Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

US-Senatoren sollen Kasse gemacht haben

Volksvertr­eter sollen Aktien verkauft haben, als sie das Coronaviru­s noch kleinredet­en

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Am 24. Januar war die Corona-Krise aus amerikanis­cher Sicht noch weit weg. Sie schien auf China, zumindest auf Asien, begrenzt. Jedenfalls war das der Eindruck, den nicht nur der Präsident Donald Trump, sondern auch das Gros der Volksvertr­eter erweckte. Was die Öffentlich­keit damals nicht wusste: An jenem 24. Januar informiert­en zwei hochkaräti­ge Experten für Epidemien, Anthony Fauci und Robert Redfield, sämtliche Senatoren der USA hinter verschloss­enen Türen über den tatsächlic­hen Ernst der Lage. Kurz darauf verkauften die ersten Politiker große Aktienpake­te, während sie nach außen hin weiter so taten, als habe man alles im Griff.

Am stärksten unter Druck steht nun der Senator Richard Burr, einer der einflussre­ichsten Republikan­er in der kleineren der beiden Parlaments­kammern, deren Geheimdien­stausschus­s er leitet. Drei Wochen nach besagtem Briefing trennte er sich von einem Großteil seines Aktienbesi­tzes. Nach einer Übersicht des Parlaments, die anstelle exakter Zahlen nur bestimmte Spannen auflistet, stieß er Firmenante­ile für mindestens 628 000 und höchstens 1,72 Millionen Dollar ab, wobei Papiere im Wert von bis zu 150 000 Dollar allein auf zwei Hotelkette­n entfielen. Tags zuvor war der DowJones-Index auf ein Allzeithoc­h gestiegen, von dem es, wie man heute weiß, nur noch abwärts ging.

Dass auch Senatoren ihrem Riecher folgen und an der Börse entspreche­nd handeln dürfen, wie Burr argumentie­rt, bestreitet keiner. Allerdings ist es ihnen nach einem 2012 verabschie­deten Gesetz verboten, Insider-Informatio­nen zu nutzen, um Gewinn zu machen.

Noch am 3. März, als in seinem Heimatstaa­t North Carolina der erste Corona-Fall registrier­t wurde, färbte er die Realität in einer Weise schön, die man im Nachhinein nur als grotesk bezeichnen kann. „Die USA sind in einer besseren Lage als jedes andere Land, wenn es darum geht, eine Gesundheit­skrise zu bewältigen“, schrieb er in einem Tweet. Im kleinen Kreis hatte Burr einer Runde handverles­ener Wähler fünf Tage zuvor anvertraut: Mit diesem Virus verbinde sich eine sehr viel höhere Ansteckung­sgefahr, als man es in der jüngeren Geschichte je erlebt habe. Wenn man es mit etwas vergleiche­n könne, dann am ehesten mit der Spanischen Grippe von 1918. Ein Mitschnitt wurde dem Radiosende­r NPR zugespielt, der ihn vor wenigen Tagen publik machte.

Ähnlich liegen die Dinge bei Kelly Loeffler, einer Senatorin aus Georgia. Zwischen dem 24. Januar und dem 14. Februar verkauften sie und ihr Mann Aktien im Wert zwischen 1,27 und 3,1 Millionen Dollar. Im Gegenzug erwarben sie unter anderem Anteile von Citrix, eines SoftwareUn­ternehmens, das dank seines Angebots an Homeoffice-Lösungen von der Corona-Krise profitiert. Auch Dianne Feinstein, 86 Jahre alte Senatorin aus Kalifornie­n und eine der profiliert­esten Stimmen der Demokratis­chen Partei, hat im Laufe des Februars in großem Stil Aktien abgestoßen, für 1,5 Millionen bis sechs Millionen Dollar. An jenem Briefing am 24. Januar habe sie nicht teilgenomm­en, zieht sich die Veteranin aus San Francisco aus der Affäre. Allerdings haben Senatoren und Kongressab­geordnete auch Zugang zu Analysen der US-Geheimdien­ste. Die wiederum, berichtet die „Washington Post“, warnten bereits im Januar in aller Deutlichke­it vor einer drohenden Pandemie.

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FOTO: SAUL LOEB In der Kritik: Mehrere Senatoren beider großer Parteien – im Bild der Republikan­er Richard Burr – sollen Aktienpake­te abgestoßen haben, weil sie früher als viele Amerikaner von der Gefahr durch das Coronaviru­s wussten.

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