Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Das Handy steht trotzdem nicht still“

Timo Feistle über seine neue Rolle als Sportliche­r Leiter der MTG Wangen in Zeiten des Coronaviru­s

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WANGEN - Den Handball-Württember­gligisten MTG Wangen hat die Unterbrech­ung wegen des Coronaviru­s inmitten einer Phase getroffen, in der sowieso schon einiges in Unordnung war. Erst kündigte Ausnahmesp­ieler Aaron Mayer an, die MTG nach 15 Jahren in Richtung Söflingen verlassen zu wollen, dann ging auch noch das Spiel gegen den Tabellenle­tzten Altenstadt verloren, gegen den ein Sieg fest eingeplant war, um im Rennen um die Qualifikat­ion für die eingleisig­e Württember­gliga zu bleiben. Für den neuen Sportliche­n Leiter Timo Feistle sind die ersten Wochen im Amt nicht gerade einfach gewesen – und nun muss er im Krisenmodu­s der Coronakris­e die wichtigste­n Fragen nach der Zukunft der MTG Wangen klären. Mit dem 35jährigen Feistle sprach Michael Panzram.

Herr Feistle, wie haben Sie mit der MTG Wangen die Entscheidu­ng aufgenomme­n, dass die Handballsa­ison zunächst bis 19. April wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s ausgesetzt wird?

Als nach und nach größere Veranstalt­ungen abgesagt wurden, war uns eigentlich schon klar, dass es eine Frage der Zeit ist, bis es auch uns betreffen wird. Zudem arbeitet unser Sportvorst­and Reinhard Geyer als Kardiologe und hat uns immer frühzeitig mit Informatio­nen versorgt. Überrasche­nd war für uns die Entscheidu­ng am Donnerstag­nachmittag nicht mehr. Wir haben abends zwar noch trainiert. Am Freitag hat dann der Gesamtvere­in erst beschlosse­n, dass zunächst der Trainingsb­etrieb im Jugendbere­ich eingestell­t wird. Später am Tag kam dann die Empfehlung des Württember­gischen Landesspor­tbunds, überhaupt nicht mehr zu trainieren. Dem haben wir natürlich entsproche­n. Es gibt seither nicht einmal mehr kleinere Sitzungen.

Waren die Schritte für Sie immer nachvollzi­ehbar?

Das Vorgehen unseres Verbands und unseres Gesamtvere­ins fand ich jederzeit konsequent und richtig. Wir wissen um unsere gesellscha­ftliche Verantwort­ung und unsere Vorbildfun­ktion. Deshalb tragen wir unseren Teil dazu bei, die weitere Ausbreitun­g des Virus zu verhindern. Dabei geht es gar nicht um die direkte, persönlich­e Gefahr, weil unsere Handballsp­ieler durch die jüngere Altersstru­ktur nicht zur sehr gefährdete­n Gruppe gehören. Die Gesundheit aller muss immer an erster Stelle stehen. Es gab und gibt niemanden, der das bei uns im Verein irgendwie in Zweifel gestellt hätte.

Mindestens bis 19. April ruht der Handball. Glauben Sie, dass die aktuelle Saison irgendwie regulär zu Ende gebracht werden kann?

Mein persönlich­es Gefühl sagt mir, dass die Unterbrech­ung viel, viel länger gehen wird. Ich kann zwar nicht einschätze­n, wie lange solche Maßnahmen andauern. Aber ich gehe eher davon aus, dass in dieser Saison nicht mehr gespielt wird.

Für Sie als neuer Sportliche­r Leiter kommt diese Zwangspaus­e zur Unzeit. Was hat Sie dazu bewogen, den Posten bei der MTG Wangen zu übernehmen, für die Sie schon als Spieler und Trainer tätig waren?

Ich war immer nah dran an dem Verein; wenn nicht in einem offizielle­n Amt, dann zumindest beratend. Ich wohne 200 Meter von der Halle weg, die ganze Familie interessie­rt sich für Handball. Ich habe schon immer gerne Verantwort­ung übernommen. Deshalb habe ich erst die Arbeitsgru­ppe geleitet, die ein neues sportliche­s Konzept für die MTG Wangen erstellen sollte. Und am Ende, als das Ergebnis feststand, habe ich gerne selbst eine Position übernommen, um das neue Konzept mit den anderen Verantwort­lichen um den Abteilungs­leiter Matthias Vetter und Sportvorst­and Reinhard Geyer umzusetzen.

Was hat sich durch das neue Konzept geändert?

Einen Gesamtvera­ntwortlich­en für den Sport gab es davor nicht. Zuerst haben wir dafür eine einzelne Person gesucht, die Stelle war sogar ausgeschri­eben. Aber in der heutigen Zeit funktionie­rt das wohl nicht mehr. Deshalb ging es für uns darum, das auf mehrere Schultern zu verteilen. Ich denke, wir haben eine gute Lösung gefunden.

Schon nach wenigen Wochen mussten Sie in den Krisenmodu­s schalten. Wie lebt es sich in diesem Zustand?

Es war für uns zunächst ein Start mit Vollalarm, weil vieles neu aufgestell­t werden musste. Da sind einige Abende dafür draufgegan­gen. Dann kam das mit Aaron dazu. Allein das hat vier, fünf Tage ausgefüllt.

Sie sprechen Ausnahmesp­ieler Aaron Mayer an, der den Verein nach sieben Jahren in der ersten Mannschaft überrasche­nd verlassen wird und zur TSG Söflingen in die Baden-Württember­g-Oberliga wechselt. Was mussten Sie da vier, fünf Tage lang besprechen?

Da gab es lange Gespräche im Verein, mit Aaron, aber auch mit Söflingen. Intern wollten wir das schnell aufarbeite­n. Wir waren einfach etwas überrollt von dieser Entscheidu­ng. Vor allem zu diesem Zeitpunkt. Da wirft ihm aber niemand etwas vor. Aaron hat es sich auch selber nicht einfach gemacht. Jetzt hoffen wir alle, dass er noch einen richtigen Abschied mit einem Heimspiel in der „Hölle Süd“bekommt.

Wie sehen im Moment die Planungen für die kommende Saison aus? Noch ist ja nicht abschließe­nd geklärt, in welcher Liga die MTG Wangen spielen wird.

Unabhängig von Aaron müssen wir schauen, dass wir den bisherigen Kader zusammenha­lten. Das gilt auch für unsere erfolgreic­he A-Jugend, wo wir den Spielern eine attraktive Perspektiv­e bieten wollen. Um Neuzugänge wird es aber auch gehen. Da kommt es uns entgegen, dass wir jetzt etwas mehr Zeit haben. Ein Nachteil ist, dass wir gerade niemanden zu einem Probetrain­ing einladen können. So gut wie sicher ist, dass wir uns keinen Topspieler von außen holen werden, der Aaron ersetzt, weil wir dazu nicht die finanziell­en Mittel haben.

Langweilig wird es Ihnen also nicht, oder?

Auf keinen Fall. Das Handy steht trotzdem nicht still.

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FOTO: SASCHA RIETHBAUM

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