Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Krankenhäuser fürchten Pleitewelle
Unsichere Finanzierung und viel Bürokratie: Am Rettungsplan von Gesundheitsminister Spahn lassen Klinikchefs kein gutes Haar
RAVENSBURG - Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen haben am Wochenende den von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten KrankenhausRettungsplan aufs Schärfste kritisiert. „Was generös klingt, ist in Wahrheit die Totenglocke für die deutschen Krankenhäuser und Vorsorgeund Rehakliniken“, erklärte Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK), in einem Brandbrief am Samstag. Was war geschehen? Auf Weisung der Bundesund Landesregierungen waren in der vergangenen Woche von den Krankenhäusern planbare, medizinisch nicht zwingend notwendige Operationen abgesagt worden, um die Kliniken auf Corona-Patienten vorzubereiten. Zudem sollen die Kliniken die Zahl der Intensivbetten, die aktuell bei rund 28 000 liegt und die zurzeit zu rund 80 Prozent belegt sind, verdoppeln.
Über die Finanzierung hatten sich die Vertreter von Klinikverbänden und Bundes-AOK dem Vernehmen nach am Freitag verständigt. Demnach sollten alle bürokratischen Hürden für die Zeit der Krise ausgesetzt werden und die Kliniken im Prinzip das Geld des Vorjahres erhalten. Um die Liquidität der Häuser zu gewährleisten, sollten von April bis Dezember monatliche Zahlungen überwiesen werden. Die Idee dahinter: Krankenhäuser, die ihr Budget aus dem Vorjahr kennen, könnten ungestört an die Arbeit gehen und sich ihrer Zahlungsfähigkeit sicher sein.
Doch in dem am Samstag durchgesickerten Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums war davon keine Rede. Stattdessen sollten die Kliniken für ausgefallene Operationen eine Erstattung von bis zu 500
Euro je Belegungstag und 30 000 Euro für jedes neue Intensivbett erhalten.
„Viel zu wenig. Das sei nur ein Bruchteil der tatsächlichen Ausfälle“, meldeten sich am Wochenende zahlreiche Klinikchefs zu Wort, weil sie dadurch Kurzarbeit, betriebsbedingte Kündiungen und Insolvenzen befürchten. Sie appellierten an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einzugreifen. Spahn besserte seinen Gesetzesvorschlag am Sonntag zwar nach. Er stockte nach der heftigen Kritik der Krankenhäuser die Bettenpauschale
auf 560 Euro pro Tag und den Bonus für Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit auf 50 000 Euro auf. Zudem sollen die Personaluntergrenzen in der Pflege rückwirkend zum 1. März für sechs Monate ausgesetzt werden. Doch bei Kosten von durchschnittlich 85 000 Euro pro Beatmungsplatz und explodierender Preise für medizinische Schutzausrüstungen reicht selbst das hinten und vorne nicht.
Hinzu kommt, dass Vorsorge- und Rehaklinken, die jetzt freigeräumt werden, in dem Gesetzentwurf überhaupt nicht mit zusätzlichem Geld bedacht worden sind. Es käme zur absurden Situation, dass dringend benötigte Ärzte und Pflegekräfte in der Krise entlassen werden oder in Kurzarbeit gehen müssten, so der BDPK. Obendrein sollen Krankenhäuser ihre Ärzte weiterhin detailgetreu die Arbeit dokumentieren lassen für eine spätere Abrechnung der Einzelleistungen. „Wir müssen aus sämtlichen administrativen Formalia raus. Wir brauchen in der aktuellen Krise das Personal auf den Stationen“, fordert Ellio Schneider, Geschäftsführer der Waldburg-Zeil Kliniken, der die Ersatzkassen für den kleinlichen Gesetzesvorschlag Spahns verantwortlich macht.
Die Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, man werde in der Krise „nicht kleckern, sondern klotzen“, entpuppe sich damit als Worthülse. Statt eines unbürokratischen Rettungsschirms habe das Bundesgesundheitsministerium nun ein Bürokratiemonster aufgebaut“, sagt Schneider. „Man lässt uns im Regen stehen.“
Schneider stellt nicht in Abrede, dass es im Zuge der Krise zu Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Hilfsgelder kommen könne. Doch das müsse man im Anschluss aufarbeiten. Jetzt gelte es, Budgetsicherheit zu haben, sonst wären in vier, fünf Wochen viele Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehakliniken pleite. Mit anderen umfangreichen Hilfsund Rettungsgesetzen soll der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn am Montag das Kabinett passieren.