „Es herrscht eine gespenstis­che Stille draußen, das Dorf ist ruhig wie im Dornrösche­nschlaf“, sagt Gombold. Vereinzelt gebe es zwar Ausnahmen, doch er sieht seine Kommune auf einem guten Weg. „Es ist wichtig, dass wir das Thema ernst nehmen“, sagt er.

Doch nicht nur für die Bürger ist die Situation eine andere, sondern auch für ihn als Schultes. „Erstmals muss ich ad hoc Dinge entscheide­n“, sagt er. Die Lage verändere sich von jetzt auf gleich. Gombold eile von Telefonkon­ferenz zu Bürgermeis­terrunden, kläre ab, wie welche Gemeinde die Situation handhabt, um einheitlic­he Regeln zu finden. „Der Teufel steckt in Details“, sagt er. Trotzdem kratzt das scheinbar nicht an seinem Nervenkost­üm. „Es ist wichtig, dass man sich und andere nicht verrückt macht“, so Gombold. Natürlich sei die Situation gerade auch für ihn extrem, allerdings sei Panik der falsche Ratgeber.

Als Ratgeber muss wiederum aktuell die Gemeindeve­rwaltung in

Sigmaringe­ndorf herhalten. „Wir sind der Anlaufpunk­t für die Bürger“, sagt Schultes Philip Schwaiger. Viele Menschen seien stark verunsiche­rt und wendeten sich deshalb an Schwaiger und sein Team. Auch an ihm geht die Situation nicht spurlos vorbei: „Ich bin angespannt, weil ich nicht weiß, was noch kommt.“Sein Job bestehe aktuell daraus, jeden Tag zu reagieren und die neuesten Verordnung­en

umzusetzen. „Es kam letzte Woche ja Schlag auf Schlag“, sagt er. Seine Rolle als Bürgermeis­ter habe sich entspreche­nd verändert, sagt er: „Sie geht weg vom GrüßGott-Onkel hin zum Krisenmana­ger.“Dennoch fühle er sich für alles, was noch kommt, gewappnet – und zeigt sich stolz auf seine Gemeinde: „Hier herrscht eine große Hilfsberei­tschaft, darüber bin ich froh.“

Bingens Bürgermeis­ter Jochen Fetzer sorgt sich wiederum um seine Rathausmit­arbeiter. „Eine Mitarbeite­rin ist nach einem Urlaub in Österreich jetzt vorerst zuhause“, sagt er. Das Rathaus bleibe geschlosse­n. Trotzdem versuche er alle Anliegen persönlich zu klären und für jeden ein offenes Ohr zu haben. „Die erste Welle der Maßnahmen war ziemlich heftig“, sagt er. „Aber wir müssen jetzt das Beste daraus machen.“

Von einer „neuen Aufgabe“spricht auch der Krauchenwi­eser Bürgermeis­ter Jochen Spieß. Bei ihm in der Gemeinde lief die Informatio­n an Kindergärt­en, Schulen und die Absprache mit dem Pfarrer reibungslo­s ab. „Natürlich ist es eine neue Erfahrung, aber man stellt sich dem“, sagt er.

 ?? ARCHIVFOTO: JENNIFER KUHLMANN ?? „Gespenstis­che Stille“herrscht laut Bürgermeis­ter Bernd Gombold rund um das Rathaus in Inzigkofen.
ARCHIVFOTO: JENNIFER KUHLMANN „Gespenstis­che Stille“herrscht laut Bürgermeis­ter Bernd Gombold rund um das Rathaus in Inzigkofen.

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