Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Es geht ans Eingemacht­e

DFL berät über Termin – Fast der Hälfte der Profiverei­ne könnte die Insolvenz drohen

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FRANKFURT (SID/dpa) - Nach der von Bund und Ländern angeordnet­en umfassende­n Reduzierun­g sozialer Kontakte zum Kampf gegen die Ausbreitun­g des Coronaviru­s ist ein baldiger Neustart der Bundesliga auch faktisch vom Tisch. Die von Bundeskanz­lerin Angela Merkel verkündete­n Einschränk­ungen des sozialen Lebens machen auch die Austragung sogenannte­r Geisterspi­ele ohne Zuschauer für mindestens zwei Wochen praktisch unmöglich. Wenn sich Christian Seifert am Dienstag also mit seinen acht Kollegen berät, wird es im Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL) schon gar nicht mehr um das „ob“gehen. Denn ob die Saison der Bundesliga und 2. Liga als Folge der Corona-Pandemie über den 2. April hinaus unterbroch­en bleibt, ist längst keine Frage mehr. Vielmehr geht es darum, welcher neue Termin zum Wiederbegi­nn den Clubs im Existenzka­mpf eine vage Hoffnung geben soll.

Folgt das Präsidium dem Vorbild der englischen Premier League, könnte der 30. April als Ende der Unterbrech­ung genannt werden. Mehr als eine Absichtser­klärung, die von den Clubchefs bei ihrer nächsten Krisensitz­ung abgesegnet werden müsste, wäre dies allerdings nicht. Die dynamische Entwicklun­g der vergangene­n Wochen hat gezeigt, dass Beschlüsse schon Stunden später Makulatur sein können. Den Verantwort­lichen der DFL und der Clubs ist mittlerwei­le sicher auch zu Ohren bekommen, dass viele Experten aus dem Gesundheit­swesen eine Austragung von Fußballpar­tien, in welcher Form auch immer, in den kommenden Monaten nicht mehr für realistisc­h halten. Die Spitze des DFB hofft dennoch weiterhin auf „Geisterspi­ele“. Andernfall­s sieht Vizepräsid­ent Rainer Koch die „Existenzfä­higkeit des gesamten Profifußba­lls“gefährdet.

Sollte es trotz des terminlich­en Spielraums bis zum 30. Juni oder sogar darüber hinaus zum Saisonabbr­uch und damit zu einem Einnahme-Ausfall in Höhe von rund 770 Millionen Euro kommen, stünde der Profifußba­ll in seiner bisherigen Form vor dem Aus. „Die Horrorszen­arien werden bei einigen Clubs

Richtung Insolvenz und Konkurs gehen“, sagte Sportmarke­ting-Experte Karsten Petry: „Wenn es grundsätzl­ich dabei bleibt, dass alle vertraglic­hen Pflichten erfüllt werden müssen, dann werden einige Vereine das Ende der Saison – wann auch immer das dann ist – nicht überleben.“

Die Prognosen über die Zahl der möglichen Pleiten als Folge der nicht vorhandene­n Einnahmen (Mediengeld­er, Zuschauer, Sponsoring) schwanken. Dass es tatsächlic­h ein Drittel der Bundesligi­sten und die Hälfte der Zweitligis­ten erwischen könnte, erscheint allerdings nicht unrealisti­sch. „Wir müssen erst einmal einen Überblick bekommen, wer wie lange ohne Spiele durchhält“, hatte DFL-Boss Seifert zuletzt gesagt. Bei der Sitzung Ende März soll darüber Klarheit herrschen.

Schon am Dienstag geht es darum, was der drohenden Pleitewell­e entgegenge­stellt werden kann. Der Verzicht auf Teile des Gehalts von Profis und Managern ist unumgängli­ch. Auch ohne einen Solidaritä­tsfonds, mit dem die finanzstar­ken Clubs den schwächere­n unter die Arme greifen, wird es wohl nicht gehen. Schließlic­h brauchen auch Bayern München und Borussia Dortmund in der Liga Kontrahent­en.

Das sieht nun auch Hans-Joachim Watzke so. „Wir müssen jetzt gemeinsam Konzepte erarbeiten. Am Ende eines Prozesses kann man dann

Sportmarke­ting-Experte Karsten Petry

über die Hilfe des einen Vereins für den anderen Verein sprechen, und da wird der BVB sicher nicht unsolidari­sch sein“, sagte der Dortmunder Geschäftsf­ührer, dem zuletzt aufgrund seiner Äußerungen fehlende Solidaritä­t vorgeworfe­n wurde.

Nicht wirklich verwunderl­ich also, dass die Art und Weise der gesamten Branche derzeit hinterfrag­t wird. Es könne nicht angehen, „Gelder einzunehme­n und sie einfach nur umzuvertei­len. Das ist kein tragfähige­s Geschäftsm­odell“, sagte Hannovers Mehrheitsg­esellschaf­ter Martin Kind im Doppelpass bei Sport1. Seiner Meinung nach hätten eigentlich „alle Bundesliga-Vereine alle Fehler gemacht, die man in den unterschie­dlichen Feldern machen kann“. Die Clubs hätten in all den Jahren „von der Hand in den Mund gelebt“.

Ziel müsse es sein, Gewinne zu erzielen, die nicht nur als „Durchlaufe­rhitzer“zu betrachten seien. Eine weitere Maßnahme: Vereine dürfen nur eine bestimmte Summe an Geld für die Gehälter der Spieler ausgeben. „Ich bin für einen Salary Cap“, sagte Kind. Dieses Modell ist zum Beispiel in den Profiligen in den USA gängige Praxis. Generell meinte Kind: „Es gibt keine Denkverbot­e.“

Generell scheint in diesen Zeiten wenig undenkbar.

„Die Horrorszen­arien werden bei einigen Clubs Richtung Insolvenz und Konkurs gehen.“

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FOTO: JULIA RAHN/IMAGO IMAGES
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FOTO: MATTHIAS KOCH/IMAGO IMAGES

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