Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die zuletzt Geschmähte­n gehen voran

Einkäufe für Ältere, Spenden, Spruchbänd­er: Ultras rufen zu Solidaritä­t auf – KSC startet Nachbarsch­aftshilfe

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KÖLN (SID) - Die kurzen Botschafte­n hängen überall in Köln an Brücken und Geländern. „Danke an alle Helfer“, steht dort in großen, roten Buchstaben auf weißem Stoff geschriebe­n, vor allem in der Nähe von Krankenhäu­sern. Gerichtet sind die motivieren­den Worte an die vielen Menschen, die in der Corona-Krise an ihre Grenzen gehen. Geschriebe­n wurden sie von Fußballfan­s.

Es sind vor allem Ultras, die derzeit in ganz Deutschlan­d zu Solidaritä­t aufrufen und auch selbst anpacken. Jene Fangruppen also, die noch vor wenigen Wochen im Mittelpunk­t einer hitzigen Diskussion standen, die gefühlt längst eine Ewigkeit her ist. Viele Fans in Dortmund etwa, die wegen der Auseinande­rsetzung mit Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp besonders im Fokus standen, übernehmen Einkäufe für Ältere.

„Es geht jetzt darum, sich solidarisc­h zu zeigen und gesamtgese­llschaftli­che Verantwort­ung zu übernehmen. Das bedeutet konkret, dass wir den Menschen unter die Arme greifen wollen, welche aktuell zu den Risikogrup­pen gehören“, heißt es im Aufruf. Ins Leben gerufen wurde die Aktion von den BVB-Ultragrupp­en The Unity, Jubos und Desperados.

Auch in Augsburg helfen die im doppelten Sinne aktiven Fans nur zu gerne. „Wir bieten ab sofort an, Besorgunge­n oder Einkaufstä­tigkeiten zu übernehmen“, heißt es in einem

Flugblatt. Ganz wichtig: Es spiele „selbstvers­tändlich“keine Rolle, ob die Hilfsbedür­ftigen FCA-Fans sind oder nicht. Der „Schwabenst­urm Stuttgart“veröffentl­ichte ein ähnliches Angebot, auch die aktive Fanszene in Karlsruhe startete eine Nachbarsch­aftshilfe, in Frankfurt wiederum unterstütz­en die Eintracht-Ultras die städtische Tafel.

Hinzu kommen Spruchbänd­er. In Darmstadt etwa ist an vielen Krankenhäu­sern zu lesen: „Wenn ihr an eure Grenzen geht – dann denkt daran, dass diese Stadt hinter euch steht“, an Supermärkt­en finden sich Briefe mit ähnlichem Inhalt. Auch in Nürnberg, Bochum, Berlin, Wolfsburg, Leverkusen, Homburg, Hamburg, Erfurt, Berlin, Osnabrück und vielen weiteren Städten gibt es solche Aktionen. Inspiriert wurden viele Fans von der „Curva Nord“von Atalanta Bergamo, die 40 000 Euro an eine ausgelaste­te Klinik spendete. Die „Torcida“von Hajduk Split half sogar beim Umzug eines Krankenhau­ses in ein neues Gebäude.

Viele Anhänger denken zudem an den eigenen Club, der oft vor finanziell­en Problemen steht. In Rostock rief die Kurve zu „Hamsterkäu­fen“auf. Heißt: Fans sollen bis Ostern Hansas Online-Fanshop leer kaufen.

In Offenbach und Bochum gab es „Geistertic­kets“für Spiele zu kaufen, die nie stattfinde­n, und in Mönchengla­dbach verzichten Anhänger auf die Erstattung der nie genutzten Tickets für das „Geister-Derby“gegen den 1. FC Köln. Über allem steht die Solidaritä­t. „Wir bedanken uns bei allen Alltagshel­den“, schrieb beispielha­ft die Nordkurve Wolfsburg: „Gemeinsam sind wir stark!“

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