Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Boulay kämpft mit den Folgen des Virus
Bürgermeister André Boucher ruft die Mengener auf: Bleiben Sie daheim
BOULAY/MENGEN - In Mengens französischer Partnerstadt Boulay herrscht totale Ausgangssperre. Die Bürger bleiben konsequent in ihren Häusern und Wohnungen und gehen nur raus zum Einkaufen. Die einzigen Läden, die geöffnet haben, sind die Einkaufsmärkte, die Bäckereien, die Apotheken, die Geschäfte für Tabakwaren. Das Krankenhaus habe die Belastungsgrenze bereits erreicht.
Jeden Abend öffnen die Boulayer Bürger um 20 Uhr die Fenster und geben den Pflegeteams und Ärzten ihren dankbaren Applaus. Bürgermeister André Boucher schildert die schwierige Lage der „Schwäbischen Zeitung“und richtet über diesen Weg freundschaftliche Grüße an die Mengener Bürger. Er ist am vergangenen Sonntag wieder gewählt worden.
Vor den Läden bilden sich längere Schlangen, weil die Leute den Sicherheitsabstand einhalten müssen, berichtet Bürgermeister Boucher. In den Einkaufsmärkten komme es zu wüsten Szenen. „Die Polizei und das Ordnungsamt müssen eingreifen, weil sich Kunden um eine Packung Nudeln streiten“, berichtet er. Die Regale mit Nudeln, Toilettenpapier, Eiern und Wasser seien fast leer gekauft.
Die Polizei ist unterwegs und kontrolliert Menschen auf der Straße: Wer keine Bescheinigung habe, bekomme ein Bußgeld. Man darf unterwegs sein, wenn man zur Arbeit geht, wenn diese Arbeit nicht aufgeschoben und nicht im Home-Office erledigt werden kann. Man darf zum Einkaufen, zum Arzt oder in die Apotheke gehen oder Besorgungen für einen Angehörigen machen. Man darf den Hund spazieren führen oder ein wenig Sport machen. Aber hier gilt es, einen Bewegungsradius unter einem Kilometer um die Wohnung herum einzuhalten, nicht länger als eine halbe Stunde und vor allem nicht in Gruppen unterwegs zu sein. Die Polizei beklage sich, dass sie zu viele Bußgelder verhängen müssen, weil die Leute sich nicht an die Verordnungen hielten. Das Bußgeld liegt bei 135 Euro.
Bürgermeister Boucher hat angeordnet, dass die Stadtverwaltung geschlossen bleibt. Nur das Standesamt ist besetzt. Die Verwaltung bleibe für Notfälle telefonisch erreichbar.
In Boulay sind zwei Familien in Quarantäne. Aber das Gesundheitsamt macht keine Angaben, weil die Daten der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. „Die gesundheitliche Situation ist sehr besorgniserregend. Es fehlt an Mundschutz und Desinfektionsmitteln. Manche Krankenhäuser haben schon die Belastungsgrenze
erreicht“, berichtet Bürgermeister Boucher. Auf das Coronavirus werden die Leute erst getestet, wenn sie ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sodass man tatsächlich nicht wisse, wie viele Bürger sich bereits angesteckt haben, erklärt Boucher weiter.
Seinen Bürgern empfiehlt er, im engen telefonischen Kontakt mit den älteren Leuten zu bleiben. „Wenn Sie einander nicht mehr besuchen können, dann ruft mehrfach am Tag an, um Kontakt zu halten. Das ist sehr wichtig, um diese schwierige Zeit besser zu überstehen“, erklärt er.
Es sei ihm auch wichtig, in diesen schweren Zeiten die Verbindung mit der Partnerstadt zu halten. Er schicke deshalb die Botschaft seiner Freundschaft und Solidarität nach Mengen. „Und ich bitte Sie, halten Sie sich an die Empfehlungen, die sicher dieselben sind wie bei uns: Bleiben Sie daheim“, schreibt er nach Mengen. Diese furchtbare Krise sei auch die Gelegenheit, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Werte der Solidarität und der gegenseitigen Hilfe zu leben. „Zusammen werden wir es schaffen. Passen Sie auf sich und Ihre Angehörigen gut auf“, schreibt Bürgermeister Boucher an die Mengener Bürger und freut sich auf die Zeit, in der wieder Besuche und Gegenbesuche gemacht werden können.