Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Drei Szenarien für die Restsaison
Württembergischer Fußball-Verband (WFV) verliert Strukturreform nicht aus dem Blick
BAD SAULGAU/STUTTGART - Der Württembergische Fußball-Verband (WFV) hat entschieden, den Spielbetrieb im Amateurfußball bis zur Verbandsliga bis mindestens zum 20. April 2020 auszusetzen (SZ vom Freitag). Doch ob unmittelbar nach diesem Datum wieder gespielt werden kann, ist eher fraglich. Längst plant der WFV den Spielbetrieb in Szenarien, wie ebenfalls aus der Pressemitteilung hervorgeht. Immer vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt geltenden Verordnung der Landesregierung.
Wie realistisch ist es, dass die Saison ab dem 20. April fortgesetzt werden kann?
Unrealistisch. Denn dann müsste zu diesem Zeitpunkt das Coronaproblem weitgehend gelöst sein. Derzeit steigen die Infektionszahlen in Deutschland immer noch rasant an. Und: Sollte es nach der Fortsetzung der Saison auf einem Sportplatz nur eine Infektion mit dem Coronavirus geben, muss der Spielbetrieb wieder unterbrochen werden. Eine zeitliche Fortsetzung scheint in der Folge schwierig, ja unmöglich. Mit der Deadline 20. April erkauft sich der WFV mehr Zeit, spätestens bis zum 6. April (dann soll darüber entschieden werden, ob es am 20. April weitergehen kann), um weiter an möglichen Szenarien zu feilen. Speziell in der Oberliga, aber auch in nachgeordneten Ligen, ergibt sich ein weiteres Problem: Was tun in Risikogebieten oder in Gebieten mit Ausgangssperren, wie im südbadischen Grenzgebiet und im Elsass. Viele elsässische Spieler spielen in südbadischen Vereinen.
Was bedeutet die Verlegung der EM auf 2021?
Zwar ist das Zeitfenster nach der Verlegung der Europameisterschaft auf 2021 im Fußball nach hinten ausgedehnt worden, und der Verband hat somit etwas Zeit gewonnen, doch die Saison muss am 30. Juni beendet sein. Denn was passiert sonst zum Beispiel mit den Vertragsspielern, deren Verträge am 30. Juni enden und die den Verein verlassen? Schließlich ist es nicht möglich, bis zum 30. Juni für einen Verein und ab 1. Juli für den anderen Verein innerhalb einer Saison zu spielen, heißt es von Seiten des WFV. Die Situation der Vertragsspieler betrifft zwar normalerweise nur die höheren Amateurklassen, da aber die Relegation nicht einfach ausgesetzt werden kann, hängen die einzelnen Amateurligen zusammen. Denn die nächste Frage ist: Was macht der WFV mit der Relegation? Aber natürlich, heißt es von Seiten des WFV, wolle man die Saison fertig spielen.
Welche Alternative hat der Verband?
Möglich, ja wahrscheinlich ist, dass die Saison abgebrochen wird. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der Stand zum Zeitpunkt des Abbruchs zählt, oder die Saison wird annulliert. Der WFV sei froh, die ersten angesetzten Spieltage in den oberen Ligen einigermaßen vollständig absolviert zu haben. Somit seien alle einigermaßen auf dem gleichen Stand. Die Spiele am 14. März wurden schließlich komplett abgesagt. Man habe für dieses Wochenende schon 60 bis 70 Anfragen für Spielabsagen gehabt, Dennoch erscheint ein „Cut“und die Wertung anhand des daraus resultierenden
Tabellenstands eher unwahrscheinlich. Wo und wann den Cut ziehen? Und: Eine Mannschaft hatte alle schweren Gegner zuhause, eine andere Mannschaft musste gegen die direkten Konkurrenten immer auswärts antreten. Alles Kriterien, die einen „Cut“zu einem bestimmten Zeitpunkt eher ausschließen.
So bliebe die Möglichkeit, die Saison abzubrechen und zu annullieren. Alle Ergebnisse würden wegfallen, es gibt keinen Auf- und keinen Abstieg. Zum einen, in den Profiligen vor allem, vielleicht juristisch schwierig. Und: Schlecht für die Vereine, die derzeit ihre Ligen anführen, wie der VfB Stuttgart II, der in der Oberliga drei Punkte Vorsprung auf den Zweiten, den 1. Göppinger SV, hat oder die Stuttgarter Kickers und den FV Ravensburg, die in der Oberliga noch Chancen auf die Relegation haben. Glück aber hätte beispielsweise die TSG Balingen, die in der Regionalliga dem (fast sicheren) Abstieg entgehen würde. Bitter wäre die Annullierung der Saison in der Verbandsliga für die TSG Backnang, die mit elf Punkten vor dem FSV Hollenbach vorne liegt, oder den SSV EhingenSüd, der nur einen Punkt hinter Hollenbach bei Fortführung der Saison noch Chancen auf die Relegation hätte. Bitter wäre ein Abbruch natürlich auch für einige Vereine des Bezirks Donau, allen voran für den TSV Riedlingen, Tabellenführer der Bezirksliga Donau mit 15 Punkten Vorsprung, der als Meister so gut wie feststeht, oder den TSV Sigmaringendorf, der acht Punkte Vorsprung in der Kreisliga B 4 hat.
Sind aufgrund der Coronakrise andere Themen wie die anstehende
Strukturreform quasi ausgesetzt?
Nein. Noch am 4. März hatte eine Kommissionssitzung das Thema Strukturreform intensiv beraten. Der Stand sei, so sagt der WFV, zufriedenstellend. Die Beiratssitzung Anfang April, auf der die nächsten Schritte in Richtung Beschlussfassung für den Verbandstag 2021 gefasst werden sollten, wurde ersatzlos gestrichen, aber man habe Hoffnung, die für Mitte Mai geplante Beiratssitzung durchführen zu können.
Gibt es Pläne, den Vereinen finanziell unter die Arme zu greifen. Sei es große Vereine, deren Kosten höher sind (wie z.B. in der Oberliga), oder mittlere und kleine Vereine, die zum Beispiel auf Eintrittsgelder oder auf Umsätze durch ihre Gaststätten verzichten müssen?
Verschiedene Überlegungen sind, laut des Württembergischen Fußball-Verbandes im Gange, aber noch nichts Konkretes. Außerdem hat der DFB bereits verkündet, Programme nicht alleine zur Rettung der großen Vereine, sondern auch für kleine Klubs, aufzulegen. Der DFB-Schatzmeister Osnabrügge äußerte am Freitag im Sport-InformationsDienst (SID) aber , dass es dem DFB nicht möglich sei, einzelne Amateurvereine zu unterstützen: „Wir haben 25 000 Vereine in Deuttschland. Würde man jedem Verein 3000 Euro Unterstützung in der Krise geben, wären die Rücklagen des DFB aufgebraucht.“Dagegen rät Osnabrügge den Vereinen, Kurzarbeit zu beantragen. Zudem erwarte er von denen, „die das Glück haben, in normalen Zeiten viel Geld mit dem Fußball verdienen zu dürfen, einen kleinen Solidaritätsbeitrag mit ihren Arbeitgebern.“