Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Von Schutzstreifen und E-Bikes
Im Interview spricht der Vorsitzende des ADFC über die Situation für Radfahrer im Kreis
LANGENHART - Die Temperaturen steigen und damit wächst (in der Regel) quasi automatisch auch die Zahl der Fahrradfahrer auf den Straßen. Einer, der sich für das Wohl und die Wünsche dieser einsetzt, ist Michael Gangotena. Er ist Vorsitzender des Allgemeinen deutschen Fahrradclubs (ADFC) im Landkreis Sigmaringen. Mit SZ-Redakteur Lukas M. Heger hat er über Radwege, Toleranz und den öffentlichen Nahverkehr gesprochen.
Was muss man sich unter dem ADFC vorstellen?
Wir sind ein Interessenverband für die Radfahrer und setzen uns dafür ein, dass die Radinfrastruktur besser wird – sofern sie noch nicht gut ist. Dabei versuchen wir auch ein besonderes Augenmerk auf Schulradwege zu legen. Ein bisschen kümmern wir uns auch um Tourismus, da wir Vermittler von Radreisen sind. Und wir haben eine Jugendoffensive, bei der wir versuchen, Kinder und Jugendliche mehr aufs Fahrrad und weg von den Elterntaxis zu bekommen.
Wie ist es denn um die Radinfrastruktur im Kreis Sigmaringen bestellt?
Es könnte natürlich mehr gemacht werden, insbesondere in Meßkirch. Aber Sigmaringen ist da auf einem guten Weg. Aber dennoch gibt es auch hier problematische Stellen wie die Ortsdurchfahrt Laiz. Da gibt es Schutzstreifen, die plötzlich enden und dann wieder irgendwo anfangen.
Was ist ein Schutzstreifen?
Ein markierter Abschnitt, der Radlern ein geschütztes Areal bieten soll. Aber das nur visuell, er bietet keinen Schutz vor nahenden Autos. Denn laut Definition ist er ein Bestandteil der Fahrbahn und darf von Autos bei Bedarf überfahren werden, soweit der Verkehr dadurch nicht gefährdet wird.
Was würde in Ihren Augen mehr Schutz bieten?
Wenn eine Ortsdurchfahrt zu schmal ist, dann tendiere ich eher zu Tempo 30. Denn das nimmt schon viel Gefahr von tödlichen Unfällen raus. Und es bringt mehr, als zwanghaft einen Schutzstreifen oder Radweg zu bauen, der nicht jedem gerecht wird. Und mit Toleranz der Verkehrsteilnehmer ist das eine feine Lösung.
Wie sieht es mit der Toleranz von Autofahrern gegenüber Radfahren aus?
Ich will das nicht verallgemeinern. Es gibt Leute, die halten sich an einen großen Abstand beim Überholen und fahren hinter einem, wenn es gerade nicht möglich ist. Es gibt aber auch schwarze Schafe, keine Frage.
Was muss in Meßkirch noch gemacht werden?
Dort gibt es wenige sogenannte benutzungspflichtige Radwege. Gerade wenn ich an die Kinder denke, die mit dem Fahrrad zur Schule fahren, besteht da noch Handlungsbedarf. Wenn man die Radwege nicht baut, einfach eine Zone 30 einrichten. Dann können die Kinder sicher fahren.
Und außerhalb der Städte im Kreis?
Tut man sich als Radfahrer oft etwas schwerer und muss auf Wirtschaftsoder Forstwege ausweichen.
Man sieht immer mehr E-Bikes auf den Straßen. Sind die auch beim ADFC Thema oder engagieren sich dort nur Fahrradpuristen die auf 3-Gang-Nabenschaltung setzen?
Natürlich sind E-Bikes Thema bei uns, ich besitze selbst eines. Auch wenn ich momentan wieder ohne Unterstützung fahre. Aber die Räder sind praktisch und man kann damit ja auch Unterschiede ausgleichen, wenn zum Beispiel der Partner nicht so fit ist. Zudem ist jede Fahrt mit dem E-Bike besser als eine mit dem Auto.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, innerhalb der nächsten Jahren etwas umzusetzen, was würden Sie machen?
Das ist gar nicht so leicht. Es sind ja von offiziellen Stellen Radwegkonzepte in Arbeit. Ein wichtiger Aspekt ist für mich die Teilstreckenmobilität. Also die Möglichkeit, einen Teil seiner geplanten Strecke mit dem Fahrrad und dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zurückzulegen. Das ist bis jetzt nur begrenzt möglich. Und ich würde mir wünschen, dass man das Radfahren schon im Vorschulalter den Kindern näherbringt und das Elterntaxi in den Hintergrund rückt – oder ganz eingestellt wird.
Warum das?
Ich glaube, dass die Eltern sich nicht darüber bewusst sind, den Kindern die Entwicklung einer eigenständigen Mobilität zu nehmen. Ein Kind braucht das, um Gefahren im Verkehr einschätzen zu können. Wenn das Fundament da ist und sie Fahrtechniken erlernen können, sind sie anschließend sicherer im Straßenverkehr unterwegs.
Sie beschäftigen sich auch mit dem ÖPNV. Was würden Sie da ändern wollen?
Verbindliche Fahrradmitnahmen schaffen. Gerade hier bei uns, in abgelegenen Teilorten, muss ein hoher Aufwand betrieben werden, um möglichst effizient mit dem Bus unterwegs zu sein. Für Menschen mit viel Zeit mag das kein Problem sein, aber wir bräuchten einen Busverkehr, der alle 20 Minuten oder jede halbe Stunde fährt und auch Radfahrer samt Rädern aus abgelegenen Teilorten mitnimmt. Denn eine wirkliche Alternative zum Auto kann es nur durch einen guten, optimal vernetzten ÖPNV mit dem Fahrrad und einer guten Radinfrastruktur geben. So könnten eventuell gerade noch so die Klimaschutzziele 2030 eingehalten werden. Was ja in unser aller Sinn sein sollte.