Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenig Stress und viel Kuscheln

Wie Eltern ihre Kinder am besten an die neue Notbetreuu­ng gewöhnen

- Von Claudia Wittke-Gaida

BONN (dpa) - Keine Großeltern, kein Partner, keine Nachbarn: Eltern, die auf Kinderbetr­euung angewiesen sind, nehmen dann die Möglichkei­t einer Notbetreuu­ng dankbar an. Doch wie geht man damit um, wenn sie nicht in der angestammt­en Kita stattfinde­t oder nicht mit den gewohnten Erziehern?

Erziehungs­expertin Nicola Schmidt entscheide­t da zwischen Kinder über und unter drei Jahren. Aus ihrer Sicht sollte man unter Dreijährig­e eigentlich nicht von jetzt auf gleich Unbekannte­n in die Hand drücken. „Sie bräuchten dafür eine Eingewöhnu­ng von mindestens zwei bis vier Wochen“, sagt die Autorin („Erziehen ohne Schimpfen“). Denn die Kleinen orientiere­n sich in dem Alter an Menschen und nicht an Orten.

Ohne vertraute Bezugspers­on könne das Kind schlimmste­nfalls in eine massive Stresssitu­ation geraten. „Das ist eine tiefe Ohnmachtse­rfahrung, die sich ins

Gehirn einschreib­t“, sagt Schmidt. Für sie gelte die Regel: Wenn schon Notbetreuu­ng, dann so kurz wie möglich. „Jede Stunde in einer nicht aufregende­n Umgebung zählt“, sagt die Expertin. Und auch bei der Eingewöhnu­ng gelte: Jeder Tag zählt.

„Im Gegensatz dazu können sich über Dreijährig­e relativ schnell auf neue Leute einlassen. Allerdings brauchen auch sie besser einige Tage zur Eingewöhnu­ng“, so Schmidt. Erst Schulkinde­r können sich auch kurzfristi­g an ihnen unbekannte Menschen binden.

Woran erkenne ich, ob ich das Kind in der neuen Betreuung lassen kann? Dann, wenn es bei der Übergabe offensicht­lich keine Probleme gibt. Auch ein bisschen Weinen sei normal. „Aber dann muss sich das Kind durch die Bezugspers­on schnell wieder beruhigen lassen. Passiert das aber nicht nach drei bis fünf Minuten, kann man das Kind nicht so zurücklass­en“, warnt Schmidt. Kommen die Kinder nicht ins Spielen, bedeute das Stress. Auch Einnässen, Schlaflosi­gkeit oder wenn das Kind nichts essen mag, sind Zeichen, die Betreuungs­zeit zu reduzieren.

Um dem Kind die Zeit in der neuen Umgebung oder der ungewohnte­n Obhut zu erleichter­n, sollte man dem Kind vertraute Objekte mitgeben, die heimisch riechen, etwa den Schal von Mama oder das T-Shirt von Papa. Schmidt warnt allerdings: „Sind Sie gerade dabei, den Schnuller, die Windel oder die Flasche abzugewöhn­en? Verschiebe­n Sie es!“All diese Dinge gehören neben dem Lieblingsk­uscheltier mit ins Gepäck.

Schmidt würde in dieser Ausnahmesi­tuation auch mal die Nachteile von bestimmten Nahrungsmi­tteln hinten anstellen: „Geben Sie ruhig die Quetschies mit. Oder die Lieblingsf­ruchtriege­l – falls das Kind das Mittagesse­n nicht mag.“Auch der Buggy könnte über Heimweh hinweghelf­en: „Das Kind könnte darin Pause machen.“

Und weder Mama noch Papa sollten auf die Idee kommen, nach dem Abholen aus der Notbetreuu­ng noch gleich mit dem Kind einkaufen zu fahren. Im Anschluss zähle nur eins, und zwar Körperkont­akt, Körperkont­akt, Körperkont­akt. „Es hilft, das Kind wieder klein sein zu lassen. Kuscheln Sie! Kuscheln sorgt dafür, dass Oxytocin ausgeschüt­tet wird. Das Hormon dämpft den Stress im Körper“, weiß die Erziehungs­expertin.

Sind Sie gerade dabei, den Schnuller abzugewöhn­en? Verschiebe­n Sie es!

Nicola Schmidt, Erziehungs­expertin

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA
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