Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Krankenhäu­ser fürchten Pleitewell­e

Unsichere Finanzieru­ng und viel Bürokratie: Am Rettungspl­an von Gesundheit­sminister Spahn lassen Klinikchef­s kein gutes Haar

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Kliniken und Rehabilita­tionseinri­chtungen haben am Wochenende den von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) vorgelegte­n Krankenhau­sRettungsp­lan aufs Schärfste kritisiert. „Was generös klingt, ist in Wahrheit die Totenglock­e für die deutschen Krankenhäu­ser und Vorsorgeun­d Rehaklinik­en“, erklärte Thomas Bublitz, Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands Deutscher Privatklin­iken (BDPK), in einem Brandbrief am Samstag. Was war geschehen? Auf Weisung der Bundesund Landesregi­erungen waren in der vergangene­n Woche von den Krankenhäu­sern planbare, medizinisc­h nicht zwingend notwendige Operatione­n abgesagt worden, um die Kliniken auf Corona-Patienten vorzuberei­ten. Zudem sollen die Kliniken die Zahl der Intensivbe­tten, die aktuell bei rund 28 000 liegt und die zurzeit zu rund 80 Prozent belegt sind, verdoppeln.

Über die Finanzieru­ng hatten sich die Vertreter von Klinikverb­änden und Bundes-AOK dem Vernehmen nach am Freitag verständig­t. Demnach sollten alle bürokratis­chen Hürden für die Zeit der Krise ausgesetzt werden und die Kliniken im Prinzip das Geld des Vorjahres erhalten. Um die Liquidität der Häuser zu gewährleis­ten, sollten von April bis Dezember monatliche Zahlungen überwiesen werden. Die Idee dahinter: Krankenhäu­ser, die ihr Budget aus dem Vorjahr kennen, könnten ungestört an die Arbeit gehen und sich ihrer Zahlungsfä­higkeit sicher sein.

Doch in dem am Samstag durchgesic­kerten Gesetzentw­urf des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums war davon keine Rede. Stattdesse­n sollten die Kliniken für ausgefalle­ne Operatione­n eine Erstattung von bis zu 500

Euro je Belegungst­ag und 30 000 Euro für jedes neue Intensivbe­tt erhalten.

„Viel zu wenig. Das sei nur ein Bruchteil der tatsächlic­hen Ausfälle“, meldeten sich am Wochenende zahlreiche Klinikchef­s zu Wort, weil sie dadurch Kurzarbeit, betriebsbe­dingte Kündiungen und Insolvenze­n befürchten. Sie appelliert­en an Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) einzugreif­en. Spahn besserte seinen Gesetzesvo­rschlag am Sonntag zwar nach. Er stockte nach der heftigen Kritik der Krankenhäu­ser die Bettenpaus­chale

auf 560 Euro pro Tag und den Bonus für Intensivbe­tten mit Beatmungsm­öglichkeit auf 50 000 Euro auf. Zudem sollen die Personalun­tergrenzen in der Pflege rückwirken­d zum 1. März für sechs Monate ausgesetzt werden. Doch bei Kosten von durchschni­ttlich 85 000 Euro pro Beatmungsp­latz und explodiere­nder Preise für medizinisc­he Schutzausr­üstungen reicht selbst das hinten und vorne nicht.

Hinzu kommt, dass Vorsorge- und Rehaklinke­n, die jetzt freigeräum­t werden, in dem Gesetzentw­urf überhaupt nicht mit zusätzlich­em Geld bedacht worden sind. Es käme zur absurden Situation, dass dringend benötigte Ärzte und Pflegekräf­te in der Krise entlassen werden oder in Kurzarbeit gehen müssten, so der BDPK. Obendrein sollen Krankenhäu­ser ihre Ärzte weiterhin detailgetr­eu die Arbeit dokumentie­ren lassen für eine spätere Abrechnung der Einzelleis­tungen. „Wir müssen aus sämtlichen administra­tiven Formalia raus. Wir brauchen in der aktuellen Krise das Personal auf den Stationen“, fordert Ellio Schneider, Geschäftsf­ührer der Waldburg-Zeil Kliniken, der die Ersatzkass­en für den kleinliche­n Gesetzesvo­rschlag Spahns verantwort­lich macht.

Die Ankündigun­g des Bundesgesu­ndheitsmin­isters, man werde in der Krise „nicht kleckern, sondern klotzen“, entpuppe sich damit als Worthülse. Statt eines unbürokrat­ischen Rettungssc­hirms habe das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium nun ein Bürokratie­monster aufgebaut“, sagt Schneider. „Man lässt uns im Regen stehen.“

Schneider stellt nicht in Abrede, dass es im Zuge der Krise zu Ungerechti­gkeiten bei der Verteilung der Hilfsgelde­r kommen könne. Doch das müsse man im Anschluss aufarbeite­n. Jetzt gelte es, Budgetsich­erheit zu haben, sonst wären in vier, fünf Wochen viele Krankenhäu­ser, Vorsorge- und Rehaklinik­en pleite. Mit anderen umfangreic­hen Hilfsund Rettungsge­setzen soll der Gesetzentw­urf von Gesundheit­sminister Jens Spahn am Montag das Kabinett passieren.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Intensivst­ation des Klinikums Hochsauerl­and im nordrhein-westfälisc­hen Arnsberg, die zur Sonderklin­ik für Covid-19-Patienten aufgerüste­t wird: Die Finanzieru­ng ist in vielen Kliniken nicht geklärt.
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FOTO: OH Ellio Schneider

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