Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Uneinigkeit über Corona-Proben in Ravensburger Labor
Abstriche aus oberschwäbischen Landkreisen sind in Ravensburger Labor liegengeblieben
RAVENSBURG (vin) - Nach einer Verzögerung bei der Bearbeitung von rund 2000 Coronavirus-Proben in Ravensburg kam am Montag Entwarnung – zumindest vom hierfür verantwortlichen MVZ Labor Dr. Gärtner. Baden-Württembergs Gesundheitsministerium hatte am Sonntag erklärt, die Proben könnten nicht mehr analysiert werden. Nun teilte das Labor mit: „Alle bei uns eingelieferten Proben werden wir schnellstmöglich untersuchen.“Die Behörden blieben aber auch am Montag bei ihrer Aufforderung vom Vortag: Betroffene, die noch kein Ergebnis und weiter Symptome haben, sollen demnach ein zweites Mal zum Test. Betroffen sind vier Landkreise: Tübingen, Biberach, Ravensburg sowie der Bodenseekreis.
RAVENSBURG - Normalerweise dauert es ein oder zwei Tage, bis das Ergebnis eines Coronatests vorliegt. Weil es Lieferengpässe einer Chemikalie gab, die für die Auswertung benötigt wird, sind im Ravensburger MVZ-Labor Dr. Gärtner in der vergangenen Woche jedoch 2000 Tests liegen geblieben. Betroffen sind hauptsächlich Patienten aus den Kreisen Tübingen, Biberach, Ravensburg und dem Bodenseekreis. Während das Landessozialministerium und die Kreisgesundheitsämter Menschen mit schweren Atemwegssymptomen und Fieber empfehlen, sich erneut auf Covid-19 testen zu lassen, teilt das Labor nach Rücksprache mit dem Robert Koch-Institut mit, die Abstriche seien noch brauchbar.
„Gestern erreichten uns Hilferufe von Gesundheitsämtern, die uns Faxe vorgelesen haben, in denen das Labor Dr. Gärtner mitteilte, dass sie viele Tests nicht mehr auswerten könnten“, sagte Markus Jox, Sprecher des Sozialministeriums, am Montag der „Schwäbischen Zeitung“. Konkret sei es um 2000 Abstriche gegangen, die im Zeitraum vom 14. bis 18. März in ganz Oberschwaben genommen worden waren, die Hälfte davon im Landkreis Tübingen. Daraufhin hatte das Ministerium noch am Sonntag eine Pressemitteilung herausgegeben, gemeinsam mit den am stärksten betroffenen Gesundheitsämtern. Verbunden mit deutlicher Kritik: „Das Vorgehen des Labors hält alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger weiter in Ungewissheit und ist nicht akzeptabel.“Irritiert habe die Gesundheitsämter dabei vor allem, dass die Nachricht erst so spät gekommen sei – nachdem reihenweise Patienten bei den Behörden oder Hausärzten angerufen hatten, um nach ihrem Testergebnis zu fragen.
Beispiel Landkreis Biberach, wo 270 Menschen betroffen sind, deren Tests überwiegend vom Gesundheitsamt in Auftrag gegeben wurden. „Unser Bürgertelefon stand nicht still. Die Menschen waren verunsichert“, sagt der Biberacher Landrat Heiko Schmid. „Im Sinne einer offenen und guten Kommunikation hätte ich erwartet, dass wir rechtzeitig über die Probleme informiert werden. Noch am Freitag gingen wir davon aus, dass die Tests ausgewertet werden und uns die Ergebnisse umgehend zur Verfügung stehen. Erst im Laufe des Sonntags hat sich dann abgezeichnet, dass da was schief läuft.“
Gerüchte über einen Teststau beim Labor Dr. Gärtner sprachen sich in Ravensburger Medizinerkreisen schon seit Donnerstagabend herum. Es sei sogar von 6000 verschleppten Tests die Rede gewesen, sagt Hans Bürger, Vorsitzender der Ravensburger Kreisärzteschaft. „Die Hausärzte haben sich gewundert, dass keine Ergebnisse zurückkamen. Ich war geschockt.“Nachdem sich der Verdacht immer weiter erhärtet habe, sei am Wochenende die Zahl der Tests deutlich heruntergefahren worden. Samstag und Sonntag wurden in Ravensburg nur noch je zehn Abstriche vorgenommen, sonst waren es täglich zwischen 50 und 200.
Derweil wehrt sich das Labor Dr. Gärtner gegen den Vorwurf, die zuständigen Stellen zu spät informiert zu haben. „Die Einschränkungen der Testkapazitäten aufgrund von Lieferengpässen der Zulieferer wurden bereits frühzeitig sowie wiederholt in der vergangenen Woche an unsere Einsender und die Gesundheitsämter kommuniziert, insbesondere auch bei einer Telefonkonferenz am 16. März 2020 an das Landesgesundheitsamt und Sozialministerium“, schreiben der Ärztliche Leiter Diethard Müller und die Leiterin der Abteilung Molekularbiologie, Nele Wellinghausen, in einer Presseerklärung.
Das wiederum bestreitet Ministeriumssprecher Jox. „Natürlich haben uns Labore im ganzen Land immer wieder gesagt, dass die Kapazitäten eng sind. Aber bei der fraglichen Telefonschalte haben sie mit keinem Wort erwähnt, dass sie Gefahr laufen, Tests wegschmeißen zu müssen.“Jox empfiehlt genau wie die Kreisgesundheitsämter Patienten mit starken Covid-19-Symptomen, die im fraglichen Zeitraum getestet wurden, aber bis heute kein Ergebnis bekommen haben, sich erneut testen zu lassen. Das Labor versichert hingegen, die Ergebnisse nachzuliefern. Nach Rücksprache mit dem Robert Koch-Institut sei geklärt, dass die Abstriche weiterhin brauchbar seien und verwertet werden könnten. „Alle bei uns eingelieferten Proben werden wir schnellstmöglich untersuchen.“
Kreisärztechef Hans Bürger war am Montagnachmittag zu einem klärenden Gespräch bei Müller und Wellinghausen im Labor Dr. Gärtner. „Sie haben sich entschuldigt. Lieferengpässe hin oder her, die Mitarbeiter dort arbeiten bis zur Grenze der Belastbarkeit. In so einer Ausnahmesituation läuft nicht immer alles ideal“, sagte Bürger anschließend der „Schwäbischen Zeitung“. In Zukunft sollen vorwiegend Verdachtsfälle getestet werden, die zu einer Risikogruppe gehören. Entweder aufgrund ihres Alters oder einer Vorerkrankung. Da mit weiterhin steigenden Infiziertenzahlen zu rechnen sei, reiche sonst weder die Zahl der Testkits noch das Personal in den Laboren.