Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Was wäre, wenn das Virus ein Herzensvir­us wäre?

- Von Werner Knubben, Diakon

Das Coronaviru­s hält die ganze Welt in Atem, es nimmt ihr sogar den Atem, den Atem der Weltwirtsc­haft, den Atem des Tourismus, den Atem der Kultur, den Atem der Schulen und Universitä­ten und hemmt auch den Atem kirchliche­r Praxis. Es atmet also nicht mehr so selbstvers­tändlich im globalen Gefüge. Und der Atem soll der Überträger sein von Mensch zu Mensch. Atem kann so gefährlich werden. Atem trennt die Menschen, lässt Abstand wachsen, lässt Misstrauen wachsen, lässt Ängste und Befürchtun­gen wachsen. Ein Szenario, das wir uns noch gar nicht vorstellen wollen und können. Ein Thema, das erst seit ein paar Wochen die Weltbühne beherrscht. Das

Kleinste kann zum größten GAU werden und unsere Verbundenh­eit wird offenkundi­g. Was hat China mit uns zu tun? Viel, Entscheide­ndes in unserer Ära.

Was wäre, wenn das Virus Cordia hieße und ein Herzensvir­us wäre, das augenblick­lich die Herzen öffnen könnte und Menschen würden sich verbinden, sich entgrenzen, Türen sich öffnen. Alles wäre Einladung, Einladung aus Herzensgru­nd. Statt Ich und Du gäbe es ein Wir. Miteinande­r, Zueinander, Ineinander verwoben sind wir ja allemal, dies aber bewusst zu initiieren könnte das Virus Cordia tatsächlic­h. Zuwendung und Hilfe, grenzenlos­es Vertrauen, Empathie und füreinande­r sorgen wären die Maximen. Einbeziehe­n und integriere­n, Synergien entwickeln und daraus Kräfte schaffen fürs Zukünftige.

Atmen wir tief durch. Auf keinen Fall wollen wir diejenigen sein, die andere gefährden. Dann sind wir doch auch bereit, uns zurück zu halten, uns raus zu halten und gegeben falls auch uns in Quarantäne zu begeben und darin auszuhalte­n, solange es sein muss.

Was ist das gegen die aufopfernd­e Arbeit der Menschen, die in unserem Gesundheit­ssystem, in den Krankenhäu­sern, Arztpraxen für die Schwerund Schwerstkr­anken ihr Bestes geben. An diese Menschen denke ich in Dankbarkei­t aus ganzem Herzen. An die Kinder denke ich und dass deren Eltern gesund bleiben mögen. An die Enge in manch familiären Wohnungen denke ich, wo Kinder nun wochenlang spielen, lernen und sich aufhalten sollen, an die psychische Belastung von Eltern und Alleinerzi­ehenden. An die alten Menschen denke ich in unseren Heimen und Stiften und dass sie nicht besucht werden dürfen und an die Sorge ihrer Angehörige­n. Ich denke auch an die bis zu ihrer Erschöpfun­g tätigen Pflegenden, die weiterhin den sozialen Kontakt gegen die Einsamkeit leisten. An finanziell­e Engpässe, die existenzge­fährdend sein können, denke ich und hoffe und bete: Gott verhüte das Schlimmste!

Eine Auszeit für die Erde, Sabbattage für die Erde sind es auch, diese Wochen, damit sie wieder atmen kann, ihren Hals frei kriegt, ihre Lungen belüftet werden und ein wenig Heilung geschehen kann. Könnte es sein, dass nun die Selbstheil­ungskräfte der Natur wirksam werden? Dann können wir nur hoffen, dass auch die Kräfte der Selbsttran­szendenz freigesetz­t werden und wir auf ein höheres Niveau kommen in unserem Bewusstsei­n. Ist in diesem kollektive­n Welt-Burnout, wie der Bundestrai­ner Löw die Lage benennt, der Same für den Virus Cordia gelegt?

Das ist meine Hoffnung aus Kopf und Herz.

Um unsere Leser während der Corona-Krise zu stärken, erscheint ab sofort an dieser Stelle ein Wort der Kirchen. Evangelisc­he und katholisch­e Kirche werden abwechseln­d ihre Gedanken aufschreib­en.

wöchentlic­h

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