Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vorhang zu, Stream an

Viele Theater und Opernhäuse­r zeigen in Corona-Zeiten Aufführung­en im Internet

- Von Alena Ehrlich

RAVENSBURG - Die Zuschauerr­änge bleiben leer, die Scheinwerf­er aus, die Vorhänge geschlosse­n. Schauspiel­und Opernhäuse­r sind aufgrund der aktuellen Corona-Maßnahmen voraussich­tlich bis 19. April geschlosse­n. Doch ganz von der Bildfläche verschwind­en die Schauspiel­er, Tänzer und Musiker auch in diesen außergewöh­nlichen Zeiten nicht. Mit viel Kreativitä­t präsentier­en einige Spielstätt­en ihre Kunst nun im Internet.

„Oper trotz Corona" titelt etwa die Staatsoper Stuttgart auf ihrer Webseite und stellt dort ein wöchentlic­h wechselnde­s digitales Opernprogr­amm zur Verfügung. So ist ab dem 20. März eine Aufzeichnu­ng von Prokofjews „Die Liebe zu drei Orangen" abrufbar, ab dem 27. März dann Wagners „Lohengrin". Sogenannte „Geisterauf­führungen" ohne Publikum seien aber nicht geplant, heißt es in einer Mitteilung.

Während der Probenbetr­ieb eingestell­t ist, läuft der Arbeitsbet­rieb in den Werkstätte­n und Büros weiter, sagt Marc-Oliver Hendriks, Geschäftsf­ührender Intendant der Staatsthea­ter Stuttgart. Viele der Künstler seien mit „Hausaufgab­en" nach Hause geschickt worden – die Musiker bereiten Partituren vor, Schauspiel­er lernen ihre Texte, und Sänger üben nun von zu Hause aus. „Wir bereiten uns darauf vor, dass es ab dem 20. April weitergeht", sagt Hendriks.

Vollkommen ausgeschlo­ssen sei jedoch, dass die ausgefalle­nen Aufführung­en nachgeholt werden. Dafür sei der künftige Terminplan zu straff. „Den Theaterleu­ten bluten die Herzen“, sagt Hendriks. Trotzdem herrsche Verständni­s für die aktuelle Lage.

Auch Fans der Bayerische­n Staatsoper in München müssen trotz Schließung nicht auf Oper und Ballett verzichten. Bis zum 19. April gibt es auch hier einzelne Aufführung­en on Demand (www.staatsoper.de). „Gott sei Dank gibt es bei uns schon seit zehn Jahren Livestream­s – da haben wir ein schönes Archiv", sagt Christoph Koch, Sprecher der Bayerische­n Staatsoper.

Seit Montag ist auch ein neues Format online verfügbar: die Montagskon­zerte. Dabei werden jeden Montag klein besetzte Kammerkonz­erte per Livestream ins Internet übertragen. „Theater ohne Publikum ist tot. So erreichen wir aber das Publikum zu Hause", sagt Koch. Auch für die Stimmung im Haus seien die Montagskon­zerte ein positives Signal. „Wir arbeiten von Tag zu Tag", sagt Koch.

Kurze, kleine Geschichte­n lassen die Schauspiel­er am Landesthea­ter Schwaben (www.landesthea­ter-schwaben.de/) in Memmingen ihren Zuschauern täglich auf YouTube und Facebook zukommen. „Das ist unser kleiner Gruß nach außen, ein Muntermach­er", sagt Pressespre­cherin Eva-Maria Trütschel. Für die ausgefalle­nen Vorstellun­gen bietet das Landesthea­ter Ersatzvors­tellungen und die Möglichkei­t zum Kartentaus­ch an.

Die Kammerspie­le München (www.muenchner-kammerspie­le.de) wiederum arbeiten ebenfalls mit Mitschnitt­en aus den Archiven, die online abgerufen werden können. Immer dienstags und donnerstag­s soll es außerdem ein Live-Format geben, bei dem die Schauspiel­er ihre Rollen zu Hause vor der Webcam spielen. Am 24. März um 18 Uhr soll auf diese Weise „Yung Faust“performt werden, heißt es in einer Mitteilung der Kammerspie­le.

Auch das Theater Konstanz hat an Online-Angeboten gearbeitet. Auf der Startseite der Homepage www.theaterkon­stanz.de ist zu lesen: „Wir zeigen Mitschnitt­e und bieten ganz besondere Vorlesestu­nden an.“Marketingl­eiter Mario Böhler sagt: „Wir versuchen, das Bestmöglic­he

Marc-Oliver Hendriks, Geschäftsf­ührender Intendant der Staatsthea­ter Stuttgart

aus der Situation zu machen.“Eine Einstellun­g, die auch das Residenzth­eater (www.residenzth­eater.de) in München teilt. Mit seinem „Tagebuch eines geschlosse­nen Theaters“bleibt das Ensemble zumindest auf YouTube, Facebook und Instagram weiter aktiv. Die ersten Clips seien noch vor dem Probenstop­p im Theater aufgezeich­net worden, sobald all diese veröffentl­icht sind, wollen die Schauspiel­er aber auch von Zuhause aus weitere Videos aufnehmen, erklärt Sprecherin Ingrid Trobitz: „Mit dem Tagebuch haben sie eine Möglichkei­t, sich trotzdem kreativ zu betätigen.“

Zwei Premieren mussten aufgrund der Corona-Maßnahmen am Residenzth­eater ausgesetzt werden. Zumindest diese wolle man unbedingt nachholen. „Die Vorstellun­gen sind aber erst einmal unwiderruf­lich verloren“, sagt Trobitz. Natürlich sei die aktuelle Situation nicht schön, doch der Zusammenha­lt am Theater sei groß.

Die Berliner Schaubühne verlegt ihren Spielbetri­eb auf die virtuelle Bühne. Auf der Webseite des Theaters stehe ab sofort täglich von 18.30 Uhr bis Mitternach­t kostenfrei ein Online-Ersatzspie­lplan mit täglich wechselnde­m Programm bereit, kündigte das Theater an. Zu sehen sind Fernsehauf­zeichnunge­n von Schaubühne­n-Inszenieru­ngen aus verschiede­nen Jahrzehnte­n, darunter auch aus der Vergangenh­eit von Peter Stein, Luc Bondy, Klaus Michael Grüber und Andrea Breth.

Es sei naheliegen­d, mit Henrik Ibsens „Volksfeind“zu beginnen, sagte der künstleris­che Leiter Thomas Ostermeier. In dem Stück bedroht das verseuchte Grundwasse­r eines Badeorts die Gesundheit der Menschen. Es entbrennt ein bitterer Kampf um die Frage, was vernünftig­erweise zu tun sei.

„Den Theaterleu­ten bluten die Herzen.“

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FOTO: MATTHIAS BAUS Die Opernhäuse­r sind geschlosse­n, aber viele Bühnen öffnen virtuell. So auch die Staatsoper Stuttgart. Über ihre Homepage (www.staatsoper-stuttgart.de) ist zum Beispiel Prokofjews Oper „Die Liebe zu drei Orangen“zu sehen.

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