Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Initiativen starten Hilfsaktionen für die Risikogruppe
Einkaufsdienste stehen im Mittelpunkt – Helfer appellieren an Betroffene, die Gefahr ernst zu nehmen
ALB - Zu Hause bleiben – das gilt angesichts der Ausbreitung des Coronavirus vor allem für Angehörige bestimmter Risikogruppen. Damit diese zum Beispiel trotzdem mit Lebensmitteln versorgt werden, gründen sich zurzeit etliche Hilfsinitiativen. Diese hoffen jetzt, dass ihr Angebot auch tatsächlich angenommen wird. „Es sollte niemand Hemmungen haben, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen“, sagt etwa Sonja Göckel, Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes in Gammertingen. Und auch Pastoralreferent Matthias Kopp aus Neufra betont: „Jetzt ist nicht die Zeit für falsche Scham.“
Zu denen, die jetzt ihre Hilfe anbieten, zählen zum Beispiel die Fußballer der Spielgemeinschaft Hettingen-Inneringen. „Etwa 20 Leute sind bereit, Einkäufe zu erledigen und auszuliefern“, sagt Marc Dreher, der ab Mittwoch Anfragen aus Hettingen entgegennimmt. „Und wenn der Bedarf größer ist, machen mit Sicherheit noch mehr mit.“Unterstützen wollen die Fußballer all jene, die älter als 50 Jahre sind, unter Quarantäne stehen oder anderweitig keine Unterstützung finden. „Wir wollen auch Ansprechpartner für diejenigen sein, die kurzfristig Hilfe brauchen“, sagt Louis Sauter, der die Anfragen aus Inneringen koordiniert. Auch in der Fußballmannschaft sei in den vergangenen Tagen zunehmend deutlich geworden, wie kritisch die Situation ist. Deshalb hätten sich auch in kurzer Zeit zahlreiche Mitstreiter gefunden.
Auch die Stadtverwaltung hat auf die aktuelle Situation reagiert. „Weil die meisten Menschen, die sich bei der Nachbarschaftshilfe engagieren, über 70 Jahre alt sind, hat diese ihre Arbeit vorübergehend eingestellt“, sagt Bürgermeisterin Dagmar Kuster. Für viele Einwohner sei das vermutlich auch nicht weiter tragisch. „Die familiären Strukturen funktionieren auf dem Land gut: Kinder oder Enkelkinder bieten Eltern oder Großeltern gerne ihre Hilfe an.“Doch die Stadt wolle auch für diejenigen da sein, bei denen das nicht der Fall ist. Wer niemanden finde, der für ihn die Einkäufe erledigt, könne sich im Kindergarten in Inneringen melden. Dessen Erzieherinnen hätten vorgeschlagen, in solchen Fällen eine Lösung zu suchen – oder im Zweifelsfall selbst einkaufen zu gehen.
In Neufra sind es ebenfalls Fußballer, die ihre Hilfe anbieten. „Wir sind alles fitte, junge Leute zwischen 20 und 30“, sagt Michael Haug, Kassierer des TSV Neufra. „Wir können rausgehen – anders als zum Beispiel diejenigen, die sich in Quarantäne befinden.“Haug selbst nimmt die Anfragen für Einkäufe entgegen. „Fußballer aus der aktiven Mannschaft gehen einkaufen und stellen die Sachen vor die Haustür“, sagt er. „Zwölf Helfer stehen bereit.“
Auch Gemeindeverwaltung und Kirchengemeinde bieten ihre Unterstützung an. „Menschen aus den Risikogruppen können sich bei mir melden“, sagt Pastoralreferent Matthias Kopp. Zusammen mit ehrenamtlichen Helfern könne er Einkäufe oder andere Erledigungen übernehmen. „Gottesdienste und kirchliche Großveranstaltungen fallen zurzeit ja ohnehin aus – da kann ich mich auch persönlich einbringen.“
In Gammertingen haben Silke Nepple und Jörg Scham die Initiative ergriffen. Gerade den gesundheitlich
Gefährdeten solle der Weg in den Supermarkt jetzt erspart bleiben, sagt Scham. „Ich rechne nicht mit einer Flut von Anfragen, aber einige Menschen wissen in dieser kritischen Situation mit Sicherheit nicht, an wen sie sich wenden sollen.“Um diesen Menschen unter die Arme greifen zu können, suchen Nepple und er noch ehrenamtliche Mitstreiter in der Kernstadt und den Ortsteilen.
Auch das Deutsche Rote Kreuz steht in Gammertingen bereit. „Für uns war sofort klar, dass wir uns der Initiative der Kreisgeschäftsstelle anschließen“, sagt die Ortsvereinsvorsitzende Sonja Göckel. Fünf Kollegen aus der Bereitschaft hätten ihre Hilfe bereits zugesagt, weitere Unterstützer außerhalb des Roten Kreuzes stünden bereit. „Ich hoffe, dass unser Angebot auch angenommen wird“, sagt Göckel. „Das Immunsystem baut ab einem Alter von 60 Jahren einfach ab – ich fürchte, dass das viele unterschätzen.“
Wer zu den Risikogruppen zählt? Informationen dazu im Internet: www.bundesregierung.de/ breg-de/themen/coronavirus/ coronavirus-risikogruppen1730820