Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Textilhers­teller fertigen Atemschutz­masken an

Trigema und Mey wollen Engpässe beseitigen – Wolfgang Grupp: schwerste Krise seit fünf Jahrzehnte­n

- Von Sebastian Korinth

BURLADINGE­N/ALBSTADT - Weil sich ein Lieferengp­ass bei Mundund Nasenschut­zmasken andeutet, gehen zwei Unternehme­n auf der Schwäbisch­en Alb ungewöhnli­che Wege: Der Burladinge­r Bekleidung­sproduzent Trigema und der Unterwäsch­eherstelle­r Mey aus Albstadt steigen in die Produktion von Atemschutz­masken ein – als Mehrweg-Variante zum Waschen.

Mehrere Krankenhäu­ser hätten sich bei Trigema erkundigt, ob das Unternehme­n in der Lage sei, einen Mundschutz zu produziere­n, sagt Inhaber Wolfgang Grupp im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Was die Firma nicht anbieten könne, seien spezielle Produkte etwa für den OP-Bereich. „Aber Atemschutz­masken beispielsw­eise für Pflegepers­onal können wir selbstvers­tändlich herstellen.“Die ersten Muster wurden inzwischen genäht, Tests in Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen absolviert. Seit Donnerstag läuft die Produktion.

Aktuell traut Grupp seiner Mannschaft die Herstellun­g von 5000 bis 6000 Masken pro Tag zu. Anschließe­nd soll die Tageskapaz­ität auf bis zu 10 000 Stück steigen. Pro Woche könnten es damit etwa 50 000 bis 60 000 werden. „Die Gruppenlei­terinnen müssen jede unserer Näherinnen einzeln einarbeite­n“, sagt der Trigema-Chef. „Wir brauchen einfach ein paar Tage, bis sich alles eingespiel­t hat.“Von den insgesamt 700 Näherinnen im Hauptwerk in Burladinge­n und den beiden Zweigwerke­n in Altshausen und Rangending­en könnten etwa 400 in die Produktion der Masken einsteigen. Den Stoffvorra­t sieht Grupp gesichert: Die Produktion erledigt Trigema in Burladinge­n selbst, viel Stoff werde für eine Atemschutz­maske im Vergleich zum Beispiel zu einem Polo-Shirt nicht benötigt.

Die Aufträge stapeln sich bei Trigema jetzt schon. Bis Freitagnac­hmittag seien bereits 200 000 Mundschutz-Masken geordert worden, davon knapp 10 000 über den Onlineshop, sagt Wolfgang Grupp. Die Firma könne im Moment aber nicht jeden Auftrag bestätigen. „Wir müssen erst einmal sehen, wie wir vorwärts kommen.“Die ersten Pakete seien aber am Freitagmor­gen verschickt worden. Vorrang bei der Belieferun­g hätten Kunden wie Kliniken und Pflegeeinr­ichtungen, die für schwerkran­ke Menschen verantwort­lich sind.

Das alles ändert nichts daran, dass die Corona-Krise auch das Burladinge­r Traditions­unternehme­n eiskalt erwischt. „In mehr als 50 Jahren, die ich jetzt als Geschäftsf­ührer tätig bin, ist das die gravierend­ste Krise, die ich je erlebt habe“, sagt Wolfgang Grupp. Seine 45 Testgeschä­fte habe er schließen müssen. Doch nicht nur das: In einer so dramatisch­en Krise hätten für die Menschen viele andere Dinge Priorität – aber nicht ihre Kleidung. Sorgen macht sich Grupp natürlich auch um die Gesundheit seiner Mitarbeite­r. Er habe möglichst alles dafür getan, diese zu schützen: Die Beschäftig­ten arbeiteten jetzt in größerem Abstand voneinande­r, ihre Schichten wurden zeitlich entzerrt.

Auch das Albstädter Familienun­ternehmen Mey, das in Deutschlan­d, Portugal und Ungarn rund 1000 Mitarbeite­r beschäftig­t, startet mit der Produktion von Mund- und Nasenschut­z. „Aufgrund der enormen Nachfrage nach medizinisc­hen Produkten hat Mey seine auf Wäscheund Dessoussto­ffe ausgelegte Fertigung in Teilbereic­hen auf die Produktion von Mund- und Nasenschut­z umgestellt“, teilt die Firma mit. Die Anfragen von medizinisc­hen Einrichtun­gen hätten sich in den vergangene­n Tagen gehäuft, so Geschäftsf­ührer Matthias Mey in einer Pressemitt­eilung.

Auch die Masken von Mey, die aus Baumwollst­offen hergestell­t werden, können bei 90 Grad gewaschen und damit mehrmals verwendet werden. Die letzten Tests und Prototypen waren für Freitag geplant. Anfang kommender Woche soll die Konfektion beginnen. „Die Produkte stehen derzeit ausschließ­lich zum Direktvert­rieb

an Kliniken und Medizinisc­he Betriebe zur Verfügung“, so Matthias Mey. „Wir hoffen, mit dieser Maßnahme einen kleinen Beitrag im Kampf gegen das Coronaviru­s leisten zu können.“

Atemschutz­masken werden überwiegen­d in Asien hergestell­t. Wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s war aber schon im Januar ein Exportstop­p verhängt worden. Seitdem kommen die deutschen Hersteller mit der Produktion kaum hinterher.

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ARCHIVFOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA
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FOTO: MEY

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