Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Textilhersteller fertigen Atemschutzmasken an
Trigema und Mey wollen Engpässe beseitigen – Wolfgang Grupp: schwerste Krise seit fünf Jahrzehnten
BURLADINGEN/ALBSTADT - Weil sich ein Lieferengpass bei Mundund Nasenschutzmasken andeutet, gehen zwei Unternehmen auf der Schwäbischen Alb ungewöhnliche Wege: Der Burladinger Bekleidungsproduzent Trigema und der Unterwäschehersteller Mey aus Albstadt steigen in die Produktion von Atemschutzmasken ein – als Mehrweg-Variante zum Waschen.
Mehrere Krankenhäuser hätten sich bei Trigema erkundigt, ob das Unternehmen in der Lage sei, einen Mundschutz zu produzieren, sagt Inhaber Wolfgang Grupp im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Was die Firma nicht anbieten könne, seien spezielle Produkte etwa für den OP-Bereich. „Aber Atemschutzmasken beispielsweise für Pflegepersonal können wir selbstverständlich herstellen.“Die ersten Muster wurden inzwischen genäht, Tests in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen absolviert. Seit Donnerstag läuft die Produktion.
Aktuell traut Grupp seiner Mannschaft die Herstellung von 5000 bis 6000 Masken pro Tag zu. Anschließend soll die Tageskapazität auf bis zu 10 000 Stück steigen. Pro Woche könnten es damit etwa 50 000 bis 60 000 werden. „Die Gruppenleiterinnen müssen jede unserer Näherinnen einzeln einarbeiten“, sagt der Trigema-Chef. „Wir brauchen einfach ein paar Tage, bis sich alles eingespielt hat.“Von den insgesamt 700 Näherinnen im Hauptwerk in Burladingen und den beiden Zweigwerken in Altshausen und Rangendingen könnten etwa 400 in die Produktion der Masken einsteigen. Den Stoffvorrat sieht Grupp gesichert: Die Produktion erledigt Trigema in Burladingen selbst, viel Stoff werde für eine Atemschutzmaske im Vergleich zum Beispiel zu einem Polo-Shirt nicht benötigt.
Die Aufträge stapeln sich bei Trigema jetzt schon. Bis Freitagnachmittag seien bereits 200 000 Mundschutz-Masken geordert worden, davon knapp 10 000 über den Onlineshop, sagt Wolfgang Grupp. Die Firma könne im Moment aber nicht jeden Auftrag bestätigen. „Wir müssen erst einmal sehen, wie wir vorwärts kommen.“Die ersten Pakete seien aber am Freitagmorgen verschickt worden. Vorrang bei der Belieferung hätten Kunden wie Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die für schwerkranke Menschen verantwortlich sind.
Das alles ändert nichts daran, dass die Corona-Krise auch das Burladinger Traditionsunternehmen eiskalt erwischt. „In mehr als 50 Jahren, die ich jetzt als Geschäftsführer tätig bin, ist das die gravierendste Krise, die ich je erlebt habe“, sagt Wolfgang Grupp. Seine 45 Testgeschäfte habe er schließen müssen. Doch nicht nur das: In einer so dramatischen Krise hätten für die Menschen viele andere Dinge Priorität – aber nicht ihre Kleidung. Sorgen macht sich Grupp natürlich auch um die Gesundheit seiner Mitarbeiter. Er habe möglichst alles dafür getan, diese zu schützen: Die Beschäftigten arbeiteten jetzt in größerem Abstand voneinander, ihre Schichten wurden zeitlich entzerrt.
Auch das Albstädter Familienunternehmen Mey, das in Deutschland, Portugal und Ungarn rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt, startet mit der Produktion von Mund- und Nasenschutz. „Aufgrund der enormen Nachfrage nach medizinischen Produkten hat Mey seine auf Wäscheund Dessousstoffe ausgelegte Fertigung in Teilbereichen auf die Produktion von Mund- und Nasenschutz umgestellt“, teilt die Firma mit. Die Anfragen von medizinischen Einrichtungen hätten sich in den vergangenen Tagen gehäuft, so Geschäftsführer Matthias Mey in einer Pressemitteilung.
Auch die Masken von Mey, die aus Baumwollstoffen hergestellt werden, können bei 90 Grad gewaschen und damit mehrmals verwendet werden. Die letzten Tests und Prototypen waren für Freitag geplant. Anfang kommender Woche soll die Konfektion beginnen. „Die Produkte stehen derzeit ausschließlich zum Direktvertrieb
an Kliniken und Medizinische Betriebe zur Verfügung“, so Matthias Mey. „Wir hoffen, mit dieser Maßnahme einen kleinen Beitrag im Kampf gegen das Coronavirus leisten zu können.“
Atemschutzmasken werden überwiegend in Asien hergestellt. Wegen der Ausbreitung des Coronavirus war aber schon im Januar ein Exportstopp verhängt worden. Seitdem kommen die deutschen Hersteller mit der Produktion kaum hinterher.