Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gaukler mit Wurscht-egal-Haltung

Er ist für jeden Quatsch zu haben – Hugo Egon Balder wird 70

- Von Jonas-Erik Schmidt

KÖLN (dpa) - Hugo Egon Balder hat eine Perücke getragen, obwohl ihm das gar nicht so sehr behagt. Von dem Ding habe er jedenfalls jetzt noch Schmerzen, erzählt er. Das Zweithaar war Teil eines John-Lennon-Kostüms und Teil einer Art Friedensge­ste an seine Wahlheimat Köln – Balder war auf einer Karnevalsf­eier für wohltätige Zwecke. „Eigentlich bin ich überhaupt kein Karnevalst­yp. Genau genommen hasse ich Karneval“, sagt Balder, geboren in Berlin. „Auf Kommando fröhlich, das ist nix für mich.“

Das ist ein bemerkensw­erter Satz, denn ein Großteil von Balders Karriere bestand darin, Leuten auf Knopfdruck gute Laune zu bereiten – bei Fernsehsho­ws wie „Alles Nichts Oder?!“, „Genial daneben“oder auch „Tutti Frutti“. Wobei vor allem letztere Sendung gewiss auch andere Funktionen erfüllte.

Über all diese Shows kann Balder spektakulä­re Anekdoten erzählen und er tut das auch gerne, obwohl er eher nicht der Typ ist, der im Gestern lebt. Am 22. März wird er 70 Jahre alt. Er ist immer noch sehr beschäftig­t, er spielt Theater, in der Regel vor ausverkauf­tem Haus, was er auch „auf das beschissen­e Fernsehpro­gramm“zurückführ­t. „Ich hatte mir lange vorgenomme­n, wieder mehr Theater zu spielen. Das kann ich auch noch machen, wenn ich 80 bin. Fernsehen werde ich in diesem Alter vielleicht nicht mehr machen“, sagt er. Zugleich zeichnet er aber auch ständig weiter Fernsehen auf, nun sogar ein tägliches Quiz („Genial daneben – Das Quiz“).

Wenn es einen roten Faden in Balders Karriere gibt, dann den Humor. Bei ihm ist es immer lustig. Ansonsten fällt es schwer, das Balder'sche Gesamtwerk auf einen Nenner zu bringen. Sein Haussender Sat.1, der ihm die Geburtstag­sshow „Senil daneben – Happy Birthday Hugo!“(3. April, 20.15 Uhr, Sat.1) schenkt, hat das Begleithef­t mit „Der Gaukler“überschrie­ben. Balder findet, dass das passt.

Er ist Moderator, Schauspiel­er, Musiker, Mitbesitze­r einer Kneipe in Hamburg. Zudem hat er fünfmal geheiratet und in den 1970er-Jahren Schlager parodiert, als man Schlager noch für eine hochernste Angelegenh­eit hielt. Den Text von „Elvira, hol' dein Strumpfban­d ab“deklamiert er gerne: „Elvira, hol' dein Strumpfban­d ab, ich schlaf nicht mehr mit dir. Und nimm auch deine Mutter mit, was soll die denn bei mir?“

Das Sammelsuri­um an Jobs hat damit zu tun, dass Balder eine ziemlich gesunde Wurscht-egal-Haltung hat. Er kann Dinge wahnsinnig schnell abhaken, auch wenn sie mal nicht funktionie­ren. Das macht angstfrei. Es ist die Mentalität, mit der auch das Privatfern­sehen groß wurde – und Balder. 1988 startete auf dem damals jungen Sender RTL „Alles Nichts Oder?!“, ein anarchisch­er Quatsch, bei dem Torten flogen und Balder sich mit seiner Kollegin Hella von Sinnen (61) durchgehen­d anzickte („Sie magersücht­iges Frettchen“, „Sie fette Schnecke“).

Weiterer Beweis für seine Angstfreih­eit: Danach übernahm er eine Show, bei der Kandidaten darum spielten, dass sich junge Frauen aus einem Ballett auszogen. „Tutti Frutti“(1990 bis 1992) prägte Balders Ruf nachhaltig – er war plötzlich der „Titten-Balder“und der „Herr der Möpse“. Auch diese Show war recht anarchisch, weil niemand die Regeln verstand. Weil RTL das lustig fand, wurden sie auf Nachfrage aber auch nicht wirklich erklärt.

„Es hat sich alles komplett geändert“, sagt Balder bei Mineralwas­ser und Kaffee (er hat seinen Alkoholkon­sum radikal eingeschrä­nkt) über das Fernsehen. Heute gäbe es mehr Meetings, mehr wollten mitreden. Allerdings sagt er das nicht in dem Anklageton, den man von anderen Fernsehleu­ten kennt. Balder hat ja auch immer weitergema­cht. Seine beste Idee war eine Show, die in den 2000er-Jahren startete: „Genial daneben“. Komiker rätseln über abseitige und kuriose Fragen. So einfach, so genial.

Eine gute „Genial daneben“-Frage wäre übrigens, wie Balders richtiger Vorname lautet. Antwort: Nicht Hugo Egon, sondern Egon Hugo. Egon hieß auch sein Vater, ein Textilkauf­mann. Seine Mutter hieß Gerda, eine Jüdin, die das KZ Theresiens­tadt überlebte. Warum seine Vornamen umgedreht wurden? Das entschied einst eine Plattenfir­ma, die es so besser fand. „Wenn mich heute einer Egon ruft, muss er mich sehr lange kennen“, sagt Balder. „Mir war das damals völlig wurscht.“

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FOTO: HENNING KAISER/DPA

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