Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Party, Puder, Posen

In Berlin gibt es einen Spielplatz für die Generation Instagram – „The WOW! Gallery“

- Von Jordan Raza

BERLIN (dpa) - Das rechte Bein angewinkel­t. Die Haare hinters Ohr gestrichen und die Hand in der Hüfte dann macht es „Klick, Klick, Klick“. „Ja, es ist schon auch anstrengen­d“, gibt die 42-jährige Khalan zu, während sie im rot-schwarzen Rockabilly-Outfit zwischen grünen Leuchtröhr­en posiert. Seit mittlerwei­le sechs Stunden lässt sie sich von ihrer Freundin in der Berliner „The WOW! Gallery“fotografie­ren - ein Spielplatz für Instagramm­er.

25 austauschb­are Fotosets auf 1000 Quadratmet­ern – darunter ein Berliner Partyraum, instagramt­ypische Engelsflüg­el und ein Spätkauf, kurz „Späti“, in knalligem Pink. „Fun, Fashion und Berlin sind unsere Haupttheme­n hier“, sagt Gründer Torsten Künstler (50). Der Drehbuchau­tor, der sonst mit Schauspiel­ern wie Til Schweiger oder Matthias Schweighöf­er zusammenar­beitet, hat mit anderen Filmschaff­enden den Abenteuers­pielplatz für die Generation Instagram und TikTok kreiert. Vorbilder für „The WOW! Gallery“gibt es mittlerwei­le viele. In New York heißt es „Museum of Ice Cream“, in Budapest „Museum of Sweets & Selfies“. Als erster deutscher Ableger eröffnete 2018 das „Supercandy Pop-Up Museum“in Köln. „Das Besondere bei uns: Hier gibt's das perfekte Licht, das für den WowEffekt sorgt. Besucher sehen weder zu blass noch zu grell auf den Fotos aus“, so Künstler.

„Das Licht ist mega, ich habe bestimmt 20 Outfits dabei“, sagt die 22jährige Besucherin Sarina, während sie sich in einer himmelarti­gen Kulisse mit Wolken und Regenbogen in Szene setzt. Das rechte Bein angewinkel­t, die Hand in der Hüfte – die Pose scheint üblich. „Ein gutes Bild aus dem Selfie-Museum wird schon dabei sein“, sagt sie und lacht.

Selfie-Museum: ein Begriff, der auch in der offizielle­n Beschreibu­ng der „The WOW! Gallery“steht, aber eigentlich falsch ist. „Aber er hat sich geprägt und nach ihm wird gesucht“, meint Künstler, der bei seinen Kulissen auf knallige Farben und Interaktio­nsmöglichk­eiten setzt. Er bezeichne es jedoch lieber als „Do-ityourself-Studio“. Selfies gebe es hier auch kaum. „Die Bilder entstehen in Teamarbeit.“

Sich in verschiede­nen Posen ablichten und die Fotos in sozialen Medien veröffentl­ichen – für viele junge

Menschen ist das normal. Medienwiss­enschaftle­r Marc Urlen vom Deutschen Jugendinst­itut (DJI) glaubt, dass dieser Trend noch nicht vorbei ist. Er verlagere sich nur von Kanal zu Kanal. „Zuerst hatte man Facebook, dann YouTube und Instagram und jetzt TikTok, wo man die Videos auf wenige Sekunden zuspitzt, um in kürzerer Zeit noch mehr Reize zu haben“, sagt Urlen. Er sieht den Social-Media-Hype der jungen Menschen kritisch. „Heranwachs­ende können ihr Verhalten oft nicht reflektier­en. Sie sehen nur die Klicks“, erklärt er. Dem könne man nur entgegenwi­rken, wenn man in der Schule Medienkomp­etenz vermittele.

Laut Urlen glauben viele Heranwachs­ende, durch gute Fotos in den sozialen Netzwerken bekannt zu werden. „Influencer ist für viele junge Menschen ein attraktive­r Beruf. Vor allem, wenn sie in herkömmlic­hen Berufsfeld­ern keine guten Aussichten haben“, sagt Urlen. Influencer sind Personen, die aufgrund ihrer Reichweite in den sozialen Netzwerken zu Meinungsfü­hrern avancieren und so Geld verdienen können. „Klar ist es für Jugendlich­e attraktiv und sie wollen auch den Sprung schaffen und Follower und Klicks sammeln.“

Künstler sieht den Trend weniger kritisch. Menschen hätten sich schon immer präsentier­en wollen. Heute sei es nur einfacher, meint der Drehbuchau­tor, dem die Idee für „The WOW! Gallery“auf einem Musikfesti­val kam. „Als ich gesehen habe, dass die Menschen lieber für das perfekte Foto als für die Acts Schlange stehen, war das Konzept geboren“, erzählt er. „Kulissen bauen kann ich – wieso also nicht für diejenigen, die das Smartphone mit der Muttermilc­h bekommen haben?“

Besucher der „The WOW! Gallery“lassen sich den Spaß einiges kosten. Ein normales Ticket für 90 Minuten kostet 29 Euro. „Zusätzlich können Gäste einen profession­ellen Fotografen engagieren, der die Gruppe begleitet.“Hier geht die Preisspann­e von 67 Euro für 45 Minuten bis hin zu 400 Euro für einen ganzen Tag“, sagt Künstler. Auch ein persönlich­er Stylist könne dazu gebucht werden.

Sarina ist mittlerwei­le im Konfettira­um angekommen. Goldene Glitzersch­nipsel schießen aus einer Kanone und regnen auf sie herab. „Ich weiß nicht, ob ich ein Foto posten werde“, sagt sie. „Um Influencer zu sein, habe ich eh zu wenig Follower.“

 ?? FOTO: CARSTEN /DPA ?? In der „The WOW! Gallery“in Berlin können sich Besucher vor den unterschie­dlichen Kulissen des Selfie-Museums fotografie­ren.
FOTO: CARSTEN /DPA In der „The WOW! Gallery“in Berlin können sich Besucher vor den unterschie­dlichen Kulissen des Selfie-Museums fotografie­ren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany