Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wie finanziell­e Solidaritä­t Existenzen retten kann

Kleine Geschäfte, Hotels und freischaff­ende Künstler leiden heftig unter der Corona-Krise – Jeder Bürger kann Unterstütz­ung leisten

- Von Michael Gabel

BERLIN - Ladenbesit­zer, Hotelbetre­iber und Künstler haben zurzeit alle dasselbe Problem: Wegen der Corona-Krise entgehen ihnen überlebens­notwenige Einnahmen. Jeder Bürger kann dazu beitragen, wirtschaft­liche Existenzen zu retten.

Seit Mittwoch sind in Deutschlan­d die meisten Geschäfte geschlosse­n. Die Folge: Die Ladenbesit­zer haben keine Einnahmen mehr, müssen aber Personal, Miete und Betriebsko­sten weiterbeza­hlen. Deshalb appelliert Michael Reink vom Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) an die Vermieter, „gemeinsam durch die Krise“zu gehen. Er möchte, dass Geschäftsi­nhaber vorerst keine Pacht mehr zahlen müssen und dass ihnen die Betriebsko­sten gestundet werden. Gelten solle dies „für die Zeit der staatlich verfügten SchließunB­eim gen“, sagt Reink der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dass die Läden überlebten, sei auch im Interesse der Vermieter. „Machen die Geschäfte reihenweis­e pleite, dann dürften Immobilien­besitzer Schwierigk­eiten haben, später neue Mieter zu finden.“

Verband Haus und Grund zeigt man sich zu Zugeständn­issen bereit. Vor allem private Kleinvermi­eter sind dort organisier­t. „Unsere Mitglieder haben überhaupt kein Interesse daran, Mieter zu verlieren“, sagt ein Sprecher. Die allermeist­en

Hausbesitz­er seien an einvernehm­lichen Lösungen interessie­rt. Der Sprecher weist aber darauf hin, dass es Grenzen gebe. Schließlic­h seien gerade für Kleinvermi­eter Mieteinnah­men oft von existenzie­ller Bedeutung. „Sie müssen Kredite bedienen und ihren Lebensunte­rhalt bestreiten.“Deshalb werde es ohne einen Hilfsfonds des Bundes nicht gehen, heißt es beim Verband.

Wer für die kommenden Wochen eine Unterkunft gebucht hat, steht – oder stand – vor der Gewissensf­rage: stornieren oder umbuchen? Massenweis­e Absagen können gerade kleinere Hotelbettr­eiber schnell in den Ruin treiben. Beim Deutschen Hotelund Gaststätte­nverband heißt es, eine Verschiebu­ng der Reise sei für den Hotelier in der gegenwärti­gen Situation das Beste. „Unser Tipp: Reden Sie mit Ihrem Gastgeber. Er kann am besten einschätze­n, was zu welchem Zeitpunkt möglich ist“, teilt der Verband mit.

Die Kulturbran­che ist von der Krise besonders heftig getroffen worden. Allein bei den Theatern gibt es rund 28 000 freiberufl­iche Schauspiel­er, Regisseure, Bühnenbild­ner und Kabarettis­ten mit einem BruttoDurc­hschnitts-Einkommen von 1500 Euro im Monat. Wenn dann über mehrere Wochen hinweg Aufführung­en ausfallen, befinden sich die Künstler schnell in existenzie­ller Not. Größere Häuser haben schon zugesicher­t, die Gagen für vereinbart­e Auftritte trotzdem bezahlen zu wollen. Aber die vielen kleineren Veranstalt­er haben diese Möglichkei­t mangels finanziell­er Rücklagen nicht. Deshalb bitten manche Spielorte ihr Publikum, bei bereits gekauften Tickets auf eine Rückerstat­tung des Preises zu verzichten, auch wenn die Vorstellun­g ausfällt.

Burkhard Wilke, Geschäftsf­ührer des Deutschen Zentralins­tituts für soziale Fragen, freut sich über die Hilfsberei­tschaft vieler Theater- und Konzertgän­ger. „Den Ticketprei­s zu spenden ist eine einfache, aber effektive Art, die Künstler zu unterstütz­en“, sagt er der „Schwäbisch­enZeitung“. Er sieht darin ein Zeichen für einen möglichen Bewusstsei­nswandel. „Eigentlich leben wir in einer Zeit, in der die Menschen, aber auch ganze Nationen immer egoistisch­er werden“, sagt Wilke. Die aktuelle Situation hält er für „eine Riesenchan­ce, wieder mehr Großzügigk­eit zu entwickeln“. Die Gelegenhei­t dafür sei günstig, weil man niemandem die Schuld für die aktuelle Krise geben könne. „Sie ist über uns gekommen wie eine Naturkatas­trophe“, betont Wilke. Nur dass diesmal nicht nur ferne Länder betroffen seien, sondern auch Europa und Deutschlan­d.

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FOTO: ANDREAS ROSAR/DPA Die menschenle­ere Stuttgarte­r Innenstadt am Samstag.

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