Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hartmann fährt Produktion von Desinfekti­onsmitteln hoch

Heidenheim­er Unternehme­n kämpft mit explodiere­nder Nachfrage – Umbauprogr­amm belastet Ertragslag­e

- Von Andreas Knoch

HEIDENHEIM - Der Medizin- und Pflegeprod­ukteherste­ller Paul Hartmann hat auf Corona-Modus umgestellt. Im Dreischich­tsystem an sieben Tagen der Woche produziert das Unternehme­n zurzeit dringend benötigte Desinfekti­onsmittel, die von der Tochter Bode Chemie am Standort Hamburg hergestell­t und unter der Marke Sterillium vertrieben werden. Die Nachfrage kann Hartmann damit aber nicht ansatzweis­e decken. „Der Bedarf ist explosions­artig gestiegen“, sagte Vorstandsc­hefin Britta Fünfstück am Dienstag auf der Bilanzpres­sekonferen­z, die wegen der Corona-Krise kurzfristi­g ins Internet verlegt werden musste.

Als Reaktion auf die Ausnahmesi­tuation werden nun die Produktion­skapazität­en der Tochter Kneipp, bekannt durch Bade- und Körperpfle­geprodukte, umgestellt. Noch in dieser Woche, so Fünfstück, laufe die Produktion von Sterillium, das in Krankenhäu­sern und Arztpraxen zur Desinfekti­on der Hände zum Einsatz kommt, am Kneipp-Standort Würzburg/Ochsenfurt an.

Um eine möglichst flächendec­kende Versorgung sicherzust­ellen, sei das Unternehme­n, das mehrheitli­ch der Ulmer Unternehme­rfamilie Schleicher gehört (Schwenk Zement) und weltweit mehr als 11 000 Mitarbeite­r beschäftig­t, in den vergangene­n Tagen bereits auf einen Zuteilungs­modus übergegang­en. Bevorzugt würden dabei die Kunden aus dem klinischen und ambulanten Gesundheit­sbereich. „Die Versorgung­slage spitzt sich dramatisch zu. Es ist ein täglicher Kampf um Kreativitä­t“, beschrieb die Managerin, die seit Januar 2019 die Geschicke von Hartmann lenkt, die aktuelle Situation.

Corona sei das alles dominieren­de Thema.

Welche Auswirkung­en die Krise auf Umsatz und Ergebnis des Unternehme­ns hat, vermochte Fünfstück nicht zu sagen. „Das ist ganz schwierig und nicht seriös abschätzba­r“, erklärte die Hartmann-Chefin. Zwar gebe es eine aktuell hohe Nachfrage nach Desinfekti­onsmitteln. Doch dem stünden abgesagte Operatione­n seitens der Krankenhäu­ser gegenüber, was sich negativ auf den Bedarf anderer Hartmann-Produkte auswirke. Darüber hinaus drohten im schlimmste­n

Fall Werksschli­eßungen, sollten sich Mitarbeite­r mit dem Coronaviru­s infizieren. Hartmann habe dahin gehend zwar die Sicherheit­smaßnahmen erhöht. So wird darauf geachtet, dass sich die Teams in den einzelnen Schichten nicht begegnen; es gebe separate Ein- und Ausgänge. Doch ausschließ­en könne man das nicht.

Mögliche Auswirkung­en der Corona-Krise seien daher auch nicht in der Prognose für 2020 berücksich­tigt, so Fünfstück. Die sieht ein „moderates Umsatzwach­stum“(2019: 2,2 Milliarden Euro) und ein bereinigte­s operatives Ergebnis (Ebitda) „von 159 Millionen bis 176 Millionen Euro“vor. Letzteres läge deutlich unter den 210 Millionen Euro des abgelaufen­en Geschäftsj­ahres und ist mit dem Umbauprogr­amm zu erklären, das Hartmann 2019 gestartet hat und das auf fünf Jahre angelegt ist. Im Zuge dessen will sich die Gruppe künftig auf die drei Kernsegmen­te Wund-, Inkontinen­zund Infektions­management konzentrie­ren. Fünfstück kündigte an, „im Geschäftsj­ahr 2020 und darüber hinaus signifikan­te Zukunftsin­vestitione­n“vorzunehme­n, „denen jedoch nach und nach immer sichtbarer­e positive Effekte gegenübers­tehen werden“.

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FOTO: OBS/PAUL HARTMANN AG/MANFRED WIGGER Sterillium-Produktion am Hartmann-Standort bei Bode in Hamburg: Der Medizinpro­dukteherst­eller Paul Hartmann will das Desinfekti­onsmittel noch ab dieser Woche auch in Würzburg herstellen.

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