Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Eine Busfahrt in Krisenzeiten
Während andere im Home-Office sind, ist Josef Strobel auf der Straße.
SIGMARINGEN/MESSKIRCH - „Normalerweise würden hier jetzt mindestens 15 Leute einsteigen und mitfahren“, sagt Josef Strobel, als er am vergangenen Freitagnachmittag den Bus der Linie 102 am Leopoldplatz in Sigmaringen zum Stehen bringt. Über die hintere Tür betreten zwei Menschen den Bus. Es sei nicht seine erste Tour an diesem Tag, dennoch könne er die Fahrgäste der vergangenen Stunden an einer Hand abzählen, so der 58-Jährige, der die Lage bezüglich der Fahrgäste als „extrem ruhig" beschreibt. Selbst in den Ferien sei in der Regel mehr los.
Die Corona-Krise spiegelt sich aber nicht nur in den Fahrgastzahlen wider. Wer mit dem Bus fahren möchte, kann nur hinten einsteigen. Zwei Meter hinter Strobel hängt eine rot-weiße Kette, um die Mitfahrer auf Abstand zu halten. Fahrkarten müssen vorab per Handy-App oder am Automaten gekauft werden. Ob wirklich alle ein gültiges Ticket haben, daran zweifle Strobel ab und an. Die Wahrung der Distanz mache jedoch Kontrollen schwieriger und „eine gewisse Grundangst vor dem Virus und einer Ansteckung“habe ja jeder. „Vor Kurzem war ein Kunde mit Mundschutz im Bus. Da macht man sich dann natürlich schon seine Gedanken“, so Strobel. Trotzdem fühle er sich auf seinem Sitz relativ sicher. Die Kette halte die Fahrgäste auf Distanz, eine Plastikscheibe hinter ihm sorge zudem für ein besseres Sicherheitsgefühl.
„Man merkt, dass die Leute daheim bleiben und nicht unnötig in der Gegend rumfahren“, so Strobel. Er ist nach eigenen Angaben seit 30 Jahren als Busfahrer tätig und sagt, dass „das gerade schon sehr frustrierend ist“. Auch wenn es kaum Fahrgäste gebe, fahre Strobel jede Haltestelle an. Und wenn doch mal jemand zusteige, vermeide er selbstverständlich jeden Kontakt, so der Busfahrer, der ein bisschen Normalität wahren möchte und seine Fahrgäste grüße – die momentan jedoch auch reservierter seien als sonst. Die meisten Kunden, so Strobel, hätten derweil den Ernst der Lage erkannt und würden sich auch von der Absperrung fernhalten und die getroffenen Maßnahmen nicht infrage stellen.
Es sei kein leichter Job dieser Tage, sagt Strobel und erklärt: „Wenn ich mir die Wochen so anschaue, dann ist das einzig Positive daran, dass wir so wenig Kontakt zu den
Kunden haben.“Aber die Busse fahren weiterhin. Ihre Fahrer sorgen für ein bisschen Normalität und ein funktionierendes System in dieser außergewöhnlichen Situation. „Das ist jetzt nun mal so, die Arbeit muss trotzdem weitergehen“, betont Strobel.
Ein wenig einsam sei es schon bei den Fahrten übers Land, so der Busfahrer. Und wenn auf dem Weg nach Meßkirch nun der letzte Fahrgast aussteigt? „Dann singe ich vielleicht einfach ein bisschen, wer weiß“, sagt Strobel mit einem Lächeln auf den Lippen.